BI: Reporting und Analyse in der betrieblichen Praxis

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14.05.2004
MÜNCHEN (kf) - Business-Intelligence (BI), anfangs stark technisch verstanden, etabliert sich in der deutschen Firmenlandschaft zunehmend als Prozessthema. Das ergab eine von den Initiatoren des "E12-Gipfels" vorgenommene Befragung unter 20 Unternehmen. Eine Reihe von Beispielen zeigt, wie Anwender heute in der Praxis mit dem Themenkomplex BI umgehen.

"BI als Teildisziplin des E-Business wird von den Unternehmen mittlerweile als Prozess verstanden", bilanziert Thomas Schildhauer, Direktor des Institute of Electronic Business (IEB), in Anlehnung an das Leitthema des fünften E12-Gipfels (siehe Kasten "Der E12-Gipfel") in Köln, zu dem sich die deutsche E-Business-Szene kürzlich einfand. Nach einer dort vorgestellten Studie ist BI seiner ersten primär technikorientierten Entwicklungsstufe weitgehend entwachsen. Die Tools sind mittlerweile etabliert.

Schildhauer geht davon aus, dass heute nahezu alle Unternehmen über rudimentäre BI-Systeme verfügen. Die Frage sei jedoch, inwieweit die Anwender ihre Datentöpfe bereits dafür nutzten, sinnvolle Auswertungen vorzunehmen und diese - mit dem Ziel der Prozessoptimierung - in ihre Abläufe zu integrieren.

Den Studienergebnissen zufolge kommt BI bis heute vorrangig in den Abteilungen Finanzen und Controlling zum Einsatz - allerdings mit zunehmender Tendenz in Richtung Vertrieb und Marketing. Dazu seien neben einem CRM-System (CRM = Customer-Relationship-Management) meist Web-Mining-Tools notwendig, um etwa Informationen über bestimmte Kundenverhaltensweisen im System auffindbar zu machen, so Schildhauer. "BI im Kundenbereich erfordert aber schon etwas mehr als ein gängiges internes Data Warehouse", erklärt der E-Business-Experte. Hier greife bereits die zweite BI-Entwicklungsstufe: Angegangen würden dabei die bislang noch unzureichende Prozessintegration sowie - nach der bisherigen Erschließung einfacher, stark strukturierter Prozesse - die Analyse weniger strukturierter Daten und Abläufe.

Während das Gros der Unternehmen die beiden genannten internen BI-Bereiche bereits souverän meistert, erweisen sich unternehmensübergreifende Anforderungen wie etwa im Supply-Chain-Umfeld noch als Herausforderung - auch auf technischer Ebene. "Wer externen Partnern seine Daten zur Verfügung stellen will, stößt schnell an das Thema Sicherheit", beschreibt Schildhauer die Problemzone. Erst wenn die in diesem Zusammenhang erforderlichen Systemvoraussetzungen beziehungsweise Standards geschaffen seien, lasse sich die Integration in die firmenübergreifende Prozessstruktur angehen.

Hierzulande bezeichnen die Unternehmen den hauseigenen BI-Einsatz häufig als flächendeckend. Bei der Audi AG etwa erstreckt er sich von der technischen Entwicklung über Planung und Beschaffung bis hin zu Produktion und Vertrieb - "im Prinzip über sämtliche Geschäftsprozesse und Wertschöpfungsketten im Unternehmen hinweg", beschreibt Mathias Stach, Leiter Technologie-Management und Standards bei Audi, den derzeitigen Stand. BI-Pioniere sind auch hier der Controlling-Bereich sowie der Vertrieb. Die BI-Architekur für die Audi-Markengruppe basiert auf einer DB2-gestützten Data-Warehouse-Infrastruktur und dem Standard-Reporting-Tool Business Objects. Das Frontend deckt alle Prozesse und Informationen im Reporting-Umfeld ab, wobei diese jeweils lösungsspezifisch aufgebaut werden. Dabei greift Business Objects auf alle anderen konzerneigenen Datenquellen wie SAP-Data-Warehouses zu, die Audi vor allem im CRM-Umfeld betreibt.

