DV-Kenntnisse in allen Fachrichtungen, aber:

Reine Informatiker mit geringen Chancen

12.10.1984

STUTTGART (CW) - Trotz steigender Nachfrage nach Computerfachleuten bei Industrie und Wirtschaft hat der baden-württembergische Minister für Wissenschaft und Kunst Helmut Engler jetzt davor gewarnt, mit überzogenen Berufserwartungen das Fach Informatik zu studieren.

In einer Mitteilung des Wissenschaftsministeriums heißt es, daß nach Angaben der Dortmunder Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) in der Bundesrepublik auf 2168 Informatikstudienplätze für Anfänger zum Wintersemester 1984/85 über 7000 Bewerbungen entfielen. Es sei geplant, alle Bewerber für dieses Fach zuzulassen. Gegenwärtig sei ein Fünftel aller Informatikstudenten der Bundesrepublik an Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien Baden-Württembergs immatrikuliert. Der unerwartet große Bewerberandrang übersteige die Kapazitäten der Universitäten Karlsruhe und Stuttgart, an denen es einen Studiengang Informatik gibt, bei weitem. Die Überlast beträgt nach Angaben von Engler fast 200 Prozent. In diesem Zusammenhang erklärte Engler: Nach Auskünften des Landesarbeitsamts Baden-Württemberg, des Landesverbands der baden-württembergischen Industrie (LVI), des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung und des Zentralverbands der Elektronischen Industrie in Baden-Württemberg werden augenblicklich noch ein steigender Bedarf an EDV-Fachleuten

vorhergesagt. Der Minister gab zu bedenken, daß Industrie und Wirtschaft in viel stärkerem Maße an Fachleuten anderer Studienrichtungen mit zusätzlichen Informatikkenntnissen interessiert seien als an reinen Informatikern. Deshalb komme es darauf an, Informatik in die Ausbildung beinahe aller Wissenschaftsdisziplinen einzubeziehen.

Umso bemerkenswerter sei die starke Nachfrage nach "reinen" Informatikstudienplätzen. Die vom Lande Baden-Württemberg an Universitäten und Fachhochschulen angebotenen Studienanfängerplätze in den Informatikstudiengängen reichten aus, um in Zukunft eine steigende Nachfrage des Arbeitsmarkts nach Informatikern zu befriedigen.

Zur künftigen Entwicklung der Informatikausbildung an Hochschulen und Berufsakademien des Landes Baden-Württemberg erklärte Minister Egler, es komme darauf an, in allen Wissenschaftsdisziplinen die möglichen Anwendungen der Informatik in die Ausbildung einzubeziehen. Das entspreche auch der internationalen Entwicklung, in eine große Zahl akademischer Studiengänge eine Grundausbildung in Informatik einzubauen. Deshalb zeichneten sich beispielsweise die Studiengänge Wirtschaftsmathematik an der Universität Ulm sowie Wirtschafts- und Technomathematik und Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Karlsruhe durch einen hohen Informatikanteil aus.