IHK-Präsident sucht Alliierte im Ministerium

Rodenstock: Wirtschaft braucht "andere Post"

05.09.1986

MÜNCHEN (CW) - Private Anbieter von Fernmeldediensten soll die Bundespost nach Ansicht von Professor Rolf Rodenstock, dem Präsidenten der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, möglichst bald zulassen. Um Unterstützung bei diesem Ansinnen hat der IHK-Vorsitzende jetzt den bayerischen Wirtschaftsminister Anton Jaumann gebeten. (Lesen Sie zu diesem Thema auch das Interview auf Seite 18 mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Postgewerkschaft, Emil Bock.)

Rodenstock, der sich in seinem Sechs-Seiten-Brief an den Münchner Staatsminister auf ein allgemeineres Gespräch mit Jaumann und Bundespostminister Schwarz-Schilling im Juli beruft, fordert zwar keine Aufhebung des Netzmonopols der Post, doch ein "rasches Umdenken" der Bonner in Richtung Marktwirtschaft sei "unbedingt notwendig". Das Fernmeldewesen müsse "dereguliert" werden, wie dies in Japan oder den USA schon vor Jahren erfolgt sei, so daß dort "Markt- und Effizienzkriterien" maßgeblich seien. Folge der Staat diesem Trend nicht, so seien erhebliche Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft zu erwarten.

Freilich will der süddeutsche Lobbyist der Post das Monopol dort nicht nehmen, wo es, betriebswirtschaftlich gesehen, zumindest riskant ist: bei der Erschließung "aller" Wirtschaftsregionen, das heißt bei der "Verpflichtung, flächendeckend Fernmeldenetze für Individualkommunikation zu bauen". Die Post soll dafür sorgen, daß kein regionales Kommunikationsgefälle entsteht; deshalb müsse der Bedarf für die neuen Informationstechniken außerhalb der Ballungsgebiete geweckt werden. Doch das Engagement auf diesem Gebiet sei stark unterentwickelt, kritisiert der Professor die staatliche Fernmeldebehörde. Allerdings seien die Kammern bereit, der Post bei der Werbung zu helfen, verfügten sie doch über mehr Know-how, wie man den Betrieben die Thematik leicht verständlich vermittelt.

Außerdem forderte Rodenstock die Post auf, ihre Gebührenstruktur so zu ändern, daß die Nutzungsdauer bei den Tarifen in den Vordergrund tritt; die Entfernung sei weniger erheblich. Fernverbindungen würden dann billiger, während die Gebühren für Sprach-, Daten- und Textübertragung im Nahbereich angehoben werden müßten.

Ohne Rücksichtnahme auf grundlegende strukturelle Mängel sei aber der Fernsprechtarif als Grundlage für die ISDN-Gebühren in die Telekommunikationsordnung (TKO) übernommen worden. Die ISDN-Nutzer müßten daher sachfremde Aufgaben mitfinanzieren, etwa den defizitären Paketdienst oder den Postzeitungsvertrieb.

Rodenstocks Ansatz für eine Teilprivatisierung der Post sieht nun vor, daß die Nutzung von Leitungen und festen Verbindungen in privater Hand toleriert wird. Auch nichtstaatliche Dienstleister müßten neben der Post als "weiterhin wichtigstem Anbieter von Telekommunikationsdiensten" zugelassen werden. Den Markt für diese DBP-Wettbewerber sieht der IHK-Präsident nicht nur bei den unternehmensinternen Kommunikationsnetzen, sondern auch in "branchenspezifischen" Systemen.