Data General stellt auf der CeBIT Aviion-Server vor

RISC-System und Disk Arrays sollen den OLTP-Markt erobern

15.03.1991

MÜNCHEN/WESTBORO (jm) - Zumindest eine Weltpremiere auf der CeBIT: Die Data General Corp. scheint ihren Zielmarkt, ihre Nische gefunden zu haben und peilt mit dem Aviion-Server "Aviion 5240" für Büroumgebungen und dem Top-Modell "Aviion 6240" für 19-Zoll-Einschubgehäuse den kommerziellen OLTP-Bereich an.

Die Rechner lassen sich vom Einprozessorrechner bis auf maximal vier CPUs ausbauen. Die Multiprozessor-Maschinen auf Basis des 88000-RISC-Chips von Motorola arbeiten nach dem vollsymetrischen Multiprocessing-Verfahren. Das heißt, die Prozessoren sind - unabhängig von der zu erledigenden Aufgabe, also etwa I/O-Arbeiten oder Interrupt-Ansteuerungen - völlig gleichberechtigt.

Um ihre Mehrprozessor-Systeme auf VME-Bus-Basis auch vom Betriebssystem zu unterstützen und die Gleichberechtigung der einzelnen RISC-CPUs tatsächlich zu gewährleisten, erweiterte Data General AT&Ts Unix-System V, Release 4, im Kernel um eine sogenannte Reentrant-Funktion.

DG bietet dem Anwender für die neuen Aviion-Rechner diverse Standards, dazu gehören BSD 4.3, Posix 1000.3.1, 88-Open BCS (Binary Compatibility Standard), X/Open XPG3. Über das Unix-Betriebssystem kann der Anwender auf Plattenspiegelungs- und Disk-Striping-Funktionen zugreifen.

Andere Arbeitserleichterungen sind die Möglichkeit des Schnellstarts des Betriebssystems, ein automatischer Wiederstart bei Fehlermeldungen des Systems sowie automatisches Mitschreiben der Fehlerursachen bei einem Systemabsturz.

Ferndiagnose, ein ausfallsicheres Dateisystem durch redundante Dateisystemtabellen und Bad-block-Remapping sollen das vor allem für transaktionsorientierte DV gedachte Aviion-System in puncto Sicherheit abdichten.

Data Generals Unix-Variante "DG.UX" erzielt mit dem "Trusted"-Zusatz Level B1 nach dem Orange Book mit B2-Teilfunktionalität und C2. Außerdem unterstützt man DOD-TTZEC 5200.28-STD Level C1, einen Standard, der auch von der X/Open unterstützt wird.

AT&T und NCR als Konkurrenten

Mit der Aviion 6240, die vier CPUs integriert, positioniert sich DG vor allem im Bereich hochleistungsfähiger Netzwerk-Server und damit als ernst zu nehmender Kontrahent im Wettstreit am OLTP-Markt.

Gemäß dem AIM3-Benchmark-Lauf für Mehrbenutzer-Umgebungen können an den leistungsstärksten DG-Rechner bis zu 450 Datenstationen angeschlossen werden. Maximal soll das System mit 100 Transaktionen pro Sekunden gemessen worden sein.

Zu den Mitwettbewerbern gehören Unternehmen wie AT&T mit ihrem "Starserver E", die NCR Corp. und ihre Server-Modelle aus der "System-3000-"Familie sowie Sequent Computer Systems Inc. oder Digital.

Allerdings ist die Aviion-Maschine darauf angewiesen, daß sich zur Hardware auch entsprechende Software gesellt: Eine große Rolle spielt vor allem eine Monitor-Anwendung, die die Systemauslastung und gleichmäßige Verteilung überwacht sowie für die Beladung der CPUs sorgt.

