Revolution im Handel ist nicht nur ein Problem der Technik

07.02.1975

In den USA werden Ende des ersten Quartals 1975 bereits 55 Prozent aller im Einzelhandel vertriebenen industriell abgepackten Artikel von den Herstellern mit dem maschinenlesbaren Universal Product Code markiert sein. In Amerika beginnt jetzt tatsächlich die Revolution im Handel. Nachdem Erfahrungen aus vielen Pilot- Installationen vorliegen, beginnen US-Super marktketten im großen Stil ihre Filialen mit Point of Sales-Terminals auszustatten.

In der BRD 110 000 ban-L-Nummern

Auch in der BRD gibt es bereits eine einheitliche ban-L-Nr. (Bundeseinheitliche Artikelnumerierung im Lebensmittelhandel), die 110000 mal an 800 Lieferanten vergeben wurde. Es handelt sich aber um Zahlen, nicht um maschinenlesbare Markierungen. Auf solch einen Code hat sich der deutsche Lebensmittelhandel noch immer nicht festgelegt, wahrscheinlich wird man das amerikanische UPC-Lesesymbol übernehmen.

Die BRD liegt also wiedermal wie in Computer-Dingen üblich - um einige Jahre hinter den Amerikanern zurück. Das kann aber auch ein Vorteil sein. Denn in den USA gibt es mehr und mehr Schwierigkeiten mit der Einführung von Point of Sales-Terminals.

Opposition der Gewerkschaften

Die US-Gewerkschaften behaupten, durch elektronische Kassen-Terminals würden 25 Prozent der Jobs in den Super- und Großhandelsmärkten wegrationalisiert: "Wir werden unsere Mitglieder vor Arbeitslosigkeit durch Tarifverhandlungen und gegebenenfalls auch weitergehende Maßnahmen schützen."

Die Gewerkschaft warnt und droht, obwohl von den Gesellschaften immer wieder betont wird, daß bisher durch elektronische Kassen noch kein Mann seinen Arbeitsplatz verloren haben dürfte. Die Gewerkschaften kontern, das sei bei Pilot-lnstallationen auch nicht üblich, die Rationalisierungswelle käme erst jetzt.

Protest der Verbraucherverbände

Zudem gibt es andere Widerstände. Die Verbrauchergemeinschaften wehren sich. Sie bestehen darauf, daß alle Artikel weiterhin einzeln ausgezeichnet werden. Das sei Voraussetzung für preisvergleichendes Kaufen und für Kontrolle beim Check-Out. Der Maryland Citizens Consumer Council behauptet, auf den Wegfall der Preisauszeichnung entfalle ohnehin nur 20 Prozent der gesamten Einsparungen durch POS-Systeme. Die Geschäfte sollten es sich also leisten können, auch bei weiterer Einzelpreisauszeichnung die neue Technik einzuführen.

Die Politik kommt ins Spiel

Für die Politiker ist diese Argumentation ein gefundenes Fressen, um sich beliebt zu machen. Ein Mitglied des Länder-Parlamentes von Maryland hat dann auch bereits einen Gesetzentwurf eingebracht, nachdem es den Supermärkten im Staate verboten werden soll, nicht einzeln ausgezeichnete Ware zu verkaufen. Zur Begründung muß die Inflation herhalten: "Wir schulden dem Verbraucher soviel Information wie möglich, damit er die Inflation bekämpfen kann."

Soweit die US-Szene. Und was tut sich hierzulande? Gar nichts. Die POS-Hersteller klüngeln zunächst in irgendwelchen geheimen Arbeitskreisen und brüten über Technik-Problemen. Wahrscheinlich werden sie die Zeit ebenso verschlafen wie ihre amerikanischen Kollegen, obwohl sie mehr Zeit zum Aufwachen haben, um sich der wichtigen Nicht-Technik-Fragen anzunehmen. Rechtzeitige Information und Aufklärung für alle Beteiligten ist Voraussetzung für die Realisierung der Revolution im Handel - auch hierzulande.