So steuern Sie Veränderungsprozesse

Resonanzgruppen - der Motor bei Change-Projekten

12.10.2010
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Die Intelligenz des Kollektivs nutzen

Ein solches Instrument sind Resonanzgruppen. So werden Gruppen genannt, die aufgrund ihrer Zusammensetzung

  • die Interessenvielfalt in einer Organisation und

  • die typischen Denk-, Verstehens- und Verhaltensmuster ihrer Mitglieder

widerspiegeln, weshalb sie auch ein Indikator dafür sind: Wie reagiert die gesamte Organisation, wenn sie mit einer bestimmten Heraus- oder Anforderung konfrontiert wird?

Resonanzgruppen funktionieren nach dem Prinzip des hermeneutischen Zirkels, der den menschlichen Verstehens- und Erkenntnisprozess beschreibt. Ihm zufolge vollzieht sich das menschliche Verstehen zum Beispiel von literarischen Texten spiralförmig. Das heißt, durch ein regelmäßiges Hinterfragen der bisherigen Annahmen "Was will mir der Text sagen?" findet ein allmähliches Verstehen und ein fortschreitender Gewinn an Erkenntnis statt.

Ähnlich erfolgt der Erkenntnisgewinn in Resonanzgruppen. Zu Beginn ihrer Zusammenarbeit ermitteln die Mitglieder der Gruppe zunächst, welche Bilder sie vom Unternehmen haben. Dann fragen sie sich, inwieweit diese Vor-Urteile aufgrund der Kompetenzen sowie Persönlichkeiten, die in der Gruppe vertreten sind, zutreffend sind.

Das Verstehen mit System erweitern

Erst nach dieser Selbstreflexion befasst sich die Gruppe mit dem eigentlichen Gegenstand der Erkenntnis. Ihre Mitglieder fragen sich also zum Beispiel:

  • Wie sieht unser Markt in zehn Jahren aus?

  • Was kennzeichnet die Kultur des Unternehmens? Oder:

  • Wie verlaufen Veränderungsprozesse in unserer Organisation?

Anhand dieser Themen überprüfen die Gruppenmitglieder erneut, inwieweit ihre bisherigen Annahmen zum Beispiel über die Organisation zutreffend sind. Erweisen sich diese als korrekturbedürftig oder nicht tragfähig, werden sie um neue Sichtweisen und Perspektiven ergänzt.

Die so gewonnene Erkenntnis bildet im weiteren Prozessverlauf stets den Ausgangspunkt, um sich immer wieder neu fragen: Sind unsere Annahmen und die hieraus gezogenen Schlüsse (noch) richtig und inwieweit sollten wir diese korrigieren? So wächst mit der Zeit die Erkenntnis über die Organisation und den Veränderungsprozess. Die Erkenntnisspirale schraubt sich sozusagen immer weiter nach oben.

Ein solches Vorgehen hat folgenden Vorteil: Die in jeder Organisation vorhandenen "blinden Flecken", die das Gelingen von Veränderungsprozessen gefährden, werden allmählich beseitigt oder zumindest stark reduziert. Nicht nur, weil alle Planungsschritte stets unter dem Vorbehalt "Aufgrund unserer aktuellen Erkenntnis ..." stehen. Hinzu kommt: Aufgrund der Zusammensetzung der Resonanzgruppe fließen in die Entscheidungsfindung unterschiedliche Wahrnehmungen ein. Also entsteht ein facettenreiches Bild der Realität, das eher der Komplexität des Beziehungssystems Unternehmen entspricht.