Freiberufler-Vermittler

Reutax-Pleite hat der Branche geschadet

03.07.2013
Von 
Karen Funk ist Senior Editor beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind IT-Karriere und -Arbeitsmarkt, Führung, digitale Transformation, Diversity und Sustainability. Als Senior Editorial Project Manager leitet sie zudem seit 2007 den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT ein. Zusammen mit einer Kollegin hat sie eine COMPUTERWOCHE-Sonderedition zu Frauen in der IT aus der Taufe gehoben, die 2022 zum 6. Mal und mit dem erweiterten Fokus Diversity erschienen ist.
Trotz schwacher Konjunkturlage konnten die Freiberufler-Vermittlungsagenturen 2012 ihren Umsatz steigern. Der Reutax-Skandal jedoch hat Vermittler und Freiberufler gleichmaßen aufgeschreckt.
Jörn Bäumer vom Personaldienstleister Hays hat gut lachen: Sein Unternehmen ist unangefochtener Branchenprimus.
Jörn Bäumer vom Personaldienstleister Hays hat gut lachen: Sein Unternehmen ist unangefochtener Branchenprimus.
Foto: Hays

Als Reutax in diesem Frühjahr Insolvenz anmelden musste, habe das den Markt massiv aufgeschreckt. Darüber waren sich die Teilnehmer des Roundtable einig, zu dem das Marktforschungsinstitut Lünendonk Vertreter der Freiberufler-Vermittlungsagenturen geladen hatte, um aktuelle Zahlen zu präsentieren (siehe Grafik). „Das hat dem Ansehen der Branche geschadet“, brachte Jörn Bäumer vom Branchenprimus Hays die Lage auf den Punkt. Die teilnehmenden Personaldienstleister bestätigten, dass sie seitdem kritischere Fragen von Freiberuflern bekämen und diese sich eingehender über die finanzielle Situation der Agenturen informierten. Viele Freelancer seien „auf Alarm gebürstet“, formulierte es Etengo-Geschäftsführer Nikolas Reuter.

Im Frühjahr 2013 meldete Reutax Insolvenz an.
Im Frühjahr 2013 meldete Reutax Insolvenz an.
Foto: DOC RABE Media - Fotolia.com

Allerdings könne man aus der Insolvenz des Mitbewerbers auch lernen, sagte Martin Mahler, Geschäftsbereichsleiter IT der DIS AG. So hätte sein Unternehmen seine Kundenverträge noch einmal einer genauen Prüfung unterzogen. Letztendlich überlebe nur der am Markt, der finanziell solide aufgestellt sei, aber auch transparent arbeite.

Es habe ein deutlicher Reifungsprozess und eine Professionalisierung der vergleichsweise jungen Branche stattgefunden, bestätigte Mohammed El-Khaledi von 1st Solution Consulting und skizzierte die zwei größten Veränderungen der vergangenen zehn Jahre: Erstens habe man in dem anfangs undurchsichtigen Projekt-Vermittlungsgeschäft inzwischen eine nahezu 100prozentige Transparenz erreicht - das heißt, die Agenturen legen ihre Margen offen. Zweitens habe der Freelancer inzwischen genauso viel Ansehen wie der Kunde.

Freiberufler haben die Wahl

„Die Freiberufler haben sich emanzipiert“, bestätigte Etengo-Vorstandsvorsitzender Reuter. Warum, erklärte Lünendonk-Partner Lüerßen: „Die Freelancer können sich die Projekte aussuchen.“ Und die Rolle der Agenturen umriss er so: „Die Dienstleister helfen den Unternehmen, den Mangel zu verwalten.“

Während ein Anbieter vom Markt verschwindet, versucht ein neuer hierzulande sein Glück: Elance. Die US-Vermittler starteten unlängst in Deutschland mit deutlich geringeren Agenturmargen. Das empfinde man aber nicht als Gefahr, so Reuter, denn Elance spiele in einer anderen Liga und vergebe eher kleinere Aufträge wie Website-Design. Etengo und die anwesenden Branchenvertreter hingegen vermittelten IT-Profis in großen IT-Projekte und kümmerten sich um deren Steuerung. Hays-Mann Bäumer warnte, dass der IT-Vermittlermarkt inzwischen „riesengroß“ und der Überraschungseffekt weg sei. Jeder Anbieter müsse sich also fragen, was es noch nicht gebe. Denn: „Ein reiner me-too-Ansatz wird nicht funktionieren.“

Ein reifer Markt

"Die Freiberufler können sich die Projekte aussuchen", erklärt Lünendonk-Partner Hartmut Lüerßen.
"Die Freiberufler können sich die Projekte aussuchen", erklärt Lünendonk-Partner Hartmut Lüerßen.
Foto: Lünendonk

Wie groß der Markt inzwischen ist und welches Potenzial er birgt, zeigen die neuesten Zahlen der Lünendonk-Analysten, die den Markt für die Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freelancern in Deutschland untersuchten. Und die stimmen optimistisch: Obwohl das Bruttoinlandsprodukt nur um 0,7 Prozent wuchs, legten die hiesigen Top 10 der IT-Freiberufler-Vermittler 2012 durchschnittlich um 4,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Das entspricht einem Umsatzplus von 1,4 Milliarden Euro. Klammert man die GFT-Tochter Emagine aus, so erreicht die Branche sogar ein Durchschnittswachstum von 10,5 Prozent . Emagine hatte sich im vergangenen Jahr von Teilen des Third-Party-Management-Geschäfts getrennt und daher einen Umsatzrückgang verzeichnet.

Der Branchenprimus Hays und seine Konkurrenten im aktuellen Lünendonk-Ranking für 2013.
Der Branchenprimus Hays und seine Konkurrenten im aktuellen Lünendonk-Ranking für 2013.
Foto: Lünendonk

Die meisten Umsätze erwirtschafteten die Anbieter 2012 nach wie vor mit Dienstleistungen für Anwenderunternehmen (63,3 Prozent). Gleichzeitig nahmen die Einkünfte aus dem Segment IT-Dienstleister und Software-Hersteller leicht auf 36,4 Prozent zu (2011: 35,8 Prozent). Den Großteil der IT-Freiberufler - knapp 78 Prozent - vermittelten die Agenturen in reine IT-Projekte. 22 Prozent der Freelancer kamen in nicht explizit als IT ausgewiesenen Projekten unter. „Durch die enge Verzahnung der Geschäftsprozesse und -strategien mit IT-Systemen und Prozessen steigt der Bedarf der Fachbereiche an entsprechenden IT-Freelancern zur Umsetzung ihrer Projekte“, erklärt Lünendonk-Partner Hartmut Lüerßen.

Positiver Ausblick für 2013

Auch für das laufende Jahr zeigen sich die von Lünendonk analysierten Vermittlungsagenturen trotz verhaltener Konjunktur zuversichtlich: Sie rechnen mit einem Marktwachstum von 11,1 Prozent.