Neuer Chairman von IBM Europe

Revirement soll IBMs Abwärtstrend stoppen

31.05.1991

MÜNCHEN (CW) - Die Ertragskrise der IBM Corp. erzwingt personelle Veränderungen im Top-Management: Neuer Chairman von IBM Europe wird der als reformfreudig geltende Renato Riverso (57), der die Nachfolge von David E. McKinney (56) antritt. McKinney wurde zurück nach Armonk beordert, wo er konzernweite Sparmaßnahmen in Gang bringen soll.

Das "Wall Street Journal" zitiert Analystenberichte, nach denen Riverso angetreten ist, die personell überbesetzte und extrem bürokratisch organisierte europäische Tochtergesellschaft zu sanieren. In einem Interview soll der neue Europa-Chef die IBM-Organisation folgendermaßen beschrieben haben: "Wenn Sie eine Kompanie mit drei Soldaten und 97 Generälen haben, dann versichere ich Ihnen, daß diese Armee kaum zum Schießen kommt!"

Riverso hatte sich dem Headquarter bereits im letzten Jahr wegen des erfolgreich geführten Italien-Geschäfts empfohlen, das in IBM-Kreisen einem Bericht der "Financial Times" zufolge als europäisches Modell schlechthin gesehen wurde. Der Italiener, seit 1984 im europäischen Hauptquartier in Paris aktiv, war erst im Januar zum zweiten Mann in Europa berufen worden. Das Amt des Europa-Geschäftsführers stellt derzeit eine echte Herausforderung dar. Wuchs der Profit im vergangenen Jahr noch um durchschnittlich elf Prozent, so lief das Geschäft 1991 bisher in wichtigen Teilmärkten denkbar ungünstig.

In Frankreich gingen die Umsätze um einen halben Prozentpunkt, in Großbritannien sogar um mehr als sechs Prozent zurück. Analysten machen für diesen Einbruch neben der jüngsten Aufwertung des Dollars und der allgemein zurückgehenden Nachfrage nach Computern vor allem organisatorische Mängel bei IBM verantwortlich.

Der Wechsel im europäischen Lager hängt nach Einschätzung von Marktbeobachtern auch mit dem anstehenden Binnenmarkt zusammen. Zum ersten Mal nach fünf Jahren übernimmt wieder ein Europäer das Zepter beim weltgrößten Computerhersteller - ein Schachzug, von dem sich das US-Headquarter eine bessere Zusammenarbeit mit Europas Binnenmarkt-Politikern erhoffen darf. Ein IBM-Sprecher räumt zwar ein, daß IBM durchaus mögliche Vorteile sehe, beteuert aber im gleichen Atemzug, daß dies nicht der Grund für einen Wechsel in der europäischen Führungsspitze gewesen sei.

Der ausgemusterte Europa-Chef David E. McKinney ist laut IBM jetzt in der Armonker Zentrale für "besondere Aufgaben" zuständig. Er soll herausfinden, in welchen Bereichen des Unternehmens Einsparungen erfolgen können. Als Ratgeber von Präsident John Akers will McKinney für Einsparungen im Verwaltungsbereich, beim unternehmensweiten Computer- und Telefonnetz sowie bei den Immobilien sorgen. +