Gastkommentar

Renaissance des DV-Leasings

11.02.1994

Die DV-Leasingbranche Europas wurde in den letzten Jahren von Skandalen und spektakulaeren Pleiten erheblich gebeutelt. Selbst die weltweit groessten DV-Leasinggeber stekken in dramatischen Schwierigkeiten. Kein Wunder, wenn viele glauben, schon das Totengloeck-lein fuer die einst gesunde Branche laeuten zu hoeren. Wie ist dieser Niedergang zu erklaeren?

Wettbewerb, das heisst die Auswahlentscheidung des Leasingnehmers zwischen konkurrierenden Angeboten, ist ein Wesenselement unserer marktwirtschaftlichen Ordnung. Er fuehrt dazu, dass die Ertraege der Leasinganbieter im marktwirtschaftlichen Rahmen bleiben und jeder Anbieter praktisch gezwungen wird, so kostenguenstig wie moeglich zu arbeiten.

Es liegt leider in der Natur der Sache, dass dieser Tatbestand dem einen oder anderen Anbieter ein Dorn im Auge ist. Solche Unternehmen richten ihr Augenmerk dann darauf, den Wettbewerb beziehungsweise den Wettbewerber selbst zu bekaempfen. Es ist ja viel einfacher zu bestehen, wenn ein nennenswerter Wettbewerb im Grunde nicht mehr existiert.

Die Konsequenz dieser Haltung nennt man Verdraengungswettbewerb. Der Markt des DV-Leasings war in den vergangenen Jahren davon gepraegt.

Die Folgen auf der Anbieterseite sind evident. Zusammenbrueche, Liquidationen und Uebernahme von Unternehmen sowie ueberall nicht unerhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten praegen nun das Bild der Branche.

Somit bleibt die Frage, ob denn wenigstens die nachfragenden DV- Anwender aus diesem Wettbewerb Vorteile realisieren konnten? Auf den ersten Blick muss man das nachdruecklich bejahen. DV-Hardware war noch nie so billig wie heute.

Die Moeglichkeiten, durch das Gegeneinanderausspielen von Anbietern den Preis zu druecken und zu druecken und zu druecken, waren nie besser. Die Nachfragemacht kommt zur vollen Wirkung.

Doch nun steigen die Preise fuer Software und Dienstleistungen, und fuer normale, bisher unentgeltliche Serviceleistungen werden betraechtliche Verguetungen gefordert. Hinzu kommt, dass Kundenberatung und Kundenbetreuung durch die wirtschaftlich notwendige Verringerung der Mitarbeiterzahl nur noch sehr eingeschraenkt erbracht werden koennen. Dazu hoert man nun vermehrt die Klage darueber, dass die Innovationskraft von Herstellern und Anbietern ausbleibt.

Fuer die Herausforderungen der nach dem Fall des eisernen Vorhangs voellig veraenderten Weltwirtschaft fehlen Ideen, Methoden und Instrumente. Dies ist eine Folge davon, dass Investitionsmittel nicht in Forschung und Entwicklung, sondern in Wettbewerb geleitet werden.

Wem hat nun der Verdraengungswettbewerb tatsaechlich genutzt? Dem scheinbar siegreichen Anbieter, der nun selbst darniederliegt? Dem Leasingnehmer, der auf der einen Seite spart, aber auf der anderen Seite mehr ausgeben muss fuer ein letztendlich schlechteres Serviceangebot?

Europa steht vor einer noch nie dagewesenen Herausforderung. Fuer 1994 sind 15 bis 20 Millionen Arbeitslose zu erwarten. In sogenannten High-Tech-Laendern kostet die Ausstattung eines Arbeitsplatzes durchschnittlich zirka 500000 Mark. Wenn also nur die Haelfte dieser Arbeitslosen einen Arbeitsplatz finden sollen, sind Investitionen in Hoehe von 375 Milliarden bis 500 Milliarden Mark erforderlich, die zunaechst einmal zu finanzieren sind.

Diese Investitionen umfassen Anlagen, Maschinen, Geschaeftsausstattungen und auch Hard- und Software. Anwender werden realisieren, dass das Heil der Datenverarbeitung nicht ausschliesslich in PC-basierten Client-Server-Konzepten liegt. Sie werden deshalb neue, flexibel konfigurierbare Prozessoren verlangen. Bringen die zu erwartenden Parallelrechnerstrukturen den angekuendigten Erfolg tatsaechlich, werden DV-Investitionen wieder erheblich zunehmen.

DV-Leasing wird damit notwendigerweise mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Ihre Vorteile, naemlich

- 100prozentiger Fremdfinanzierungscharakter,

- Entlastung von Krediten und Bilanzrelationen sowie

- weitgehende Objektnutzungsflexibilitaet

werden dazu fuehren, dass Leasingformen im Finanzierungsmix eine zunehmend groessere Rolle spielen.

Eine Neubesinnung tut not. Es ist hoechste Zeit dafuer, dass Hersteller sich um Produktinnovation und kostenoptimale Produktion kuemmern, Leasinggesellschaften sich um zinsguenstige Finanzierungsquellen und um nachfragegerechte Leasingkonzeptionen bemuehen und DV-Anwender bei ihren Entscheidungen mit Verantwortung fuer Chancengleichheit im Wettbewerb sorgen.