Reform der Telefontarife nur nach einer Postreform II Telekom-Aufsichtsratschef kritisiert die Bonner Politiker

05.11.1993

MUENCHEN (CW) - Fuer die Telekom ist es in Sachen Post-reform II nun fuenf Minuten vor zwoelf. Wenn in den naechsten Wochen kein entsprechender Gesetzentwurf zustande kommt, sieht sich der Bonner Carrier im internationalen Business endgueltig auf die Zuschauerbank gedraengt. Als momentan wenig hilfreich empfindet man daher auch den vom Ministerium nun vorgelegten Genehmigungsrahmen zur Reform der Telefontarife.

Nach Auffassung von Telekom-Aufsichtsratschef Rolf-Dieter Leister ist nun keine Zeit mehr fuer politische Raenkespiele. Die TK-Politik der EG lege, so Leister gegenueber dem "Handelsblatt", ein Tempo vor, bei dem die deutsche Politik unertraeglich hinterherhinke. Zudem muesse man davon ausgehen, dass zum Zeitpunkt der zum 1. Januar 1998 vorgesehenen EG-weiten Abschaffung des Telefondienst- monopols oder unwesentlich spaeter auch das Netzmonopol fallen werde. Fuer das Unternehmen sei es daher zwingend, sich rechtzeitig fuer den internationalen Wettbewerb zu wappnen.

Falls in den naechsten Wochen kein eindeutiger Gesetzentwurf zur Postreform II vorgelegt werde, werde sich die dringend notwendige Privatisierung der Tele-kom erheblich verzoegern, da im Wahljahr 1994 mit keiner Entscheidung mehr zu rechnen sei. Eine neue Regierungsmannschaft braeuchte aber mindestens ein Jahr, um einen weiteren Anlauf in Sachen Telekom AG zu unternehmen; das waere dann fuer die Telekom in jedem Fall zu spaet. Konsequenz: Der Bonner Carrier koennte sich an den anstehenden "Mega-Deals" in der internationalen Telekommunikation nicht beteiligen.

Nicht gerade auf Begeisterung stoesst bei der Telekom daher auch der von Postminister Wolfgang Boetsch nun vorgelegte Genehmigungsrahmen zur Reform der Telefontarife - zumindest solange sich die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht verbessern. Das Konzept sieht vor, dass die durchschnittliche Belastung aller Telefonkunden bis 1998 um rund 20 Prozent gesenkt werden soll.