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Richard Stallman gibt Craig Mundie kontra

30.05.2001
GNU-Gründer Richard Stallman erklärte an der New Yorker Universität, was er unter freier Software versteht: "Mir geht es nicht um niedrige Preise. Denken Sie an freie Meinungsäußerung, nicht an Freibier."

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Richard Stallman, Gründer des GNU-Projekts und Verfechter der Idee freier Software, nutzte am Dienstag die Chance, an gleicher Stelle wie Microsofts Stratege Craig Mundie (an der New York University nämlich) seine Vorstellung davon darzulegen, wie Software sein sollte.

Mundie hatte in seinem Vortrag Anfang des Monats vor allem gegen "Open-Source-Software unter der GPL" (General Public License) gewettert - aus Sicht von Microsoft ein Versuch, Entwickler in die Falle zu locken und ihnen die Möglichkeit zu nehmen, mit ihrer Arbeit auch Geld zu verdienen (Computerwoche online berichtete). Hier irre Mundie, erklärte Stallman: Die GPL beziehe sich auf freie Software und nicht auf Open Source.

Freie und quelloffene Software seien nämlich zwei Paar Schuhe, betonte der GNU-Gründer: Die Open-Source-Bewegung fokussiere sich auf die pragmatischen Vorteile gemeinschaftlicher Softwareentwicklung. Die Free-Software-Bewegung hingegen betrachte den freien Zugang zum Quellcode als grundsätzliches technisches Recht mit moralischen und gesellschaftlichen Implikationen, erklärte Stallman.

In einem historischen Exkurs erläuterte Stallman anschließend, wie er auf die Idee freier Software gekommen sei: In der 70er Jahren arbeitete er als studentischer Mitarbeiter im Artificial-Intelligence-Labor des MIT. Dieser Abteilung schenkte seinerzeit Xerox einen Laserdrucker. Dieser hatte allerdings ein Problem: Er litt unter häufigen Papierstaus. Die Mitarbeiter wollten daraufhin den Druckertreiber so ändern, dass ein Paper Jam automatisch an den Systemverwalter gemeldet würde. Xerox war aber nicht bereit, den Quellcode des nur binär vorhandenen Treibers herauszurücken.

"Für Lebewesen, die denken und lernen können, ist das Teilen nützlichen Wissens ein fundamentaler Akt der Freundschaft. Dieser Geist guten Willens, von Nächstenliebe, ist die wichtigste Ressource der Wissenschaft. Dies macht den Unterschied zwischen einer lebenswerten Gesellschaft und dem Einer-frisst-den-anderen-Dschungel aus", erklärte Stallman. "Deswegen sollte Software frei sein. Wir können es uns nicht erlauben, die wichtigste Grundlage des Zusammenlebens zu vergiften. Es ist zwar keine physische, sondern eine psycho-soziale Ressource, aber trotzdem genauso real."

Freie Software sei keineswegs gleichbedeutend mit kostenloser Software: "Frei" bedeute, dass Anwender die Freiheit hätten, den Quellcode der Anwendungen zu untersuchen, die sie benutzten, und diesen bei Bedarf zu ändern und diese Änderungen zu veröffentlichen. "Mir geht es nicht um niedrige Preise", betonte Stallman. "Denken Sie an freie Meinungsäußerung, nicht an Freibier."

Eher am Rande ging der Free-Software-Evangelist dann noch auf die Geschichte des GNU-Projekts ein. Die Initiative wurde 1984 mit dem Ziel gegründet, ein freies Unix-kompatibles Betriebssystem zu schaffen. Anfang der 90er Jahre seien große Teile davon schon sehr brauchbar gewesen - einzig ein Kernel habe gefehlt. Den habe dann Linus Torvalds mit Linux nachgeliefert. Aus Sicht Stallmans müsste das populäre Open-Source-Linux eigentlich GNU/Linux heißen. "Dass immer nur von Linux die Rede ist, ist eine Beleidigung für das GNU-Projekt - uns bleibt die Anerkennung für unsere Arbeit versagt." Diese wünsche er sich allerdings weniger aus persönlicher Eitelkeit. Wenn aber die Nutzer des Systems nur wüssten, dass damit größtenteils die idealistische politische Philosophie freier Software Gestalt angenommen habe, dann gäbe es auch einen Grund, diese endlich Ernst zu nehmen - selbst wenn man damit nicht übereinstimme.