Refa - Fachtagung über Technik und Betriebsorganisation:Fabrik der Zukunft fußt auf Qualifikation

14.02.1986

DARMSTADT (lo) - In der Fabrik der näheren Zukunft werden bei gewandelten Qualifikationen weniger Menschen mit größerer Produktivität als heute arbeiten. Hans - Jörg Bullinger gab damit das Stichwort auf der Industrial - Engineering - Fachtagung Veränderungen der Betriebsorganisation durch neue Techniken des Refa Verbandes für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation in Darmstadt.

Trotz aller Unsicherheiten mit Blick in die Zukunft sei der Weg vorgezeichnet, sagte der Institutsleiter des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart. Vor allem die Entwicklungen auf dem Gebiet der Informationstechnik werden Strukturen und Abläufe sowohl in der Produktion als auch im Dienstleistungsbereich verändern.

Unsicherheiten sowie Kontroversen in der Diskussion sollten nicht dazu veranlassen, die Probleme zu ignorieren. Negativbeispiele aus unterschiedlichen Branchen führen nach Bullingers Meinung vor, daß es falsch ist, sich abzeichnende Entwicklungen zu ignorieren.

Daß der Weg zur Fabrik der Zukunft schon beschritten ist, zeigten weitere Fachreferate der Tagung des Verbandes für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation. Das Thema: Wie Produktivität und Flexibilität bei der Entwicklung und Fertigung technischer Produkte, aber auch bei Büroarbeit durch den Einsatz moderner Systeme erhöht werden kann. Gemeinsamer Nenner fast aller Referenten war das Kürzel CIM (Computer Integrated Manufacturing).

Return of Investment kein Pingpongspiel

"Die Investition ist sehr hoch, doch lohnt es sich, mit dem flexiblen Fertigungssystem zu produzieren", bezog Dieter Sikorski, Prokurist bei der Sauer Getriebe AG, Stellung. Dabei, betonte er, ginge es nicht "nur" darum, den Ist - Zustand der Fertigung in Richtung Flexibilität zu verbessern. Hinzukommen müßten neue Grundlagen der Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Doch auch mit diesem Instrument sei die Dauer für ein "Return of Investment" nicht sofort zu umreißen. Eindeutig stehe jedoch fest, daß der Umsatz von den Varianten in der Produktionspalette abhänge. Es würden, merkte der Maschinenbau - Ingenieur kritisch an, allgemein Mitarbeiter in nicht ausreichendem Maße für die Aufgabe ausgebildet, CN - Maschinen zu bedienen. Dies gelte für das Bedienungspersonal der Fertigungsanlage, für die Mitarbeiter der Qualitätssicherung und auch für die Beschäftigten in der Werkerhaltung.

Dort sei beispielsweise bei der Sauer AG ein Schulungsprogramm für Elektroniker eingerichtet, dessen Aufwendungen über einer halben Million Mark lägen.

Die maschinelle Unterstützung der Büroarbeit werde derzeit noch weitgehend vom technischen Stand der Büromaschinen diktiert, weniger von den Bedürfnissen der Menschen am Arbeitsplatz, faßte Achim Musiol den Stand der Dinge mit Blick auf die Betriebsorganisation zusammen. Eine stark "monofunktional" ausgerichtete Technik, so der Leiter des "Ausbildungszentrums Büro" der Siemens AG in München weiter, errichte aber Akzeptanzbarrieren und verschenke ein beträchtliches Maß an möglichem Rationalisierungsnutzen. So werde trotz des "Fleckerlteppichs" an modernen Geräten, die den Arbeitsplatz umgeben, noch rund ein Drittel der Arbeitszeit des Sachbearbeiters für Umsetzung und Umformatisierung von Mitteilungen verwendet, ohne irgendwelche Wertschöpfungen zu erzielen.

Schlagworte vergrößern Anwendermißtrauen

Mit den Herstellern und Vertreibern von Büromaschinen ging Musiol ins Gericht: Unreflektierte Schlagworte wie etwa "Das papierlose Büro" oder "multifunktionale" sowie "integrierte Arbeitsplatzsysteme" zeigten nicht nur eine allgemeine Verunsicherung, sie sollten zuweilen eine dürftige Realität vernebeln helfen - die eigentliche Ursache für die derzeitige Verunsicherung und für Frust und Ablehnung bei allen Betroffenen - Anwendern, Organisationen wie auch Führungskräften. Seiner Meinung nach gehört den wahlweise integrierbaren - multifunktionalen - Arbeitsplatzsystemen im integrierten Fernmeldenetz die Zukunft. Ihr Vorteil: Sie ließen sich auf unterschiedliche "Mischarbeitsplätze" in kleinen wie auch großen Unternehmen oder Behörden bedarfsgerecht anpassen.

Auf der Tagung vorgestellte Bildungsstrategien zielten vor allem darauf ab, die Bildungsbereitschaft der Beschäftigten zu erhöhen. Nur mit motivierten und aktiven Mitarbeitern könne der Wettlauf mit der Entwicklung der Technik gewonnen werden. Die zunehmende Automatisierung eröffnet Unternehmen die Möglichkeit, die Betriebszeiten der Anlagen von der Arbeitszeit der Mitarbeiter zu entkoppeln.

Durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit könne einerseits dem Wunsch von Arbeitnehmern nach einer individuellen Arbeitszeitregelung entsprochen werden, so Aussagen auf der Tagung, zum anderen seien die kostspieligen Anlagen täglich länger einsetzbar und würden damit wirtschaftlich rentabler.

Die Forderung nach einem qualitativen Wirtschaftwachstum, das mit ökologisch verträglichen Produkten neue Märkte auch international erschließt, bekräftigte der hessi- sche Minister für Wirtschaft und Technik, Ulrich Steger. lnvestitionen hätten sowohl umweltfreundliche, humane Produktivitätsverfahren und Produkte, aber auch das Humankapital - die Ausbildung qualifizierter Arbeitskräfte - zu fördern.