RFID für Hamburger Leseratten

24.10.2006
Seit 1899 gibt es in Hamburg die Stiftung Hamburger Öffentliche Bücherhallen (HÖB). Sie betreibt in der Hansestadt die öffentlichen Bibliotheken. Altmodisch ist man hier aber gar nicht. Jetzt wollen die Verantwortlichen die Ausleihe und Rückgabe der Bücher, CDs und DVDs mit Hilfe von RFID-basierten Medienetiketten automatisieren.

Mit der Einführung der RFID-Etiketten soll das bisherige Barcode-System der Bücherhallen in Hamburg bis Sommer 2007 komplett umgestellt werden. Begonnen wird noch in diesem Oktober in den Stadtteilen, die Zentrale folgt im April 2007. Die Betreiber wollen dadurch die Medienausleihe trotz derzeit knappen öffentlichen Mittel komfortabler und effizienter gestalten, Mitarbeiter anders einsetzen und dadurch Geld einsparen. Bis Ende dieses Jahres sollen bereits alle der rund 1,8 Millionen entleihbaren Medien mit passiven RFID-Tags im 13,56 MHZ-Bereich versehen sein. Der Hamburger Senat unterstützt das Pilotprojekt mit einer Anschubfinanzierung in Höhe von vier Millionen Euro.

Die RFID-Chips für Leseratten sollen es der Bücherhalle erlauben, die Medien-Nummen erheblich schneller zu erfassen. Die Nutzer der Bücherhallen können durch die Umstellung auf RFID-Technologie vor allem durch die sehr viel komfortablere Ausleihe profitieren.

Wenn das System einsatzbereit ist, können die Mitarbeiter meh¬rere Medien gleich¬zei¬tig innerhalb eines Lesevorgangs verarbeiten. Durch die wesentlich schnellere Erfassung der Medien sollen die heute in Stoßzeiten üblichen langen Wartezeiten der Vergangen¬heit angehören, verspricht die Stiftung.

Über die schnellere Verbuchung durch die Mitarbeiter hinaus soll es in Hamburg erstmals möglich sein, dass sich die Leser ihre Medien an so genannten Selbstverbuchungs¬terminals selbst ausleihen und auch zurückbuchen. Sieben der neuen Selbstbedienungsautomaten mit RFID-gestützter Technik wird es in der Zentralbibliothek Hamburg geben - je eine soll in den 17 Stadtteil-Bücherhallen aufgestellt werden.

Datenschutz gesichert

Mit der Einführung der RFID-Tags werden dieselben Daten verarbeitet wie mit der herkömmlichen Barcode-Methode, betont Uwe Schläger von der Firma Datenschutz nord GmbH. Er begleitet die RFID-Einführung als Datenschutzbeauftragter der Stiftung. Die einzige Information, die in den RFID-Chips gespeichert würde, sei die alphanumerische Medien-Nummer. Die Beteiligten an dem Projekt seien sich darüber einig, dass nicht alles, was heute technisch möglich sei, auch tatsächlich genutzt werden müsse. Der Leitsatz in Hamburg laute deswegen: „Wir wollen nicht das technisch Mögliche, sondern das Vernünftige machen.“

Vor der Umstellung sind natürlich umfangreiche Vorbereitungsarbeiten nötig. Bereits im Frühjahr dieses Jahres haben Ein-Euro-Kräfte damit begonnen, die 1,8 Millionen Medien mit den Etiketten zu bekleben, die die Antenne und den RFID-Chip mit der gespeicherten individuellen Mediennummer enthalten. „Wundern Sie sich bitte nicht, wenn Ihnen in den nächsten Monaten Kollegen begegnen, die mit mobilen Verbuchungsstationen unseren Medienbestand für die neue Verbuchungsform RFID vorbereiten“, heißt es deswegen derzeit auf internen Aushängen.

In der europaweiten Ausschreibung gewann der dänische Geschäftsbereich in Aarhus der britischen FKI Logistex. Er stellt die vollautomatisierte RFID-Lösung und das Sortiersystem für die Zentralbibliothek und die 17 angeschlossenen Stadtteilbibliotheken. Der Vertrag enthält auch eine Vereinbarung über den Service für die kommenden zehn Jahre. „Wir werden damit einen Standard für die Automatisierung von öffentlichen Bibliotheken setzen”, hofft der für diesen Bereich zuständige Europamanger von FKI Logistex, Stephan Heessels.

Automatisierte Buchungs- und Rückgabeterminals

An insgesamt 41 „Library Mate“-Automaten können die Kunden zukünftig ihre Medien zurückgeben. In dem Automaten transportiert ein Fließband die Medien zu einem Scanner, der gleichzeitig die Diebstahlssicherung reaktiviert. Weiterhin gibt es einen Touch-Screen-Bildschirm und einen Kartenleser für die Ausleihkarte. Am Ende erhält der Kunde eine Rückgabequittung. Ein „Compact Sorter“ hinter dem Automaten kann bis zu 4500 Einheiten pro Stunde in die „Ergo Cart“ Büchercontainer sortieren.

Der für das Projekt verantwortliche Leiter Organisation und EDV in der HÖB Bernd Ingwersen hat sich vor dem Projektstart ähnliche RFID-Einführungen in den Bibliotheken in Wien und Stuttgart angesehen, wo die RFID-Technologie schon länger im Einsatz ist. In einer Bibliothek bei Amsterdam ist die Automatisierung schon so weit fortgeschritten, dass sie, bis auf Wachpersonal am Ausgang ganz ohne jeden Angestellten auskommt. Ingwersen äußerte sich jedoch skeptisch zum vollständigen Ersatz von Menschen. Er ist sicher: „Der Mensch ist für die Bibliothek unverzichtbar. Sie lebt von Spezialisten, die jede Information besorgen können.“ Deshalb sollen viele der Angestellten, die nach der Einführung nicht mehr an den Ausleihtheken eingesetzt werden müssen, in der Kundenberatung eingesetzt werden.

RFID-Standards fehlen

Der Einsatz der RFID-Technik sehen die Verantwortlichen als unverzichtbar an, damit die HÖB ihre Kosten senken und die Schließung weiterer Stadteilbibliotheken vermeiden kann.
Ilona Glashoff, Leiterin der zentralen Bibliotheksdienste in Hamburg und für Erwerb und Erschließung der Medien verantwortlich, sieht weitere Einsparpotenziale: Bei der Katalogisierung sei es denkbar, dass bereits die Verlage ihre Bücher mit RFID-Tags versehen, die alle bibliographischen Daten enthalten. „Wir könnten diese dann übernehmen.“

Doch wie immer beim RFID-Einsatz gilt es hier vor der Vereinfachung noch einige typische Technologiehürden zu überwinden. Denn, so Glashoff weiter: „Voraussetzung dafür sind allerdings allgemeine Standards.“

www.fkilogistex.com
www.buecherhallen.de