Rettungsdienst: Zast spart Zaster

16.11.2004
Wie die Zentrale Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst Bayern GmbH (Zast) durch eine ERP-Einführung künftig 621 000 Euro jährlich im Rettungsdienst einspart.

Angesichts der chronisch klammen Kassen im Gesundheitswesen stehen Wirtschaftlichkeit und effiziente Prozesse seit Jahren ganz oben auf den Listen der Reformvorhaben der Politiker. Zählbare Erfolge blieben jedoch bislang Mangelware. Wie man diesem Problem mit mittelständischen Organisationsstrukturen und IT-gestützten Prozessen effektvoll zu Leibe rücken kann, zeigt das Beispiel der Zentralen Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst Bayern GmbH: Als konkretes Ergebnis einer ERP-Einführung samt Internet-Portalanbindung stehen laut Zast-Geschäftsführer Dieter Deinert den Investitionskosten in Höhe von 539000 Euro im Jahr der Einführung Nettoeinsparungen in Höhe von 621000 Euro pro Jahr in den Folgejah-ren gegenüber. "Damit macht sich die Investition in die Technik in gut zehn Monaten bezahlt", freut sich der Unternehmenslenker. Danijel Sautter, Leiter IT und Organisation bei Zast, erklärt, wie?s funktioniert: "Heute können wir die Transportbelege der verschiedenen Hilfsorganisationen mit ihren 389 Rettungswachen per EDI abrufen, im ERP-System fakturieren und anschließend die Rechnungen wieder per EDI an die bis zu 3000 verschiedenen Kostenträger übermitteln."

So unspektakulär diese Schilderung anmutet, so durchgreifend waren die Veränderungen, die das für den "Anwender des Jahres" nominierte Projekt bewirkte. Beispielsweise konnte die durchschnittliche Meldezeit der angeschlossenen Organisationen zwischen dem Ende eines Rettungseinsatzes und dem Eingang des Transportbeleges bei der Zast um zwei Drittel auf bis zu fünf Tage reduziert werden. Damit verkürzt sich auch der Zeitraum zwischen dem Ein-satz und der Kostenerstattung durch die Krankenkassen. Da die Abrechnungsstelle nicht nur die Forderungen bearbeitet und an die Kostenträger weiterlei-tet, sondern auch durch wöchentliche Zahlungen an die Rettungsdienste vorfinanziert, bringt allein diese Prozessbeschleunigung Einsparungen von 500000 Euro jährlich. Diese ergeben sich aus dem geringeren Bedarf an Fremdkapital zur Zwischenfinanzierung und entsprechend niedrigeren Zinszahlungen.

Fehlerquote gesenkt

Erreicht wird diese Beschleunigung vor allem durch die integrierte Lösung aus ERP-System und Internet-Portal. Sie ermöglicht es, dass der Rettungssanitäter am Ende seiner Schicht die Daten seiner Transportbelege direkt am Bildschirm in der Wache erfasst. Bislang wurden diese Belege gesammelt, am PC eingegeben, auf Diskette gespeichert und wöchentlich einmal verschickt. Die Sachbearbeiter in der Abrechnungsstelle mussten die eingegangenen Disketten dann manuell in die individualentwickelte Cobol-Anwendung einlesen, prüfen und häufig Daten korrigieren. Heute sorgen zusätzliche integrierte Plausibilitätsprüfungen schon bei der Erfassung der Belege im Internet-Portal durch den Sanitäter dafür, dass die Fehlerquote und damit der Bearbeitungsaufwand innerhalb der Zast reduziert werden. "Deshalb war für uns besonders wichtig, dass wir frühzeitig neben der ERP-Software auch das Internetportal aufbauten und integrierten", betont Geschäftsführer Deinert. Schöner Nebeneffekt dieser Maßnahme: Durch die Anbindung der Rettungswachen per Internet entfallen außerdem rund 181000 Euro Handling- und Personalkosten pro Jahr.

Ähnlich sieht es auf der anderen Seite der Prozesskette aus - in der Datenkommunikation mit den Kostenträgern: Durch die Übermittlung der Rechnungsdaten per EDI werden zukünftig rund 90000 Euro eingespart - das entspricht 30 Prozent der Druck- und Portokosten. Für Deinert und Sautter war ihre Vorstellung eines durchgängi-gen Forderungs-Managements damit jedoch noch nicht komplett. Schließlich muss die Zast sich auch um die Reklamationen der Kostenträger kümmern. Denn trotz verbesserter Prozesse und Systeme lässt sich ein nachträglicher Klärungsbedarf nicht immer vermeiden, etwa wenn ein Versicherter die Kasse gewechselt hat oder ein Ver-sicherungsfall strittig ist. Relativ häufig sind Reklamationen dann, wenn der Patient selbst die Kosten tragen muss. "In diesen Fällen müssen wir vor allem Aufklärungsarbeit leisten, was die Höhe der Kosten betrifft. Schließlich ist ein Rettungseinsatz keine Taxifahrt. Und wenn der Kunde versteht, warum und wofür er bezahlt, ist er dazu in der Regel auch bereit."

Dem gesamten Einsparpotenzial in Höhe von 771000 Euro stehen erwartete jährliche Betriebskosten in Höhe von 150000 Euro gegenüber. Bei der Reklamationsbearbeitung werden die Zast-Beschäftigten heute vor allem durch die integrierte Dokumenten-Management-Funktionalität der eingesetzten ERP-Lösung unterstützt. Sie ermöglicht den Online-Zugriff auf sämtliche im System erzeugten Dokumente. Ab Mitte 2005 werden alle Eingangsbelege eingescannt und den Vorgängen zugeordnet. Zumindest im Zusammenspiel mit den großen Kostenträgern sollen später auch die Reklamationen vollständig papierlos bearbeitet werden.

Plankosten unterschritten

Die gelungene Restrukturierung der IT und der darauf basierenden Prozesse ist für den Zast-Geschäftsführer nur ein erster Schritt. Doch da dieser bekanntlich immer der schwerste ist, beeindruckte das Projekt die Jury des computerwoche-Awards "Anwender des Jahres 2004" so nachhaltig, dass sie Zast für die Endauswahl nominierte. Neben den bereits genannten Ergebnissen des Projekts überzeugte die Juroren auch dessen professionelles Management. Zwar ver-zögerte sich der geplante Produktivstart des ERP-Systems um drei Monate auf April 2004, doch die Plankosten von gut einer halben Million Euro konnten um mehr als zehn Prozent unterschritten werden. Außerdem lief der Betrieb von Anfang an so reibungslos, dass die sonst oft üblichen Produktivitätssenkungen unmittelbar nach ERP-Einführungen ausblieben. Zwei Monate später ging auch das Internet-Portal online - zu ebenfalls deutlich geringeren Kosten als ursprünglich geplant.