Das Coaching-Prinzip

Reflexion statt Tipps

13.12.2006
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.

Um den Klienten ihre Situation zu verdeutlichen, greift Happich gern auch auf Beispiele aus der Natur zurück, die ein Aha-Erlebnis hervorrufen und sich als Metapher leichter im Kopf festsetzen. Ein Klient hatte etwa das Gefühl, er leiste nicht genug, obwohl er täglich um drei Uhr morgens aufstand, dann zwei Stunden an wissenschaftlichen Publikationen schrieb und spätestens um sechs Uhr in der Firma war. Dass Hochleistung auf Dauer nur in Verbindung mit Ruhephasen klappt, verdeutlichte Happich am Beispiel des Geparden: "Ein Gepard beschleunigt binnen Sekunden von null auf 100 Kilometer die Stunde, kann aber höchstens 600 Meter mit dieser hohen Geschwindigkeit laufen. Er peilt vorher sein Ziel genau an und schlägt dann zu. Geparde bringen auf den Punkt Höchstleistung und brauchen danach eine Phase der Regeneration."

Stärken bündeln

In der Natur geht es laut Happich immer darum, Stärken zu bündeln. Dieses Prinzip sei gut auf Coaching übertragbar: "Es ist sinnvoller die Stärken zu entdecken und zu bündeln, um dadurch Schwächen auszugleichen, als an den Schwächen zu arbeiten." Happich berücksichtigt in ihrem systemischen Ansatz zum Beispiel nicht nur Inhalte und Aufgaben der Mitarbeiter, sondern achtet auch auf die Rahmenbedingungen, die einen erheblichen Einfluss etwa auf die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter besitzen. Wenn sich diese von heute auf morgen verändern, können sich Mitarbeiter wie Führungskräfte vor den Kopf gestoßen fühlen. So auch bei der Hach Lange GmbH, einem Hersteller für Wasseranalysetechnik mit Sitz in Berlin und Düsseldorf. Amerikanische Investoren kauften den mittelständischen Familienbetrieb und gaben eine Umsatzrendite von 25 Prozent als Ziel vor. Um den Mitarbeitern zu helfen, sich in der neuen Führungskultur zurechtzufinden, und wichtige Leistungsträger zu halten, organisierte der damalige Personalchef Dietmar Bahr für 50 Mitarbeiter ein Teamcoaching sowie Einzelcoachings für Führungskräfte. "Viele wollten reden, sonst hätten sie gekündigt." Der systemische Ansatz von Happich entsprach Bahrs Erwartungen: "Wie die Natur ist auch ein Unternehmen ein System, als dessen Teil man sich auf das Ganze einstellen sollte."

Neue Impulse für die Karriere

Je höher man in der Hierarchie eines Unternehmens aufsteigt, desto schwieriger findet sich ein Gesprächspartner, mit dem man sich auf Augenhöhe und vertraulich austauschen kann. Diese Erfahrung machte Volker Hoffmann*, nachdem er 15 Jahre in leitenden Funktionen in der Software- und Hardwarebranche und zuletzt als Partner in einer Management-Beratung tätig war. "Ich hatte eine steile Karriere hinter mir und suchte neue berufliche Perspektiven jenseits der Unternehmensberatung und der IT. "

Zunächst absolvierte Hoffmann parallel zum Job ein MBA-Programm, spätestens danach wäre er für jeden Headhunter ein willkommener Kandidat gewesen. Doch Hoffmann wollte eine unabhängige Beratung, fernab von irgendwelchen Suchaufträgen im Hintergrund, und engagierte auf eigene Kosten einen Coach. "Ich sehe das als Investment in meine eigene Person", sagt er. In den Gesprächen mit Gudrun Happich hat er bekommen, was er erwartet hat: eine aufnahmebereite Zuhörerin, die ihm ein Höchstmaß an Verständnis entgegenbringt und durch Fragen neue Impulse gibt. Mittlerweile hat Hoffmann gelernt, auf seine Intuition zu hören und darüber ein völlig neues Betätigungsfeld für sich entdeckt: Die Entwicklung von Top-Führungskräften. "Hier kann ich meine Management-Fähigkeiten einbringen und bin ganz im Einklang mit mir." Stößt er in seiner neuen Funktion auf Probleme, notiert er sie in ein kleines Heft, um sie bei seinem nächsten Termin mit Happich zu besprechen. Für ihn ist Coaching keine kurzfristige Angelegenheit, sondern ein "längerer Prozess, auf den man sich einlassen muss".

*Namen von der Redaktion geändert