RFID muss viele Hürden nehmen

04.07.2005
Obwohl die Pharmabranche für den Einsatz von RFID-Technik prädestiniert scheint, sind entsprechende Lösungen bisher mehr Vision als Realität.

Der Pharma- und Gesundheitssektor gilt oft als RFID-Vorreiter. Mit entsprechenden Lösungen soll nicht nur die Lieferkette effizienter werden. Spätestens seit der Empfehlung der US Food and Drug Administration (FDA) im Jahr 2004, Radio Frequency Identification zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen einzusetzen, spielt auch dieser Aspekt eine wichtige Rolle. Wegen der oft teuren Produkte fällt in der Pharmabranche auch der mit rund 30 Cent immer noch relativ hohe Preis für RFID-Etiketten nicht so sehr ins Gewicht wie beispielsweise in der Konsumgüterindustrie.

Einige große amerikanische Arzneimittelhersteller wie Pfizer, Purdue Pharma und Glaxo Smith Kline haben bereits angekündigt, einen Teil ihrer Produkte mit RFID-Tags auszustatten. Einer aktuellen Studie von Berlecon Research zufolge bewerten europäische Firmen die Technik jedoch noch zurückhaltend: "Nach unserer Einschätzung besteht eine Verunsicherung über die tatsächlichen Potenziale und Herausforderungen im Zusammenhang mit RFID-basierenden Lösungen", so die Marktforscher.

Die Autoren, die für die Studie zahlreiche Experten von Pharmaunternehmen, Verbänden, IT-Berater und -hersteller, Standardisierungsorganisationen sowie Forschungseinrichtungen befragt haben, zeigen, dass die derzeitige Verunsicherung Gründe hat. So bringt RFID zwar eine Reihe von Vorteilen, ohne jedoch der Barcode-Technik in allen Belangen überlegen zu sein. Letztere ist deutlich günstiger, bereits weltweit etabliert und technisch ausgereift. Laut Berlecon werden RFID-Systeme die vorhandenen Barcode-Lösungen kurz- und mittelfristig nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen.

Standards schwer durchsetzbar

Gegen eine schnelle Ausbreitung sprechen die Schwierigkeiten einer internationalen Standardisierung, die für die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit von Unternehmen in RFID-basierenden Netzen, notwendig ist. Die größten Chancen werden hier EPCglobal eingeräumt. Die Organisation wurde 2003 als Joint Venture der europäischen und amerikanischen Standardisierungsorganisationen EAN International und UCC gegründet und steht hinter den Produktnummern, die auf den meisten Kosumgütern zu finden sind. Entsprechend stark ist die Stellung von EPCglobal in der Konsumgüterindustrie und im Handel, wo sie auch im RFID-Umfeld erste Erfolge verbuchen kann. So basieren große Projekte wie die von Wal-Mart und Metro im Wesentlichen auf EPC-Spezifikationen. Ob sich die Norm jedoch auch im Pharmabereich durchsetzen kann, ist unklar. Insbesondere im europäischen Markt existieren bereits etliche Nummernsysteme, die nicht von EAN betrieben werden. So hat sich in Deutschland mit der Pharmazentralnummer (PZN) ein Standard etabliert, der auch im Apothekenhandel fest verankert ist.

Der unternehmensübergreifende RFID-Einsatz wird sich in der Pharmabranche auch wegen der strategischen Ausrichtung der Hersteller langsamer entwickeln als in der Konsumgüterindustrie. Während dort die zunehmende Nutzung vor allem von großen Handelskonzernen vorangetrieben wird, stehen die Arzneimittelhersteller am Anfang der Lieferkette und sind somit auf die Kooperation der nachgelagerten Partner angewiesen. Den Marktforschern zufolge sind solche Kooperationen jedoch eher unwahrscheinlich, da die Interessen zu unterschiedlich und die Anreize zu gering sind.

Somit ist ein positiver Business Case derzeit kaum gegeben. Zudem existieren für den deutschen und europäischen Markt keine Initiativen von Regulierungsbehörden, die geeignet sind, die Privatsphäre der Patienten sicherzustellen. Die ausführliche Studie steht auf der Berlecon-Website zum kostenlosen Download bereit (www.berlecon.de). (rg)