Revierkämpfe im Datennetz

26.06.2006
Mit der Verfügbarkeit neuer Dienste in Europa erhöhen AT&T und Verizon Business den Druck auf T-Systems, BT und Equant, die dort bisher das Geschäft mit globalen Netzdienstleistungen beherrschen.
Die Network-Service-Provider weisen in puncto Angebotsspektrum und Verfügbarkeit ihrer Dienste deutliche Unterschiede auf.
Die Network-Service-Provider weisen in puncto Angebotsspektrum und Verfügbarkeit ihrer Dienste deutliche Unterschiede auf.

Von CW-Redakteur Manfred Bremmer

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• wie die größten Netzdienstleister in Europa aufgestellt sind;

• welche Chancen Newcomer haben;

• wie weit der Umbau auf IP-basierende Netze fortgeschritten ist.

Der Markt, den die Netzdienstleister beackern, hat sich auch mehr als fünf Jahre nach dem Platzen der Dotcom-Blase noch nicht wieder vollständig erholt. So sind mit gestiegenem Bedarf an WAN-Services die Preise kontinuierlich gefallen. Der fortschreitende Trend zur Sprach-Daten-Konvergenz fordert den wenigen verbliebenen Anbietern mit globalen Ambitionen außerdem hohe Investitionen in den Umbau ihrer Netze ab, die nun auf dem Internet Protocol (IP) basieren müssen. Beim Versuch, mit innovativen Diensten wie Managed-Services, Network Consulting oder gar der Implementierung von Kommunikationslösungen die Margen anzuheben, kommen den Network-Service-Providern zudem IT-Dienstleister wie EDS, Accenture oder IBM in die Quere.

Dass sich die Anbieter auch untereinander nichts schenken, beweisen AT&T und Verizon Business. Die Unternehmen kündigten nahezu gleichzeitig an, ihre in den USA verfügbaren Netzdienste künftig auch Business-Kunden in Europa und anderen Erdteilen bereitzustellen: AT&T will seine Network-Integration-Services künftig weltweit anbieten, während Verizon einige seiner VoIP-Dienste, darunter IP Centrex, nun auch in Europa, Südafrika und Australien einführt.

Erbe von Worldcom/MCI

Insbesondere von der mit der Übernahme von MCI/Worldcom entstandenen Verizon-Sparte kommt die Ankündigung nicht überraschend: MCI hatte bereits früher entsprechende Schritte angekündigt, ohne aber zur Tat zu schreiten. Mit der Übernahme durch Verizon scheint die Blockade gelöst, das Angebot zusammen mit Managed IP PBX, IP Trunking und IP Integrated Access in weitere Länder zu tragen.

Verizon Business sei nun einer der ersten Netzbetreiber mit einem IP-Centrex-Angebot auf beiden Seiten des Atlantiks, loben die Marktforscher von Ovum den Vorstoß des US-Konzerns. Dem Unternehmen stehe damit ein breiteres VoIP-Angebot in Europa zur Verfügung, ein Kernfaktor, um die enorm fragmentierte Nachfrage im Bereich IP-Telefonie abzudecken. AT&T wiederum kann nun laut Ovum multinational operierende Konzerne besser bedienen.

Starke US-Präsenz

Ovum-Analyst Dan Bieler vermutet, dass die US-Anbieter vor allem über den Preis in den europäischen Markt drängen werden, da die "Big Pipe" über den Atlantik kein Alleinstellungsmerkmal mehr darstelle. Stattdessen gehe die Diskussion eher in Richtung Managed Services: Zusätzliche Dienste wie IT-Security, Hosting oder speziell Content-Hosting werden angeboten, die Marge ist vielversprechend. Speziell IP-basierende VPNs sind laut Bieler eine geeignete Plattform für neue Services.

Jan Dawson, Bielers Kollege bei Ovum USA, weist darauf hin, dass AT&T und MCI/Verizon Business jeweils bereits seit geraumer Zeit in Europa Milliardenumsätze verbuchen. Indem sie nun stärker in ihre Netze investierten, um ein größeres Serviceportfolio anbieten zu können, würden die Chancen wachsen. Die starke Präsenz in den USA mache sie speziell für international aufgestellte Kunden interessant. So weist Verizon in New York und verschiedenen Städten im Nordosten der USA direkte Anbindung zu den Gebäuden großer Kunden auf, während AT&T vor allem in den US-Bundesstaaten Texas und Kalifornien über eine breite Basis an Telefon-Endanschlüssen verfügt.

Kenn Walters, TK-Experte der Experton Group, teilt die Ansicht, dass AT&T und Verizon Business auf Eroberungskurs Richtung Europa steuern. Was ihre Technik und Dienste angehe, seien sie aufgrund ihrer Erfahrungen im aggressiven US-Markt einen ständigen Wechsel gewohnt. Gleichzeitig verständen sie sich darauf, interessante Pakete schnüren. Im Kampf um die Kunden vergleicht Walters die beiden Telcos mit McDonalds und Burger King: "Mit Angeboten nach dem Motto ‘Wir bieten alles, was BT auch hat, nur 50 Prozent billiger’ setzen sie alle Player unter Druck", so der Experton-Mann.

