IT-Freiberufler

Risiko Scheinselbständigkeit

09.12.2010
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.

IT-Freiberufler im Visier der Sozialkassen?

Um der sozialversicherungsrechtlichen Einstufung von IT-Freelancern zu entgehen, kaufen Auftraggeber wie Msg Systems die Leistungen von Freiberuflern zunehmend über Vermittlungsagenturen ein, die die Administration übernehmen. "Das Risiko, dass ein Freiberufler auf Festanstellung klagt, bleibt jedoch", erklärt Wittemer. Auch Personalvermittlungsagenturen beklagen die Situation. Laut Albert Lidl, Vorstandsvorsitzender der Top Itservices AG, nehmen die Sozialkassen verstärkt IT-Freiberufler und Unternehmen, die diese beauftragen, unter die Lupe. Die Folgen spüren auch Personalvermittler wie Top IT Services, so Lidl: "Eine Reihe von Kunden stehen Externen mehr als skeptisch gegenüber, da sie Angst haben, wegen möglicher Scheinselbständigkeit ihrer Berater in der Presse stehen. Wenn die Politik nicht gegensteuert, wird der Markt der Freiberufler nach und nach erodiert." Um die Situation zu verbessern, schlägt Lidl vor, dass sich der Externe als Selbständiger in einem Kaufmannsbuch eintragen muss. Darüber hinaus sollte auch die hohe Bezahlung der IT-Freiberufler ein dominierendes Kriterium zur Beurteilung der Selbständigkeit werden.

Rechtsanwalt Benn0o Grunewald: "Nach jahrelanger Ruhe haben die Berliner Beamten offenbar das Thema Scheinselbständigkeit wieder entdeckt."
Rechtsanwalt Benn0o Grunewald: "Nach jahrelanger Ruhe haben die Berliner Beamten offenbar das Thema Scheinselbständigkeit wieder entdeckt."
Foto: Benno Grunewald/BVSI

Dass Musiker oder Architekten in der Sozialversicherung eher als freiberuflich Tätige angesehen werden als die relativ junge Zunft der ITler, kann Msg-Systems-Personalleiter Wittemer nicht verstehen: "Wenn ein freiberuflicher Softwareentwickler oder Webdesigner einen Auftrag annimmt, dann ist dies ebenso mit Chancen oder Risiken verbunden, wie das Komponieren von Werbe-Jingles oder die Planung eines Gebäudes." Das sieht Benno Grunewald, Vorstand des Berufsverbandes Selbständige für Informatik (BVSI), ähnlich. Der Bremer Fachanwalt für Steuerrecht beschäftigt sich seit elf Jahren mit dem Thema Scheinselbständigkeit. Nach seiner Erfahrung versucht die Rentenversicherung zurzeit mit allen Mitteln, die Selbständigen in eine Scheinselbständigkeit zu drängen: "Nach jahrelanger Ruhe haben die Berliner Beamten offenbar das Thema wieder entdeckt." Der Deutsche Rentenversicherungs Bund (DRB) versucht laut Grunewald zunächst das freie Mitarbeiterverhältnis in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis umzudefinieren. Ist die Behörde dabei nicht erfolgreich, tritt sie an den Freiberufler selbst heran. "Das Dilemma ist, dass es keine klare Abgrenzung zwischen selbständig und scheinselbständig gibt", erklärt der Rechtsanwalt.

Rentenversicherung prüft Verträge

Die Rentenversicherung prüfe die Verträge in den Unternehmen und verschicke Fragebögen. Dazu Grunewald: "Wenn in den Verträgen unglücklich formulierte Jobbeschreibungen stehen, reagiert die Rentenversicherung sofort. Das gilt vor allem für Hinweise, dass der Freiberufler weisungsgebunden tätig ist." Der Rechtsanwalt ist immer wieder überrascht, dass selbst Vermittlungsagenturen mangelhafte Verträge abschließen. "Sie sehen sich auf der sicheren Seite, verlangen aber vielfach von den Freelancern ein Statusfeststellungs-Verfahren." Dieses freiwilllig einzuleiten, hält er für falsch. Das Verfahren kann laut Grunewald Monate bis Jahre dauern. So seien in etlichen Fällen die Projekte längst beendet, bis die Selbständigkeit des Freiberuflers attestiert ist. Zudem würden sich Unternehmen von Statusfeststellungsanträgen eine Art Persilschein erwarten. Dies sei aber nicht der Fall, da die Rentenversicherung in fast allen Projekten ein scheinselbständiges Arbeitsverhältnis annehme.