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Red Hat: Neues Linux-Lizenzmodell durch die Hintertür

12.11.2003
Die Tage des kostenlosen Kopierens von Linux sind gezählt - zumindest für Red-Hat-Kunden, die auf Support angewiesen sind.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Linux mag ein kostenloses Betriebssystem sein, aber die Tage des Kopierens einer gekauften Distribution auf beliebig viele Rechner sind für Red-Hat-Kunden gezählt - wenn sie Support benötigen. Denn der Anbieter hat die Entwicklung seiner "kleinen" Distribution "Linux 9" eingestellt und wird diese nur noch bis Ende April 2004 unterstützen. Wer danach ein Paket mit Support benötigt, muss auf "Enterprise Linux" umsteigen, Privatanwender und Nutzer, die keine Unterstützung benötigen, verweist der Hersteller an das von Red Hat initiierte Open-Source-Projekt Fedora (Computerwoche online berichtete).

Für die Enterprise-Version gelten jedoch andere Support-Bedingungen, die nach der Auffassung von Kritikern im Widerspruch zu den Bedingungen der GPL (GNU General Public License) stehen. Um nämlich in den Genuss von Updates und Patches zu kommen, zahlen Nutzer im Rahmen des "Red Hat Networks" eine jährliche Gebühr. Außerdem verbietet die Red-Hat-Network-Lizenz die Installation der Enterprise-Linux-Version auf mehreren Servern und räumt dem Anbieter das Recht auf Software-Audits bis zu einem Jahr nach Ablauf der Lizenzvereinbarung ein. Linux an sich steht jedoch unter der GPL, die Anwendern die freie Verwendung des Systems zusagt.

Mehr als nur etwas Unzufriedenheit mit dem Lizenzmodell von Red Hat habe sich in der Linux-Community ausgebreitet, sagte Dan Kusnetzky, Analyst bei IDC. Das sei nicht verwunderlich, angesichts der Tatsache, dass ein einmalig erworbenes Linux-9-Paket auf beliebig vielen Rechner installiert werden durfte und für jeden dieser Rechner Ereignis-abhängiger Support in Anspruch genommen werden konnte.

Es sei merkwürdig, dass das innovativste Betriebssystem mit einem miesen Geschäftsmodell aus den 70er-Jahren vermarktet wird, sagte George Johnson, CTO (Chief Technology Officer) bei Threshold Digital Research Labs. Im Vergleich zum Lizenzmodell von Mainframes sei das Red-Hat-Modell schwerfällig und nicht auf die Bedürfnisse von Unternehmen zugeschnitten, die ihre Ressourcen breit skalieren, so Johnson, dessen Unternehmen auf Linux-basierenden Systemen digitale Animationen erstellt. Vor allem Anwender, die Cluster betreiben, könnten mit einer Lizenzgebühr pro Rechner wenig anfangen. Diese rangiert bei Red Hat wischen 180 und 18.000 Dollar.

Das Lawrence Livermore National Laboratory bezeichnete das neue Modell als "entmutigend". "Der Basispreis für Enterprise Linux 9 liegt bei knapp 180 Dollar pro Server. Wir betreiben 4000 Nodes und müssen folglich rund 800.000 Dollar an Lizenzgebühren zahlen", rechnet Robin Goldstone, Leiter der Production Linux Group des Labors, vor. Im Basispaket sei jedoch kein technischer Support enthalten. Um Sicherheitsupdates und Fehlerbereinigungen zu erhalten, die im Kauf des kleinen Linux 9 enthalten waren, würden weit höhere Gebühren fällig.

Aber nicht nur die höheren Support-Kosten rufen Ärger hervor. Auch die Bindung eines Betriebssystem-Pakets an einen Rechner sorgt für Unmut, weiß Pete Beckman, Entwicklungschef des TeraGrid-Projekts bei den Argonne National Labs. Schließlich sehe die GPL die freie Verbreitung von Linux vor. Das Kopierverbot beziehe sich jedoch nicht auf das Betriebssystem selbst, sondern auf den Service, den Kunden mit dem Kauf einer Distribution erhalten, entgegnet Bryan Sims, Vice President bei Red Hat.

Ein ähnliches Lizenzmodell bietet die vergangene Woche von Novell übernommene Suse Linux AG mit ihren Enterprise-Produkten an(Computerwoche online berichtete). Die Hersteller favorisierten solche Lizenzmodelle, weil sie Profit versprechen, so IDC-Analyst Kusnetzky. Fraglich sei jedoch, ob die Community, von der die Linux-Entwicklung abhängig sei, auf Dauer mitziehe. Gerade für moderne IT-Umgebungen wie Cluster oder Grids seien Node-gebundene Abrechnungsmodelle nicht geeignet. (lex)