Neben AT&T und Verizon Business drängen aber noch andere Anbieter wie China Telecom über Partnerschaften in den europäischen Markt. Daneben könnten auch virtuelle Netzbetreiber (VNO), wenn sie Leitungen in mehreren Zielländern unterhalten, interessante Angebote schnüren.

Europas Platzhirsche

Aktuell ist die Situation im Markt für globale Netzdienste überschaubar: Weltweit geben AT&T und Verizon Business zusammen mit Equant und BT Global Services den Ton an, während T-Systems ebenso wie NTT und Singtel in der zweiten Reihe sitzt. In Europa haben, was die Fähigkeit zu europaweiten Services und das Network-Portfolio betrifft, BT und Equant Vorteile; beide Player konnten sich in jüngster Zeit umfangreiche Aufträge sichern. Hierzulande liegt T-Systems weit vorne - vor BT und Telefónica.

Wie viel Umsatz die Telekom-Tochter aktuell im Bereich globaler Netzdienste erwirtschaftet, ist schwer zu sagen. Grund dafür ist, dass die Bonner die ganze Bandbreite an ITK-Services bedienen - und das nicht nur für multinational operierende Konzerne, sondern auch für kleine und mittlere Firmen.

Marktexperten wie Ovum-Analyst Bieler halten T-Systems zugute, dass das Unternehmen wegen des Next Generation Network (NGN) der Telekom vor allem im Bereich IP-Netze gut aufgestellt sei. Was das Europa- und weltweite Geschäft anbelangt, habe T-Systems starke Ambitionen, sei aber regional eingeschränkt.

Der schärfste Konkurrent von T-Systems, BT Global Services, ist in den vergangenen anderthalb Jahren durch Zukäufe stark gewachsen. Laut BT-President Francois Barrault brachte allein die Übernahme von Infonet dem Konzern eine starke Präsenz in Osteuropa und Lateinamerika. Gleichzeitig konnten einige große Kunden wie Nestle oder Swift gewonnen werden. Hierzulande ist der Carrier bei der Integration von Sprach-Daten-Verbindungen zwar bei weitem nicht so weit wie in Großbritannien. Da weniger Netzvarianten im Einsatz sind, sei die Umstellung jedoch deutlich weniger aufwändig, erklärt Mahony von Ovum.

Auch Telefónica hat nach Einschätzung von Marktbeobachtern früh erkannt, wie wichtig die Umstellung auf das Internet Protocol ist. Künftig könnte die Kombination mit Diensten des Mobilfunkanbieters O2 interessant werden. Walters von Experton weist indes darauf hin, dass es in einigen Ländern Probleme bei der Verschmelzung gebe.

Am schwersten fällt es den Marktexperten, Equant einzuschätzen. Der lange Zeit defizitäre Anbieter weist seit der Komplettübernahme durch France Télécom im Mai 2005 keine eigene Bilanz mehr aus. Für den übergeordneten Bereich Enterprise Communication Services meldete der Carrier im Anfangsquartal 2006 einen Umsatzrückgang um 6,3 Prozent auf 1,92 Milliarden Euro. Was die Rentabilität betrifft, schweigt sich Barbara Dalibard, seit August 2005 Chefin der inzwischen in Orange Business Services umbenannten Sparte, aus. Die gute Nachricht sei, dass das Unternehmen bereits die Umstellung auf IP-basierende Netze vollzogen habe, erklärte sie vielsagend im Interview mit der computerwoche. Die Maßnahme habe freilich die Ergebnisseite belastet.

Die Rolle von Equant

Zumindest was Deutschland anbelangt, räumt der hiesige Equant-Geschäftsführer Frank Sommerfeld ein, dass der Marktanteil minimal sei: Sein Unternehmen fokussiere sich vorwiegend auf große multinationale Konzerne. Betrachte man ausschließlich Dax-Unternehmen, sei der Marktanteil ganz ansehnlich, so der Manager. Diese würden rund um die Welt Geschäfte mit Equant betreiben.

Der Plan der Franzosen, künftig die internationalen IP-basierenden Kommunikations- und IT-Services von Equant sowie die Enterprise-Lösungen von France Télécom und führende mobile Dienste für Geschäftskunden von Orange zu koppeln, wird von Branchenkennern unterschiedlich bewertet.

Triple Play der Franzosen

Ovum-Experte Mahony weist darauf hin, dass Equant über ein starkes, skalierbares Netz verfügt und über die Integration mit France Télécom und Orange attraktive Bündelangebote schnüren könne. Walters von der Experton Group vertritt dagegen die Ansicht, dass aktuell noch kein großer Markt für konvergente Dienste besteht. In Deutschland habe das Thema nur wenig Bedeutung, daran werde sich auch in zwölf Monaten nicht viel ändern. Ein dedizierter Markt für Triple/Quadruple-Play-Angebote existiere im Moment noch nicht.