Auch der Internet-Versandhändler Mytoys. de GmbH setzt in fast allen Bereichen BI ein - von der operativen Steuerung des gesamten Warenflusses bis hin zum Kunden sowie im Marketing und Finanz-Controlling. "Wir hatten von der ersten Minute an einen digitalisierten Informationsprozess, der nicht erst künstlich hergestellt werden musste", beschreibt Geschäftsführer und Chief Operating Officer (COO) Michael Müller-Wünsch den in seinen Augen "unschlagbaren Vorteil" gegenüber traditionellen Geschäftssystemen.

Der ganzheitliche BI-Ansatz

"Das Problem der Medienbrüche oder der Prozessbeschleunigung hat es für uns eigentlich nie gegeben - in dem Moment, wo ein Internet-Kunde bei uns eine Transaktion auslöst, lässt sich diese in Echtzeit weiterverwenden", erklärt der COO den unter dem Begriff "Real Time Business Performance Measurement" verfolgten, ganzheitlichen BI-Ansatz des Internet-Handelsunternehmens. Aufgrund einer hohen Prozess- und Datenintegration mit den Lieferanten sowie dem Datenaustausch via EDI klappt es bei dem Online-Shop auch firmenübergreifend schon gut: So kann Mytoys.de auch für nicht im eigenen Lager geführte Artikel eine Lieferzeit von durchschnittlich zwei Tagen garantieren.

Die BI-Architektur des Internet-Unternehmens besteht aus einem auf Oracle-Datenbanken basierenden Data Warehouse, das von zwei operativen Systemen permanent mit Daten gespeist wird - einem ERP-System (Oracle E-Business Suite), in dem alle traditionellen Funktionen eines Handelsunternehmens abgebildet werden, und einem intelligenten Auftragserfassungssystem von Intershop. Darauf aufgesetzt wurde ein Analysesystem (Proclarity) nach den Vorstellungen der Fachabteilungen. "Das im Data Warehouse gespeicherte Datenvolumen wird aus Gründen der Performance in einem Microsoft-Olap-Server aufbereitet", schildert Müller-Wünsch.

BI-Landschaft statt BI-Architektur

"BI ist, wenn dem Entscheider zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Daten in der richtigen Form zur Verfügung gestellt werden", definiert Thomas Berrang, Leiter E-Business Enabling bei der Bayer Business Services GmbH (BBS). Demnach seien viele früher schlicht als "Informationssysteme" bezeichnete Komponenten heute unter diesem Begriff anzusiedeln. Das erste große zusammenhängende BI-System der Bayer AG ist ein bereits seit zwölf Jahren im Produktivbetrieb befindliches Informationssystem für das obere Management, kurz: Isom. Es soll auf höchster Entscheidungsebene Hilfestellung in Form einer "schulungsfreien Visualisierung komplexer Unternehmensdaten" bieten. Im Prinzip ist Isom eine Klammer um unterschiedliche, unternehmensweit verfügbare Informationsmodule etwa für die Bereiche Controlling, Strategie, Personal und Rechnungswesen. Das ursprünglich als Client-Server-Anwendung angelegte System ist mittlerweile als Web-basierende Applikation verfügbar und mit einem ausgeklügelten Autorisierungskonzept ausgestattet. In einem nächsten Schritt wurden bei Bayer ein Personal-Management- und ein Kosteninformationssystem eingeführt. Dabei handelt es sich um mächtige Werkzeuge für Personal- beziehungsweise Kostenstellenverantwortliche, die laut Berrang sehr variable Abfragen zulassen.

Inhaltlicher Feinschliff

"Wir betreiben BI nicht als einzelne Komponente, sondern als ganzes Geflecht", resümiert der E-Business-Verantwortliche. Es handle sich um eine gewachsene, evolutionäre BI-Landschaft, die auf einer Vielzahl teilweise eigenentwickelter Systeme basiere. "Die Kunst dabei ist, sehr unterschiedliche Datenquellen so zusammenzubringen, dass sie für den Betrachter wie eine einzige aussehen", so Berrang.

