Deal mit Telecom Italia stellt deutsch-französische TK-Achse in Frage

Riskantes Italien-Abenteuer der Telekom

23.04.1999
BONN (pg) - Der europäische TK-Markt steht vor einer dramatischen Neuordnung. Die geplante Fusion zwischen der Deutschen Telekom und Telecom Italia stellt nicht nur die deutsch-französische Freundschaft auf eine harte Bewährungsprobe, sie hätte auch Auswirkungen auf das weltweite TK-Gefüge. Ein Ende des Joint-ventures Global One ist wahrscheinlich, andere Konstellationen sind denkbar.

Den Stein ins Rollen brachte Olivetti. Mit dem dreistesten feindlichen Übernahmeangebot der Wirtschaftsgeschichte trat das Unternehmen im europäischen TK-Markt eine Lawine los, deren Auswirkungen derzeit nur zu ahnen sind. Das 118 Milliarden Mark hohe Angebot von Olivetti für die sechsmal größere Telecom Italia setzt die großen Player unter Zugzwang, und die Zeit drängt. Olivetti wartet nämlich, nachdem Telecom-Italia-Chef Franco Bernabe nicht die erforderlichen 30 Prozent der Aktionäre für seinen Abwehrversuch gewinnen konnte, auf grünes Licht der italienischen Börsenaufsicht.

Doch möglicherweise hat Olivetti die Rechnung ohne die Telecom Italia gemacht. Bernabes Aussage nach der gescheiterten Aktionärsversammlung, er habe noch ein As im Ärmel, war kein Bluff. Tatsächlich ist mit der Deutschen Telekom nun jener weiße Ritter auf den Plan getreten, über den so heftig spekuliert wurde. Der Aufsichtsrat gab dem Vorstand bereits die Erlaubnis, zum Redaktionsschluß der CW fehlte nur noch das Plazet des Verwaltungsrats der Italiener.

Eine "Fusion unter Gleichen" wird angestrebt, doch ganz gleich wären die Partner nicht. Die Deutsche Telekom ist Europas größter Carrier und wird an der Börse derzeit mit rund 200 Milliarden Mark bewertet, der Wert der Telecom Italia - in Europa Nummer vier - liegt bei 100 Milliarden Mark.

Ein Merger dieser Größenordnung, bei dem ein Mega-Carrier mit einem Umsatz von rund 120 Milliarden Mark und 350000 Beschäftigten entstehen würde, wirft jedoch erhebliche Probleme auf. In erster Linie sind dies politische. Der italienischen Regierung, die an der Telecom Italia nur 3,4 Prozent hält, ist zum Beispiel die hohe Beteiligung von 72 Prozent der Bundesregierung an der Telekom ein Dorn im Auge. Zwischen Bonn und Rom glühen deshalb die Telefondrähte, um auf höchster Ebene dieses Problem aus der Welt zu schaffen. Denkbar wäre ein Stimmrechtsverzicht der Bundesregierung sowie ein schnellerer Verkauf der Staatsanteile.

Die Fusion birgt darüber hinaus ein weiteres Politikum. Der deutsch-italienische Schulterschluß stößt Paris vor den Kopf. Zwischen France Télécom und der Telekom besteht eine Kreuzbeteiligung von jeweils zwei Prozent. Beide Unternehmen sind außerdem Partner des transatlantischen Konsortiums Global One, zu dem noch der US-Carrier Sprint gehört.

"Don" Sommer durchkreuzt Pläne von Mannesmann

Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, daß es in der deutsch-französischen Allianz seit geraumer Zeit kriselt. Außerdem hat das Joint-venture Global One bisher nur negative Schlagzeilen gemacht. Partner Sprint denkt laut über einen Ausstieg nach, Streitigkeiten über die Ausrichtung von Global One sind kaum zu verbergen.

Ein Deal zwischen der Telekom und dem ehemaligen italienischen Staatskonzern könnte also der Anfang vom Ende der Verbindung mit France Télécom, aber auch von Global One sein. Die Franzosen hat das mögliche Engagement der Deutschen in Italien jedenfalls brüskiert. In einer Stellungnahme aus Paris hieß es, die Vereinbarungen mit der Deutschen Telekom seien eindeutig und mit einem einseitigen Strategiewechsel unvereinbar. Gelassen reagiert hingegen die Bonner Telekom-Zentrale auf die Reaktion der Franzosen. Ein Sprecher sagte der CW, der gesamte Vorgang müsse emotionslos gesehen werden. Ein Abkommen mit Telecom Italia würde auch das Bündnis mit France Télécom stärken und dessen globale Position verbessern.

Trotz dieser Bekenntnisse aus Bonn deutet vieles auf einen Bruch zwischen der Telekom und France Télécom hin. Es ist sogar denkbar, daß ihn Telekom-Chef Ron Sommer bewußt herbeiführt, da Analysten die deutsch-französische Aufstellung am TK-Markt nie besonders gut bewertet haben. Sommer strebt jedenfalls nach globalen Partnerschaften. Der voraussichtlich für Juni geplante zweite Börsengang der Telekom soll dem Konzern 22 Milliarden Mark einspielen, die Sommer gern in internationale Beteiligungen investieren möchte. In diesem Zusammenhang wird derzeit heftig über einen Kauf des britischen TK-Konzerns Cable & Wireless, des britischen Mobilfunkanbieters One 2 One sowie eine Übernahme von Sprint spekuliert.

Doch soweit sind die Bonner noch lange nicht. Erst einmal müssen sie ihr Geschäft mit der Telecom Italia in trockene Tücher bringen. Für die Telekom hätte ein solcher Merger Vor- und Nachteile. Als Vorteil gilt, daß die Deutschen im lukrativen italienischen Markt sofort Fuß fassen könnten.

Ein weiteres Plus wäre die Ausbootung des deutschen Konkurrenten Mannesmann. Die Düsseldorfer würden im Fall der Übernahme von Telecom Italia durch Olivetti für 15 Milliarden Mark den Anteil Olivettis am TK-Gemeinschaftsunternehmen Oliman erwerben. Klappt der Deal zwischen der Telekom und der Telecom Italia, platzt das Geschäft zwischen Mannesmann und Olivetti.

Eine Fusion hätte jedoch auch Nachteile. Die Italiener haben bisher internationale Partnerschaften weitgehend verschlafen. Die Beteiligungen in Indien sowie Südamerika fallen kaum ins Gewicht. Probleme dürften ferner die organisatorische Zusammenlegung der beiden Carrier, die politischen Einmischung sowie der Stellenabbau machen, der nötig wäre, um die Analysten zufriedenzustellen.