Flexibilisierung als neuer Eckwert:

RKW sieht Wandel in der Rationalisierung

12.04.1985

ESCHBORN (lo) - Das RKW-Rationalisierungs-Kuratorium der deutschen Wirtschaft in Eschborn hielt auf seiner Jahrespressekonferenz Rückschau. Dabei bestimmten die neuen Techniken das Bild. Beratung und Weiterbildung waren Stichworte zu ihrem effektiven Einsatz. Für die mittelständische Wirtschaft heißt das neue das Rationalisierungsziel künftig Flexibilität.

Besonders der technische Bereich müsse bei Rationalisierungen umdenken, sagte RKW-Vorsitzender Erich Menzel. So werde "punktuelles Vorgehen" zunehmend durch integrierte Lösungen ersetzt. Nicht mehr Einzelprobleme ständen im Blickpunkt, sondern ganze Abläufe. Mit Hilfe der EDV müßten die Strecken von der Produktion bis zur Lagerung oder der Bestellung bis zur Auslieferung verkürzt werden.

Humaner Einsatz moderner Technik

Absatzmärkte wandelten sich zunehmend zu Käufermärkten, in denen die Kunden kurzfristig auch nach individuellen Produkten verlangten, beschrieb Menzel die Entwicklung. Flexibilität sei also neben der Kostensenkung zum wichtigsten Rationalisierungsziel geworden.

Er nannte als notwendige Voraussetzung für eine höhere Produktivität und größere Beweglichkeit eine veränderte Motivation "vom Unternehmer bis zum Arbeiter" . Zum einen seien neue Methoden angesagt, zum anderen müßten technische sowie betriebswirtschaftliche Disziplinen verstärkt kooperieren. Dieser Weg führe zum humanen Einsatz moderner Techniken, betonte Menzel.

Fortbildung gleich Unternehmenszukunft

Es sei eine der Überlebensfragen in der mittelständischen Industrie, für kleinere und mittlere Unternehmen nutzbar zu machen, was von der Großindustrie bereits erprobt wurde, sagte der RKW-Vorstand. Dabei sei es von Bedeutung, in umfangreichem Maß Know-how zu übertragen. Zu wenig Information und Skepsis gingen gerade bei mittelständischen Unternehmern Hand in Hand.

Neue Qualifikationen der Mitarbeiter seien nicht isoliert von der Unternehmensentwicklung zu sehen, wies RKW-Geschäftsführer Hubert Born hin. Firmenbezogene innerbetriebliche Weiterbildung - ob "vor Ort" oder außerhalb - bestimme wesentlich die Unternehmenszukunft. In verschiedenen Landesgruppen des Kuratoriums seien über- und innerbetriebliche Schulungen geplant, um Mitarbeiter auf allen operativen Hierarchie-Ebenen, etwa für den Einsatz computergesteuerter Werkzeugmaschinen, vorzubereiten.

Erfahrung ersetzt keine strategische Planung

Technologiesprünge müßten auch in kleinen und mittleren Unternehmen bewältigt werden, betonte RKW-Geschäftsführer und Kuratoriumssprecher Dr. Herbert Müller. Er wies auf das Defizit an Planung bei Industrieunternehmen mit weniger als 1000 Mitarbeitern hin. Nur sieben Prozent seien hier aktiv. Der Rest baue auf bisherige Erfahrungen als Grundlage. Um "unternehmerische Vorwärtsstrategien" zu verwirklichen, reiche dies häufig nicht mehr aus.

Der Abstand von Entwicklungsphase zur Anwendungsreife neuer Technik schrumpfe jedoch ständig. Schrittweise Einführung sei daher in vielen Fällen nicht mehr möglich. Die Anpassung der Unternehmensstruktur an moderne Methoden sei deshalb zu unterstützen. Hierbei sei auch die Tendenz mancher Unternehmen zu kritisieren, den eigenen Nabel als Mittelpunkt der Welt zu sehen, also nicht genügend außenorientiert zu denken. Da aber die wirtschaftliche Entwicklung in Schüben erfolge, so Müller, stolpere man dann über die eigenen Wachstumsschwellen. Dies sei mit strategischem Planen und Handeln in den Griff zu bekommen.

Mit Rationalisierung Arbeitsplätze erhalten

Es sei an der Zeit, unterstrich RKW-Sprecher Müller, mit einer Legende aufzuräumen. Das Rationalisierungskuratorium sei keinesfalls ein "Arbeitsplatzvernichter". Im vergangenen Jahr hätten rund 4000 Unternehmen mit 110 000 Arbeitsplätzen von der RKW-Beratung Gebrauch gemacht. Bei den meisten dieser Betriebe habe die Arbeitsplatzsicherung im Vordergrund gestanden.

Häufige Hilfe bei Existenzgründungen sowie die umfangreiche Unterstützung von Unternehmen im zweiten und dritten Krisenjahr belegten weiterhin das Bestreben des RKW, Arbeitsplätze zu schaffen.