Nachdem die grundsätzliche BI-Infrastruktur in den meisten Fällen steht, nehmen sich die Firmen nun das inhaltliche Fein-Tuning vor. "Unser Auto ist gebaut, jetzt geht es um die Spezialausrüstung", umschreibt auch Mytoys-IT-Chef Müller-Wünsch die derzeitigen BI-Aktivitäten im eigenen Unternehmen. Ein Thema, das den COO beschäftigt, ist die Lieferantenanbindung via Extranet. Sie soll den Partnern ermöglichen, in Echtzeit zu verfolgen, wie sich bestimmte Artikel aus ihrem Sortiment verkaufen. "Analytisch lässt sich das so aufbereiten, dass die Lieferanten mit ihrer Planung entsprechend reagieren können."

Bei der Bayer AG wiederum, die sich im BI-Bereich bislang vor allem auf die integrierte Darstellung der Ist-Informationen konzentriert hat, steht beispielsweise die mögliche Zusammenführung von Reporting- und Plandaten in den BI-Applikationen an. Darüber hinaus zieht man in Erwägung, bei Analysen im CRM-Umfeld künftig externe Informationen - etwa aus statistischen Quellen - mit intern generiertem Datenmaterial zu korrelieren. Auch in technischer Hinsicht gibt es noch einiges zu tun: "Wir führen die Anwender im Reporting-Bereich derzeit Zug um Zug an eine Web-Oberfläche heran", berichtet Thorsten Bennts, Leiter BI bei BBS. Während man in der Vergangenheit aus guten Gründen auf herkömmliche Frontend-Technik gesetzt habe, ließen sich ab Version 3.0 des SAP-Business-Warehouse auch auf der Web-Oberfläche Berichte, Informationen und Reporting-Daten zur Verfügung stellen. "Dank der Möglichkeit, Berichte über einfache Web-Links miteinander zu verknüpfen, können wir mehr integratives Wissen nutzerfreundlicher und ohne zusätzliche Client-Installationen an den Anwender heranbringen", begründet Bennts die dahingehenden Bemühungen.

Als eine der großen Herausforderungen, die es im BI-Umfeld zu meistern gilt, erachtet IEB-Leiter Schildhauer die Daten- und Ergebnisaufbereitung. "Solange die Systeme schwer anzustoßen sind und lange Auswertungstabellen oder unübersichtliche Darstellungen liefern, werden diese nur unzureichend genutzt." BBS-Mann Berrang geht noch einen Schritt weiter: Für ihn ist es unerlässlich, die Art der Darstellung an demjenigen auszurichten, der die Entscheidungsdaten benötigt. Der Entscheider wiederum müsse dazu in der Lage sein, zu formulieren, welche Daten er brauche. "Auch das muss man lernen", so der E-Business-Chef.

Doch auch von Stolpersteinen wissen die Firmen zu berichten. Sie können beispielsweise dort liegen, wo Unternehmensprozesse etwa in den Fachbereichen noch nicht so aufgesetzt sind, dass das Vorliegen der erforderlichen Daten in elektronischer Form gewährleistet ist. Insofern wird BI zunehmend als ein Prozessthema betrachtet. Leicht unterschätzt werden nach den Erfahrungen der Anwender auch die Anforderungen an die Systemgeschwindigkeit. Je nach Umfang des zu bewegenden Datenvolumens könne es für eine Abfrage schnell zu Laufzeiten von mehreren Minuten oder gar Stunden kommen, so etwa die beiden BBS-Experten. "Wenn Informationen nicht innerhalb einer akzeptablen Antwortzeit zur Verfügung stehen, bedeutet das den Tod jeder BI-Anwendung", erklärt Berrang.

Voraussetzungen für den BI-Erfolg

Zu den primären BI-Erfolgsfaktoren zählen die Anwenderunternehmen eine verlässliche Analysebasis. Untersuchungen zufolge konzentrieren sich derzeit rund 80 Prozent der firmeninternen BI-Aktivitäten auf das Extrahieren, Bereinigen und Transformieren der Daten. "Ein großer Teil der Energie muss in das Thema Datenqualität investiert werden", bestätigt Müller-Wünsch von Mytoys.de. Im Idealfall müsse man sogar entsprechende Verträge mit den Partnern abschließen, so seine Vision. "Es nützt ja nichts, wenn ein Lieferant die Daten elektronisch zur Verfügung stellt, diese aber alle nachbearbeitet werden müssen." Für BBS-Mann Berrang kommt ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu: Nicht die in den meisten Fällen gute Datenqualität sei das Problem, sondern vielmehr, die richtigen Daten entscheidungsorientiert miteinander zu verknüpfen.

