Redactron prangert Geschäftspraktiken der Branche an:Die TV-Evolution blieb in den Startlöchern hängen

28.04.1978

HANNOVER (ee) - Mit 23 Millionen Mark (plus 27 Prozent) Umsatz und zehn Prozent Marktanteil hat die Redactron Deutschland Vertriebs-GmbH mit ihren Vertragshändlern "auch 1977 die zweite Position unter den Textverarbeitungsanbietern halten können", trumpfte Redactron Geschäftsführer Wilhelm Schmidt in Hannover auf. Nummer eins bleibt IBM mit 40 Prozent Marktanteil. Obleicht Schmidt versichert, Redactron selbst habe insgesamt Gewinn gemacht, führte er über die Geschäftspraktiken der Mitbewerber bittere Klage. Denn: Die prognostizierten Wachstumsraten der TV werden nicht erreicht. Die vorausgesagte Evolution ist in den Startlöchern hängengeblieben.

Schmidt sieht dafür fünf Gründe:

þBei der Einführung der Textverarbeitung müssen im Gegensatz zu Datenverarbeitung ganze Organisationsstrukturen geändert werden. Es sind nahezu alle Abteilungen in den Verwaltungen, von den mit der Einführung der Textverarbeitung veränderten Kommunikationsabläufen betroffen.

þHersteller und Vertriebsorganisationen profilieren sich im gegenseitigen Unterbieten von Hardwarepreisen, anstatt dem Anwender einschlägige Hilfeleistung durch Analysen Programmierung und Schulung zu bieten.

þIn immer kürzerem Zyklus werden neue Techniken angeboten, ohne daß Anwender und Hersteller die vorangegangenen Technologien und die dazugehörige Software fest im Griff haben.

þGewerkschaften befürchten eine Zunahme der Arbeitslosigkeit durch die Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen in den Verwaltungen. Betriebsräte und Gewerkschaften schicken sich an, den technischen Fortschritt zu behindern.

þNeue Produkte werden konzeptlos entwickelt. Entscheidende Voraussetzungen, wie die Kompatibilität der Datenträger innerhalb der eigenen Produktgruppen und Kompatibilität zu anderen, zur Verwaltungsrationalisierung eingesetzten technischen Geräten werden nicht erkannt oder einfach irnoriert.

Aus Redactrons Sicht "müssen unabdingbar folgende Voraussetzungen geschaffen" werden, die zur Lösung dieser Probleme und damit schließlich zur Öffnung des Textverarbeitungsmarktes führen:

- Eine umfangreiche Hilfestellung durch Schulung aller von der Einführung der Textverarbeitung betroffenen Mitarbeiter bis zur gänzlichen Umschulung auf neue Anforderungsprofile muß stattfinden.

- Die umfassende organisatorische Beratung und Hilfestellung bei den innerbetrieblichen Umstellungen.

- Die Zurverfügungstellung einer ausgewogenen, applikationsbezogenen Betriebs- und Anwendersoftware.

-Das Anbieten von technischen Geräten,

þdie in einem vernünftigen Preis - Leistungs - Verhältnis - liegen müssen,

þdie zu bereits installierten Geräten datenträgerkompatibel sind,

o die über Dateträger- und Schnittstellenkopatibilität in den Informationsaustausch mit anderen Maschinen treten können,

þda die von Bedienungskräften mit durchschnittlichem Horizont einwandfrei beherrscht werden können und

þden Anforderungen an die Humanität des Arbeitsplatzes weitestgehend erfüllen.