RFID-Funkchips - Metro sucht die ideale Passform

25.10.2007
Von WIWO WIWO
Bekannt ist die RFID-Technik seit langem. Mit ihr wurden schon im Zweiten Weltkrieg Daten per Funk übermittelt. Danach wurde es still um die Übertragungsmethode - bis sich der Düsseldorfer Metro-Konzern ihrer erinnerte. Im Einzelhandel könnten die Funkchips eine Revolution auslösen wie einst die Scannerkassen.

DÜSSELDORF. Die garagengroße Kabine ist fensterlos und hermetisch abgeriegelt. Die Techniker haben sie im Innern mit grauen Schaumstoff-Kegeln ausgekleidet, die jede Reflexion von Schallwellen verhindern. Auf einem Schemel in der Mitte des Containers thront ein Waschmittelkarton, der von einer futuristisch anmutenden Kanone mit unsichtbaren Strahlen beschossen wird. "Auf diese Weise finden wir im Auftrag unserer Lieferanten heraus, an welcher Stelle der Verpackung Funkchips am wirksamsten sind", verrät Gerd Wolfram, Geschäftsführer der Metro Group Information Technology (MGI). Mehr sagt er allerdings nicht. In der unscheinbaren Lagerhalle am Stadtrand von Neuss herrscht strengstes Fotografierverbot. Vieles, was die Metro dort in ihrem Innovationszentrum testet, gilt als Verschlusssache. Auch über Kosten redet man lieber nicht öffentlich.

Woran der Konzern bastelt, könnte bald schon den Einzelhandel revolutionieren - wie einst die Erfindung der Selbstbedienung, der Scannerkassen oder des Discounts. Einziger Unterschied: Diesmal geschieht der bahnbrechende Wandel vorzugsweise hinter den Kulissen und trägt ein kryptisches Kürzel: RFID. Radiofrequenz-Identifikation, übersetzen dies die Fachleute, und meinen damit den Austausch gespeicherter Daten per Funk - eine von Fliegerpiloten im Zweiten Weltkrieg eingesetzte Technik, die mehr als 60 Jahre alt ist. Womöglich wäre sie noch viel älter geworden, ohne im Handel für Aufsehen zu sorgen. Vor Jahren nahm sich der Düsseldorfer Metro-Konzern dieser vor sich hindümpelnden Funkmethode an. "Erfunden haben wir das alles nicht", sagt ein Konzernsprecher, "aber wir sind diejenigen, die die Technologie auf die Straße bringen."

Das Erstaunliche dabei: Nicht die Hersteller der Technik, sondern die Metro als ihr Kunde ist der eigentliche Innovationstreiber. Vor vier Jahren gründete der Düsseldorfer Handelskonzern dazu eigens die "Future Store Initiative" und lud SAP, Intel, IBM und T-Systems zum Mitmachen ein. Unter Führung der Metro basteln die Firmen seitdem an praxistauglichen Konzepten für den Handel von morgen. Gleichzeitig schwor der Handelsriese 50 seiner Großlieferanten - darunter Gillette, Henkel, Procter & Gamble, Schwartau oder Gerry Weber - auf die neue Technik ein. "Metro hat in der Branche eine Führungsrolle eingenommen", bestätigt IT-Ulrich Spaan vom Euro-Handelsinstitut in Köln. Die Düsseldorfer seien deutschlandweit die ersten gewesen, die diese Technik breit getestet haben. Inzwischen ziehen Wettbewerber wie Rewe und Karstadt nach.

Herzstück von RFID ist ein so genannter Smart Chip oder Transponder - ein winziger Computerchip mit Antenne. Eingebettet in ein hauchdünnes Etikett kann man ihn beispielsweise auf Transport- und Produktverpackungen kleben. Eine spezielle RFID-Antenne liest die auf dem Chip gespeicherten Daten - je nach Frequenzbereich - in einer Entfernung von mehreren Metern. Auf dem Chip ist ein Nummerncode gespeichert, der identisch ist mit dem Strichcode auf den traditionellen Verkaufsverpackungen. Er gibt Auskunft über das Herkunftsland, den Hersteller und die Produktausführung. Ergänzt werden diese Ziffern durch eine neunstellige Seriennummer. Sie ermöglicht es erstmals, jeden einzelnen Artikel eindeutig zu identifizieren.

Dem Handel eröffnet diese Technik ungeahnte Möglichkeiten: Mit Hilfe von RFID lässt sich jederzeit der aktuelle Lagerort einer bestimmten Warenlieferung automatisch ermitteln. In der Datenbank entsteht so eine Dokumentation über den Weg einer Lieferung oder eines Produkts entlang der Logistikkette. Mit diesen Angaben können Hersteller wie Händler ihre internen Abläufe besser planen, schneller abwickeln und Lagerräume oder Arbeitszeiten effizienter nutzen.

Die intelligente Umkleidekabine bei Kaufhof zeigt Hemden, die zur Hose passen.
Die intelligente Umkleidekabine bei Kaufhof zeigt Hemden, die zur Hose passen.
Foto: Metro

Erstmals will die Metro nun auch Endkunden von der RFID-Technik begeistern. Einsatzort ist das Essener Warenhaus der Konzerntochter Kaufhof - genauer gesagt, die dortige Herrenabteilung. Versuchsweise haben die Herrenausstatter 30.000 Artikel mit dem Chip ausgestattet, der den Einkauf unterstützen soll: Intelligente Umkleidekabinen erkennen das Kleidungsstück via RFID und liefern über ein integriertes Display nützliche Informationen wie Preis, Material und Pflegehinweise. Im nächsten Schritt soll das System die Kunden über ergänzende Produkte unterrichten. Ein Display zeigt dann beispielsweise, welches Hemd besonders gut zur Hose passt oder ob weitere Größen und Farben verfügbar sind.

Auch für den Verkäufer dürfte sich der Umgang mit RFID als nützlich erweisen. "Wir erkennen mit der Technologie erstmals, wie häufig ein Anzug in der Kabine anprobiert wird, ohne einen Käufer zu finden", berichtet ein Konzernsprecher. "Passiert dies sieben Mal, werden wir sicherlich mit dem Hersteller über eine neue Passform sprechen müssen." (WiWo/ajf)

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