IBM praesentiert neue Schraegstrich-Modelle

RISC und Offenheit sollen der AS/400 eine Zukunft eroeffnen

19.02.1993

Dort stellte die AS/400-Division Application Business Systems (ABS) nicht nur 14 neue Modelle des Midrange-Rechners und Systemsoftware vor, sondern bekannte sich darueber hinaus zu offenen Standards. Doch, so klagten die anwesenden Haendler, die Kunden wollten den Offenheitsbekundungen des Herstellers nicht glauben.

Die Bemuehungen der AS/400-Division um Standards sind offensichtlich. So wird der Rechner noch in diesem Jahr das bei offenen Systemen uebliche Uebertragungsprotokoll TCP/IP sowie Suns De-facto-Standard Netware File System (NFS) unterstuetzen. Die versprochene Einhaltung der Posix-Standards und die angestrebte X/Open-Konformitaet lassen allerdings noch bis etwa 1995 auf sich warten. Dafuer will die IBM bereits Anfang 1994 ein Entwicklungswerkzeug anbieten, mit dem es moeglich wird, auf der AS/400 Anwendungen zu entwerfen.

Diese verwenden den Remote Procedure Call der OSF-Technik DCE. Unklar ist noch, wann das verteilte Dateisystem von DCE eingesetzt werden kann (Produkte siehe Kasten).

Der Grund fuer diese Bemuehungen ist klar: Die IBM versucht, ihr Midrange-System als universelles Server-System fuer kommerzielle Umgebungen zu positionieren. Diese Strategie kann nur aufgehen, wenn der

Server fuer die Zusammenarbeit mit moeglichst vielen Client-Systemen geoeffnet wird.

Doch die IBM tut sich schwer, die AS/400 von ihrem durch und durch proprietaeren Ruf zu befreien. So haben einige der nach Hannover geladenen AS/400-Haendler und Analysten beklagt, man befinde sich gegenueber Unix immer in der Defensive. Schlagworte wie X/Open, Posix und NFS, ja Offenheit ueberhaupt, wuerden mit Unix und nicht mit der AS/400 verbunden.

Die Vorschlaege zur Abhilfe dieses Missstandes sind vielfaeltig. So wird den IBM-Managern halb im Scherz geraten, mit einem emotionalen englisch auszusprechenden Slogan wie "AS/400, AS/4 everyone, AS/4 ever" in die Marketing-Offensive zu gehen. Andere forderten, herauszustreichen, dass der Rechner mit einer Gratis-Datenbank ausgeliefert werde. ABS-Chef John Thompson schliesslich steuert die Idee bei, die DV-Szene muesse darueber aufklaert werden, dass Unix im Vergleich zur AS/400 gar nicht so offen sei.

Die AS/400 als Parallelrechner

Zurueckhaltend reagierte Thompson auf den Vorschlag, die IBM solle Selbstbewusstsein demonstrieren und ein Tool fuer die Portierung von AS/400-Anwendungen auf Unix anbieten. Das Argument aus dem Publikum: Aufgrund frueherer Erfahrungen argwoehnten die Anwender, es handle sich bei der

AS/400 um ein Lock-in-Angebot. Diese Furcht fiele weg, wenn die IBM den Kunden einen Migrationsweg in Richtung Unix oeffne.

Statt auf vertrauensbildende Massnahmen dieser Art verlaesst sich IBM-Manager Thompson lieber auf die bewaehrte Methode, den Kunden die Zukunft der AS/400 in strahlendsten Farben auszumalen. Schliesslich verfuege das Midrange-System als erster kommerzieller Rechner ueber den zukunftstraechtigen 64-Bit-Adressraum. Sein Unternehmen warte nur noch auf preisguenstige Power-Chips, wie es sie in etwa zwei Jahren geben werde. Dann wolle Big Blue die AS/400 als Parallelrechner vermarkten, der durch seine 64-Bit- RISC-Architektur die Mitbewerber in den Schatten stellen koenne.

Hinter vorgehaltener Hand war allerdings zu hoeren, dass im ABS- Hauptquartier in Rochester keinesweg in aller Ruhe auf den erwaehnten Tag X gewartet, sondern fieberhaft daran gearbeitet wird, die bisher nicht voll einsatzfaehige 64-Bit-Architektur wengistens gleichzeitig mit den Konkurrenten marktfaehig zu machen. Gelingt das, haben die AS/400-Anwender allerdings, so Fritz Gaebler, Leiter VM bei der ABS Systemberatung von IBM Deutschland, den Vorteil, dass ihre bisherigen Anwendungen ohne grossen Umstellungsaufwand auf den neuen RISC-Rechnern laufen werden.

AS/400-Produkte fuer das Jahr 1993

Die Auslieferung der in Hannover angekuendigten Produkte verteilt sich ueber das gesamte Jahr 1993. Am 5. Maerz sollen die Low-end- Rechner der F-Serie auf den Markt kommen. Ihre Leistung liegt nach IBMs RAMP-C-Messungen zwischen 25 und 30 Prozent ueber denen der vergleichbaren E-Modelle.

Im April folgt die Unterstuetzung der Disk-Array-Subsysteme 9337 durch das als besonders sicher geltende Raid-5-Speicherverfahren. Im Folgemonat stehen die neuen High-end-Modelle F70 bis F95 mit der Bi-CMOS-Chip-Architektur zur Vermartkung an. Das Topmodell soll bis zu 2500 Terminals bedienen und ueber 50mal mehr Leistung bringen als die 1988 eingefuehrten B10-Modelle.

Die zweite Jahreshaelfte gehoert den Third-Party-Anbietern. So sollen sich ab Juni Rechner und Drucker von Apple anschliessen lassen. Ab Juli oeffnet sich das System fuer den Unix-Standard Netware File System (NFS) von Sun Microsystems und das Uebertragungsprotokoll TCP/IP. Im September schliesslich wird unter Bezeichnung der Envy/400 eine Implementation der objektorientierten Programmiersprache Smalltalk zur Verfuegung stehen. Ende des Jahres schliesslich koennen Oracle-Datenbanken ueber Oracles "SQL-Net" auf die AS/400-Daten zugreifen.

Fuer das System-Management will die IBM in diesem Jahr den Performance-Monitor Omegamon von Candle fuer die AS/400 anbieten. Im Netzwerkbereich gehoeren Glasfiber-Kabel (FDDI) sowie Shielded- (SDDI) und Twisted-Pair-Verbindungen zum diesjaehrigen Leistungsangebot. Schliesslich hat IBM noch eine Auswahl an Massenspeichern mit einem Fassungsvermoegen von 1,9 bis 165 GB im Portfolio. Darunter befindet sich auch das optische Speichersystem 3996, Modell 142, das je Einheit 93,6 GB fasst.