Red Hat will langweilig werden

05.10.2005
Linux-Company setzt selbstbewußt auf 64 Bit und Multicore-Prozessoren.

Bisher hatte Red-Hat-Chef Matthew Szulik den Ruf, immer für einige vollmundige Sprüche gut zu sein. Doch nach wiederholten guten Geschäftsergebnissen zeigt er sich jetzt gelassen: "Wir versuchen, so langweilig wie möglich zu sein." Es gebe keinen Grund mehr für einen emotional geführten "Anti-Microsoft-Kreuzzug". Die Open-Source-Community bestehe aus "brillanten Frauen und Männern, die schlicht bessere Software verwenden wollen".

Das zunehmende Selbstbewusstsein einer gereiften Community, die anerkannte Software entwickelt hat, bringt Szulik auf den Punkt: "Im Wettbewerb mit Microsoft geht es darum, wer die besseren Produkte anbietet." Das ist bemerkenswerterweise exakt die Position, die inzwischen führende Microsoft-Manager umgekehrt in Hinblick auf Open Source einnehmen. Open Source ist in den Augen von Szulik die treibende Kraft in der IT-Industrie: "Das Erstarken der Community setzt die Hersteller von Closed-Source-Software, aber auch Hardwarehersteller wie Intel, unter Druck, innovativ zu sein."

Linux habe eine solch starke Position erreicht, dass es nicht mehr wegzudenken sei. Es habe sich etabliert neben Unix, Windows und Mainframe-Betriebssystemen. Daher sei alles wichtig, was Koexistenz möglich mache. Szulik: "Die Zukunft dreht sich um herstellerneutrale Standards, nicht um herstellerdominierte." Es müsse sich noch zeigen, wie bereit andere Player am Markt seien, zur Interoperabilität der Systeme beizutragen.

Was wichtig wird

Szulik sieht sein Unternehmen gut aufgestellt. Wichtig seien für Red Hat in technischer Hinsicht vor allem 64-Bit-Computing, Virtualisierung, Multi-Core-Prozessoren, High-Performance-Computing und Hochverfügbarkeit. Unter geschäftlichen Aspekten zeige die wirtschaftliche Entwicklung seines Unternehmens, wie wichtig den Anwendern Services seien, die ihnen das Management von großen Linux-Umgebungen erleichtern. Derzeit zeichne sich eine zunehmende Nachfrage nach Services für Linux-Desktops ab. "In einem Jahr", wettet Szulik, "reden wir anders über die Clients."

Die Anbieter im Linux-Umfeld müssten sich gleichwohl Gedanken über ihre Preispolitik machen. "Multi-Core-Prozessoren und Virtualisierung werden die Lizenzmodelle ändern", sagt Szulik voraus und gesteht sogleich, nicht zu wissen, wie die künftigen Abrechnungssysteme aussehen könnten: "Wir betreten Neuland. Ich habe bis jetzt keine Vorstellung."

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor seien Patente. "Es wird gefährlich, wenn alles patentierbar wird", warnt der Red-Hat-Chef. "Das blockiert Innovationen." Szulik erinnert daran, dass einst seine alte Lieblingsband Grateful Death, die Fans sogar auf- gefordert habe, mit Recordern ihre Live-Auftritte mitzuschneiden. Daraus schließt er: "Wir brauchen neue ökonomische Modelle."

Angesicht der grundsätzlich ungelösten Fragen steht Szulik den Patentgeschenken von IBM, Sun und anderen Firmen an die Open-Source-Community verhalten skeptisch gegenüber. Dahinter stecke viel Marketing. "Aber Patentgeschenke sind ein Schritt - und vor fünf Jahren wären die noch gänzlich undenkbar gewesen."

Anwendererfahrung wirkt

Trotz Unsicherheitsfaktoren sieht Szulik optimistisch in die Zukunft. Neukunden von Red Hat brächten zum Teil erhebliche ältere Erfahrungen mit Linux mit. Gegenüber diesen Erfahrungen liefen selbst aufwändige Kampagnen wie "Get the Facts" von Microsoft mit ihren gekauften Analysen ins Leere. Und der größte Teil der IT-Budgets der Anwender gehe für Micro- soft-Umgebungen drauf. "Wenn diese Kunden weiter auf die Kosten achten müssen, werden sie sich zuerst ihren größten Kostenblock vornehmen." Knappe Kassen sind Wasser auf die Mühlen der Anbieter im Linux-Umfeld. (ls)