Niedriger Preis und gutes Marketing entscheiden ueber Erfolg oder Misserfolg

Rekordumsaetze bringen den PC-Herstellern keinen Gewinn

23.02.1996

Die angespannte Gewinnsituation der PC-Produzenten steht im augenfaelligen Widerspruch zu den Rekordumsaetzen der Branche. Dass hinter den Klagen echte Probleme stecken, verdeutlicht der Fall von Packard Bell (vgl. CW Nr. 7 vom 16. Februar 1996, Seite 14: "Packard Bell schliesst sich mit Bull-Tochter Zenith zusammen"). Das amerikanische Unternehmen hatte 1995 gut 28 Prozent mehr Umsatz erwirtschaftet als noch im Jahr zuvor. Doch das vierte Quartal lief schlecht: Packard Bell fuellte die Lager mit Low-end- Pentium-Rechnern, doch die Kundschaft verlangte Hochleistungsgeraete, die das Unternehmen kaum liefern konnte.

Genaue Angaben zum Gewinn von Packard Bell lassen sich nicht machen, da das Privatunternehmen keine Bilanzen und Geschaeftsberichte veroeffentlichen muss. US-Marktbeobachter gehen aber davon aus, dass die Firma 1995 Verluste gemacht hat ("Financial Times").

Dabei bewerteten Analysten Packard Bell als Firma mit Modellcharakter, die den Trend fuer andere Hersteller vorgibt. Ausschlaggebend sind im PC-Geschaeft demnach nur noch niedrige Preise, gutes Marketing und ein Gespuer fuer die sich wandelnden Wuensche der Kaeufer. Die Technologie als Unterscheidungsmerkmal verliert ihren alten Stellenwert, und Firmen wie Apple, Compaq und IBM haben grosse Schwierigkeiten, sich von der Masse der "Boxenschieber" abzugrenzen.

Apple, lange Jahre die innovativste Firma der PC-Branche, hat das vierte Quartal 1995 mit einem Verlust von 69 Millionen Dollar abgeschlossen. Zehn Milliarden Dollar hat IBM 1995 mit dem PC- Geschaeft eingenommen, doch unter dem Strich wurde nur ein minimaler Gewinn erwirtschaftet. Die Jahre zuvor hatte IBMs PC- Abteilung sogar Verluste gemacht. AST Research schreibt seit 18 Monaten rote Zahlen, eine kurzfristige Erholung ist nach Meinung von Marktbeobachtern nicht zu erwarten. Fuer die deutsche Escom AG lief das Weihnachtsgeschaeft schlechter als erwartet, schreibt die "Financial Times".

Digital Equipment (DEC) hat sich gerade erst entschieden, aus dem Privatkunden-PC-Geschaeft auszusteigen, Olivetti will Anfang 1997 nachziehen, wenn die hauseigene PC-Abteilung bis dann nicht die Gewinnzone erreicht.

Hinter diesen Misserfolgen steckt ein Trend, der die gesamte PC- Industrie erfasst hat. Noch vor drei Jahren lag die Brutto- Gewinnspanne bei rund 40 Prozent. Heute betraegt sie im Durchschnitt ganze 20 Prozent, und eine Trendwende ist nicht absehbar (siehe dazu Seite 56: "Fujitsu will nicht nur in Japan zur Spitze im PC-Geschaeft gehoeren").

Mehrere Entwicklungen haben zu diesem Rueckgang beigetragen. Ausschlaggebend duerfte aber der gewaltige Anstieg der Nachfrage von Privatkunden gewesen sein, die wesentlich mehr auf den Preis achten als Firmen. In den USA gingen 1995 rund 44 Prozent der PCs an Heimanwender. Diese Kaeufer legen Wert auf State-of-the-art- Rechner, deren Technologie nicht so schnell veraltet.

Auch die Standardisierung hat zum Ungemach der PC-Industrie beigetragen. Die meisten Hersteller verwenden heute die gleichen Bauteile (mit Ausnahme von Apple). Damit werden aber auch die Geraete aehnlicher und sind fuer den Endkunden nur noch durch den Preis zu unterscheiden.

Forschung und Produktneuentwicklung kommen bei vielen Herstellern inzwischen zu kurz. Seit Anfang der neunziger Jahre ist das Forschungsbudget im Durchschnitt von ueber vier auf unter zwei Prozent gesunken.

In krassem Gegensatz dazu stehen nur die Zahlen der beiden Quasi- Monopolisten Microsoft und Intel. Der Prozessorgigant pumpt jedes Jahr rund acht Prozent seiner Einnahmen, umgerechnet rund 1,3 Milliarden Dollar, in die Entwicklung; Microsoft hat gar 15 Prozent oder umgerechnet etwa 890 Millionen Dollar in die Labors in Redmond gesteckt.

Beide Marktfuehrer machen die PC-Hersteller zu "Boxenschiebern", weil sie die Technologieentwicklung bestimmen. Intel vor allem schafft neue Abhaengigkeiten, seitdem der Grosskonzern nicht nur die gesamten Chips rund um den PC-Prozessor fertigt, sondern auch Hauptplatinen produziert. Diese Systemplatinen bilden das Herzstueck eines PCs, das heute nur noch wenige Hersteller selbst konstruieren. Damit koennen Konfektionaere wie Packard Bell oder Gateway 2000 ohne eigene Forschung und Entwicklung PCs liefern, die bisher Unternehmen mit eigenen Labors wie Compaq vorbehalten waren. Damit aber verschaerft sich der Preiskampf dramatisch.

Dennoch bildet Compaq heute ein grundsolides Unternehmen, das seit einiger Zeit mit PC-Servern gutes Geld verdient. Hewlett-Packard, Messgeraete- und Midrange-Spezialist, hat mit seinem Einstieg in das Privatkundengeschaeft im vergangenen Jahr gute Erfahrungen gemacht. Selbst eine Lokalgroesse wie Siemens-Nixdorf, die eigentlich nur auf dem deutschen Markt praesent ist, konnte laut Vorstandsmitglied Peter Page 1995 nach jahrelangen Verlusten erstmals Geld verdienen.

Dennoch wird die Konsolidierung am PC-Markt weiter fortschreiten. Garagenfirmen haben keine Chance mehr. Nur noch internationale Konzerne mit grossem Budget und professionellem Marketing werden in zwei bis drei Jahren noch existieren, prophezeit Mike Szeto, Abteilungsleiter bei der Unternehmensberatung J. P. Morgan, die Packard Bell derzeit bei der Umorganisation zur Seite steht.