Retourkutsche

19.02.1982

Wenn der Hintern voller Tränen steht, wird es auch für gewiefte PR-Leute schwierig, aus einem schlechten Geschäftsergebnis, eine gute Nachricht abzuleiten, Es wirkt grotesk, daß beispielsweise die MAI Deutschland GmbH meldet: "Umsatz behauptet" obwohl dieser echt zurückgegangen ist (siehe Seite 1: "Deutsche MAI muß Feder lassen) - geringfügig zwar, ber wenn man die Geldentwertung berücksichtigt, kann wahrlich nicht mehr von einer Lappalie gesprochen werden.

MAI führt die derzeit miserable Situation der Computerbranche und den Preisverfall bei der Hardware als Ursachen für die eigene Umsatzschwäche an. Beides ist, wie Marktkenner heute feststellen können, bis zu einem gewissen Grad zutreffend. Selbst die IBM eutschland spürte die schleichende Krankheit "Preisrücknahmen" im vergangenen Geschäftsjahr an allen Ecken und Enden. Die Stuttgarter kamen gerade noch mit einem blauen Auge davon.

Aber Die verbreitete Diagnose - besseres Preis-/Leistungsverhältnis - wird aus Anwendersicht durch Fakten nicht erhärtet. Sie erklärt, im Falle MAI, nicht, wieso der Anwender die Software- und Service-Leistungen der Anbieter offensichtlich schlecht honoriert. Wurde der Produktgedanke nicht stark genug propagiert? Sie erklärt auch nicht, warum es einzelnen Newcomern - insbesondere aus dem Mikro- und Personal-Computer-Lager, derzeit wesentlich besser geht als den etablierten DV-Herstellern.

Die einzige Antwort lautet: Konkurrenz, Konkurrenz - und nochmal Konkurrenz. Nun kann man, dies vorweg, in der Tat zu dem Schluß gelangen, daß die Produkte der Management Assistance Inc. nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Kein Wunder: Die Basic/four-Systeme sind seit 1973 auf dem Markt. Sie haben, unter technologischen Aspekten gesehen, ausgedient. Nostalgie klingt denn auch an, wenn die MAI-Presse-Information auf ein Wachstum von 32 Prozent "im Durchschnitt der letzten fünf Jahre" verweist.

Das ist schon was, nur drückt es den gegenwärtigen Trend nicht aus - und der läuft an den MAI-Maschinen vorbei. Wettbewerbsdruck gibt's von oben und unten.

Der Basic/four-Park scheint allerdings durch den Vormarsch der Mikros am stärksten gefährdet. Ironie des Schicksals: Der Vorgang ist der gleiche wie beim Markteinstieg von MAI vor zehn Jahren. Damals knabberten die Bildschirmcomputer des amerikanischen DY-Neulings mit der Programmiersprache Basic den Markt der Mittleren Datentechnik (MDT) von unten an. Die Magnetkontencomputer bundesdeutscher Provenienz nahmen sich neben den MAI-Plattenanlagen wie Museumsstücke aus.

Ergebnis: MAI wurde zum Hecht im MDT-Teich, schaffte schnell den Durchbruch zum Liebling der DV-Nation. Es waren vornehmlich Computerlaien, die der Faszination des Einfachen erlagen. Denn einfach zu fahren, für damalige Verhältnisse, waren sie, die nackten Kisten mit dem Basic/four-Logo. Branchenkenner behaupten gar, daß MAI das "Personal Computing" erfunden habe.

Doch die in den siebziger Jahren als Innovationsrevolutionäre geltenden Anlagen haben es heute mit den kommerziellen "Früchtchen" von Apple, Tandy und Commodore zu tun - und sehen alt dagegen aus. Da hilft auch gelegentliche Modellkosmetik nicht. Ja, selbst so "alte Damen" wie IBM oder Honeywell sind mittlerwelie nach Ansicht von Experten die besseren "Babysitter". Es erhebt sich also die Frage, ob MAI mit Basic/four-Nachfolaern noch einmal einen Coup wie 1973 landen kann. Zu gönnen wäre es den "Alt-Revoluzzern".