Synergien nutzen

Als wichtig für den Erfolg der eigenen BI-Architektur wird jedoch auch erachtet, Reporting und Analyse mit Hilfe von Standards umzusetzen, um eine Wiederverwendbarkeit zu gewährleisten. "Viele Unternehmen mit ihren gewachsenen Strukturen machen den Fehler, dies mit fünf oder sechs unterschiedlichen Methoden oder Tools anzugehen", so Audi-Technologe Stach. Der Konzern setze daher auf Standards, um Synergiepotenziale auszuschöpfen.

Im Großen und Ganzen haben sich die Erwartungen der genannten Unternehmen an die Investitionen in ihre BI-Infrastruktur erfüllt. Zwar lässt sich der Return on Investment (RoI) im BI-Umfeld meist nicht unmittelbar quantifizieren. Dennoch: Die richtigen Entscheidungen etwa von 60 auf 70 Prozent zu steigern und diese innerhalb einer Stunde statt eines Tages treffen zu können, ist in den Augen der Anwender bereits ein großer Fortschritt. "Man muss wissen, was einem die höhere Entscheidungsqualität wert ist", bringt es Bennts auf den Punkt.

Hier lesen Sie ...

- in welchen Bereichen Unternehmen BI einsetzen,

- woran die Firmen noch arbeiten,

- welche Herausforderungen bei BI-Projekten auftreten und wo die Stolpersteine liegen,

- inwiefern sich die Erwartungen in BI-Investitionen erfüllt haben.

Der E12-Gipfel

Unter der Federführung des Institute of Electronic Business (IEB), eines von der deutschen Wirtschaft getragenen Bildungsreferenzprojekts mit Sitz in Berlin, gründete sich im März 2002 ein branchenübergreifender Arbeitskreis, der E12-Gipfel. Er hat sich auf die Fahnen geschrieben, den flächendeckenden Einsatz des Electronic Business in der deutschen Wirtschaft zu steuern und zu fördern. Hierzu versammelt er die E-Business-Verantwortlichen und Experten der bedeutendsten deutschen Wirtschaftsunternehmen. Zum E12-Kreis zählen neben Automobilherstellern wie Audi und Daimler-Chrysler unter anderem Allianz, Axa, BASF, Bayer, Bertelsmann, Lufthansa, RWE und Siemens.

Das Buch zum Gipfel

Begleitend zum Leitthema des jüngsten E12-Gipfels entstand unter der Leitung von Thomas Schildhauer (IEB) in Zusammenarbeit mit Matthias Braun (Audi), Martin Grothe (IEB) und Matthias Schultze (EnBW) das Buch "Business Intelligence - durch E-Business Strategien und Prozesse verbessern". Es bietet eine punktuelle, fundierte Betrachtung von Lösungsansätzen, bei der sowohl Anwender, Anbieter und Berater als auch Wissenschaftler zu Wort kommen. Die Autoren wollen aufzeigen, welchen Beitrag BI-Lösungen zur Generierung von entscheidungsrelevantem Wissen in führenden Unternehmen leisten können. Daraus abgeleitet wurden Best-Practices-Strategien und Handlungsempfehlungen für die jeweiligen Zielgruppen. Das Buch ist ab Juni 2004 zum Preis von 49,90 Euro erhältlich.

Abb.1: Wozu Controller Business Intelligence nutzen

Controller nutzen BI verstärkt für Analysen und Berichte an die Geschäftsführung. Quelle: IEB: "Business Intelligence - Durch E-Business Strategien und Prozesse verbessern".

Abb.2: Probleme bei BI-Projekten

Überzogene Technologisierung und unvollständiges Datenmaterial stellen BI-Projekte vor große Herausforderungen. Quelle: IEB: "Business Intelligence - Durch E-Business Strategien und Prozesse verbessern".

Abb.3: Marketing und Vertrieb nutzen Business Intelligence für ...

Im Marketing und Vertrieb wird BI insbesondere für die Zielgruppensegmentierung und die Pflege der Kundenbeziehungen eingesetzt. Quelle: IEB: "Business Intelligence - Durch E-Business Strategien und Prozesse verbessern".