Wesentlich für den finanziellen Erfolg des Aviion-Rechners dürfte vor allem sein, inwieweit und wie schnell DG es schafft, nicht nur qualitativ hochwertige, sondern auch eine Vielzahl von Anwendungen über Third-Party-Anbieter präsentieren zu können. Da DG neben Motorola selbst der einzige Anbieter für 88000-Hardware ist, wird wohl die Verfügbarkeit von Software auf Motorola-Basis von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Server-Modelle und Abteilungsrechner sein.

Prinzipiell stehen der Aviion-Familie mit deren 88000-CPUs alle zu 88-Open binärkompatiblen Softwareprodukte zur Verfügung. Außerdem offeriert DG 18 Datenbanksysteme, unter denen Anbieter wie Ingres, Oracle und Sybase zu finden sind. Der Wirtschaftsinformationsdienst Hoppenstedt etwa bearbeitet mit Aviion-Rechnern und dem 4GL-Tool "Uniface" seine Wirtschaftsdaten.

Für Netzanwendungen im PC-Bereich steht dem Anwender Portable Netware von Novell zur Verfügung.

Außerdem unterstützt DG auf den Unix-Systemen SQL-Net sowie LAN Manager X; die Unix-Maschine kann zudem als Apple-Talk-Server eingesetzt werden. Standards wie Netbios und OSI, TCP/IP, Decnet und diverse SNA-Produkte gehören ebenfalls zum Repertoire.

Ein Netzwerk-Management, das auf dem Simple Network Management Protocol beruht, sichert die Konfigurations- und Leistungskontrolle. Die hierbei generierten Daten können in einer untergelegten Ingres-Datenbank gespeichert werden.

Ein besonderes Charakteristikum und vor allem für den OLTP-Betrieb von entscheidender Bedeutung ist die Unterstützung von kostengünstigen Speicherlaufwerken nach der Disk-Array-Technologie.

Die Universität Berkeley hatte in Tests herausgefunden, daß es wesentlich effektiver ist, Datenbestände nicht zu spiegeln, sondern diese auf verschiedene physikalische Platten, die zu einer logischen Einheit zusammengefaßt sind, in Disk Arrays abzulegen. Der Name hierfür ist Raid. Disk Arrays haben den Vorteil hoher Durchsatz-Leistung und großer Verfügbarkeit.

Im konkreten Fall bedeutet dies, daß nach dem Raid-5-Level ein nicht vom Unix-System gesteuerter, sondern auf einem eigenen RISC-Prozessor - hier der 29000 von AMD - abgelegter Algorithmus fünf physikalisch einzelne SCSI-Platten als eine logische Einheit erfaßt und steuert.

Großer Vorteil der Data-General-Disk-Arrays: Während des Betriebs kann eine defekte Platte herausgenommen und durch eine andere ersetzt werden. Der Algorithmus berechnet währenddessen die "ausgefallen" Daten und rekonstruiert sie wieder. So läßt sich eine hohe Ausfallsicherheit garantieren. Bis zu sechs logische Platteneinheiten sind maximal bei den Aviion-Servern erreichbar. Diese Disk-Array-Technologie bietet DG auch bei dem kleineren 5240-Modell an. Die Stromversorgung und die Ventilatoren sind ebenfalls doppelt ausgelegt.

Das System spricht jede Platte über einen eigenen SCSI-Bus an, wobei Daten über alle fünf Platten verteilt werden. Also kann auch ein komplettes Bus ausfallen. Die Durchsatz-Leistung gibt Data General mit 400 I/O-Operationen pro Sekunden an, was für OLIP-Aufgaben wichtig ist.

Zur Preisorientierung gab Data General Beispielkonfigurationen an: Danach kostet eine vollausgebaute Aviion 5240 mit 525-MB-QIC-Tape, 32 MB Arbeitsspeicher und 1 GB Plattenspeicher etwa 295 000 Mark. Das Top-Modell 6240 mit 64 MB Arbeitsspeicher, 10 VME-Slots kommt auf 325 000 Mark, wobei der Anwender das System mit maximal 784 MB Arbeitsspeicher und bis zu 81 GB Plattenspeicher ausrüsten kann.