Prozesskostensteuerung im Gesundheitswesen

Rettungsdienst: Zast spart Zaster

02.12.2004
Von 
Uwe Küll ist freier Journalist in München.
Wie die Zentrale Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst Bayern GmbH (Zast) durch eine ERP-Einführung künftig 621 000 Euro jährlich im Rettungsdienst einspart.

ANGESICHTS der chronisch klammen Kassen im Gesundheitswesen stehen Wirtschaftlichkeit und effiziente Prozesse seit Jahren ganz oben auf den Listen der Reformvorhaben der Politiker. Zählbare Erfolge blieben jedoch bislang Mangelware. Wie man diesem Problem mit mittelständischen Organisationsstrukturen und IT-gestützten Prozessen effektvoll zu Leibe rücken kann, zeigt das Beispiel der Zentralen Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst Bayern GmbH: Als konkretes Ergebnis einer ERP-Einführung samt Internet-Portalanbindung stehen laut Zast-Geschäftsführer Dieter Deinert den Investitionskosten in Höhe von 539 000 Euro im Jahr der Einführung Nettoeinsparungen in Höhe von 621 000 Euro per annum in den Folgejahren gegenüber. „Damit macht sich die Investition in die Technik in gut zehn Monaten bezahlt“, freut sich der Unternehmenslenker.

Meldezeit verkürzt

Danijel Sautter, Leiter IT und Organisation bei Zast, erklärt, wie’s funktioniert: „Heute können wir die Transportbelege der verschiedenen Hilfsorganisationen mit ihren 389 Rettungswachen per EDI abrufen, im ERP-System fakturieren und anschließend die Rechnungen wieder per EDI an die bis zu 3000 verschiedenen Kostenträger übermitteln.“

So unspektakulär diese Schilderung anmutet, so durchgreifend waren die Veränderungen, die das für den „Anwender des Jahres“ nominierte Projekt bewirkte. Beispielsweise konnte die durchschnittliche Meldezeit der angeschlossenen Organisationen zwischen dem Ende eines Rettungseinsatzes und dem Eingang des Transportbeleges bei der Zast um zwei Drittel auf bis zu fünf Tage reduziert werden. Damit verkürzt sich auch der Zeitraum zwischen dem Einsatz und der Kostenerstattung durch die Krankenkassen. Da die Abrechnungsstelle nicht nur die Forderungen bearbeitet und an die Kostenträger weiterleitet, sondern auch durch wöchentliche Zahlungen an die Rettungsdienste vorfinanziert, bringt allein diese Prozessbeschleunigung Einsparungen von 500 000 Euro jährlich. Diese ergeben sich aus dem geringeren Bedarf an Fremdkapital zur Zwischenfinanzierung und entsprechend niedrigeren Zinszahlungen.

Erreicht wird diese Beschleunigung vor allem durch die integrierte Lösung aus ERP-System und Internet- Portal. Sie ermöglicht es, dass der Rettungssanitäter am Ende seiner Schicht die Daten seiner Transportbelege direkt am Bildschirm in der Wache erfasst. Bislang wurden diese Belege gesammelt, am PC eingegeben, auf Diskette gespeichert und wöchentlich einmal verschickt.

Fehlerquote reduziert

Die Sachbearbeiter in der Abrechnungsstelle mussten die eingegangenen Disketten dann manuell in die individualentwickelte Cobol- Anwendung einlesen, prüfen und häufig Daten korrigieren. Heute sorgen zusätzliche integrierte Plausibilitätsprüfungen schon bei der Erfassung der Belege im Internet- Portal durch den Sanitäter dafür, dass die Fehlerquote und damit der Bearbeitungsaufwand innerhalb der Zast reduziert werden. „Deshalb war für uns besonders wichtig, dass wir frühzeitig neben der ERPSoftware auch das Internetportal aufbauten und integrierten“, betont Geschäftsführer Deinert. Schöner Nebeneffekt dieser Maßnahme: Durch die Anbindung der Rettungswachen per Internet entfallen außerdem rund 181 000 Euro Handling- und Personalkosten pro Jahr.

Ähnlich sieht es auf der anderen Seite der Prozesskette aus - in der Datenkommunikation mit den Kostenträgern: Durch die Übermittlung der Rechnungsdaten per EDI werden zukünftig rund 90 000 Euro eingespart - das entspricht 30 Prozent der Druck- und Portokosten. Dem gesamten Einsparpotenzial in Höhe von 771 000 Euro stehen erwartete jährliche Betriebskosten in Höhe von 150 000 Euro gegenüber. Für Deinert und Sautter war ihre Vorstellung eines durchgängigen Forderungs-Managements mit dem Erreichten jedoch noch nicht komplett. Schließlich muss die Zast sich auch um die Reklamationen der Kostenträger kümmern. Denn trotz verbesserter Prozesse und Systeme lässt sich ein nachträglicher Klärungsbedarf nicht immer vermeiden, etwa wenn ein Versicherter die Kasse gewechselt hat oder ein Versicherungsfall strittig ist. Relativ häufig sind Reklamationen dann, wenn der Patient selbst die Kosten tragen muss. „In diesen Fällen müssen wir vor allem Aufklärungsarbeit leisten, was die Höhe der Kosten betrifft. Schließlich ist ein Rettungseinsatz keine Taxifahrt. Und wenn der Kunde versteht, warum und wofür er bezahlt, ist er dazu in der Regel auch bereit.“

Bei der Reklamationsbearbeitung werden die Zast-Beschäftigten heute vor allem durch die integrierte Dokumenten-Management- Funktionalität der eingesetzten ERP-Lösung unterstützt. Sie ermöglicht den Online-Zugriff auf sämtliche im System erzeugten Dokumente. Ab Mitte 2005 werden alle Eingangsbelege eingescannt und den Vorgängen zugeordnet. Zumindest im Zusammenspiel mit den großen Kostenträgern sollen auch die Reklamationen vollständig papierlos bearbeitet werden.