Unix International präsentiert Unix V. 4, doch das

Rennen um Unix-Standards ist nach wie vor unentschieden

10.11.1989

BRÜSSEL (gfh) - "Unix V.4 ist fertig und vereinigt die wichtigsten Prozessor-Architekturen" freut sich Peter Cunningham, Chef von Unix International. Die Open Software Foundation (OSF) hätte dagegen in Sachen Standard-Unix bisher nur Ankündigungen zu bieten. Dem widerspricht Henning Oldenburg, der europäische Sprecher der OSF, mit dem Hinweis, daß die neue Unix-Version noch keineswegs marktreif sei.

Hintergrund für diese Kontroverse- Unix V.4, das von der Gruppe um AT&T propagierte Standard-Betriebssystem, wurde zwar freigegeben, doch die Auslieferung an die Anwender kann erst erfolgen, wenn das Produkt auf Hardware-Plattformen von Mips, Sun, Motorola und Intel portiert ist. Oldenburg zitiert Helmut Krings, den deutschen Vorstand von Sun Microsystems, mit dessen Aussage, daß sein Unternehmen dafür etwa ein Jahr brauche.

Kompatibel mit Xenix, Sun-OS und Derkeley-Unix

Trotzdem wird die neue Betriebssystemversion derzeit der Unix-Expo in New York verschiedenen Prozessor-Architekturen einschließlich RISC und Sparc vorgeführt. Dabei soll neben der Kompatibilität von Unix V.4 auch die Portabilität der Software von Hardware zu Hardware sowie die Zusammenarbeit zwischen heterogenen Systemen demonstriert werden. Europäische Interessenten können sich die Leistung der neuen Unix-Version auf Anfrage auch bei den englischen Niederlassungen von Unisoft, Sun, Mips und Intel zeigen lassen.

Wie schon früher angekündigt, vereinigt Unix V.4 die früheren Versionen von Unix System V mit den Unix-Derivaten Xenix, Sun-OS und den Versionen 4.2 und 4.3 der Berkeley-Variante BSD. Damit sei, so Unix International, die Aufwärtskompatibilität von über 80 Prozent der gegenwärtigen Installationen gewährleistet. Die Kompatibilität mit dem Berkeley-System, wird derzeit jedoch nur bis zu etwa 90 Prozent erreicht, räumt der Chef von Unix International ein.

Als besonders wichtig hob Cunningham hervor, daß die neue Unix-Version weltweite Standards unterstütze. Als Basis des Betriebssystems nennt er den besonders für Europa wichtigen X/Open-Standard, die Spezifikationen des japanischen Sigma-Projektes und den US-amerikanischen Posix-Standard. Im Source-Code soll Unix V.4 als Erstsystem 100 000 Dollar und für jede weitere Installation 50 000 Dollar kosten, auch wenn diese auf einer a Hardware-Basis geschieht.

Zwar, gratuliert OSF-Sprecher Oldenburg der AT&T Software Operation zu ihrer Entwicklungsleistung: "Wir sind froh, daß mit dieser neuen Version die verschiendensten Unix-Welten zusammengeführt worden sind und daß es jetzt eine Implementierung von Posix- und X/Open-Schnittstellen gibt." Doch die Kritik folgt auf den Fuß. Der neuen Unix-Version fehle es an zusätzlichen Funktionalitäten, so daß die Anwender seiner Meinung nach kaum Gründe hätten, umzusteigen.

Außerdem, insistiert Oldenburg, würden die Snapshots für OSF/1 inklusive. der zusätzlichen Mach-Implementierung bereits ab dem 1. Quartal des kommenden Jahres an die Mitglieder ausgeliefert. Markreife Versionen für die verschiedenen Hardware-Ebenen werde es nach diesem Zeitplan ab Ende 1990 geben. Damit schmelze der zeitliche Vorsprung von Unix V.4 auf Null zusammen.

Unix International erwartet auf Grund dieser Ankündigung dagegen eine Verdoppelung der 1,5 Millionen Unix- oder Clint-Derwat-Lizenzen. 170 Unternehmen haben sich, so begründet Cunningham diese

Hoffnung, zu Unix V.4 bekannt. Davon sind über 50 keine Mitglieder von Unix International.

Über die Zukunft der mit OSF/Motif konkurrierenden Unix-Oberfläche Open Look war wenig zu erfahren. Cunningham bestätigte jedoch, daß Motif den generellen Anforderungen von Unix International entspräche und derzeit von der Unix Software Operation geprüft werde.

Mehr über der Zukunft von Unix sollen die Anwender aus einer Art Wegweiser erfahren, den Unix International angekündigt hat. In ihm werden die Unix-Projekte der Vereinigung für die nächsten drei Jahre veröffentlicht werden. Anläßlich ihrer Brüsseler Ankündigung gab Unix International auch den Beitritt von 14 neuen Mitgliedern bekannt. Darunter befinden sich die deutsche Mannesmann Informationstechnik, das DV-Unternehmen des Fiat-Konzerns sowie Sanyo, Samsung Electronics und die Matushita Electric Industrial Ltd.