Neue Rechtsprechung zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (III):

Rechtsfolgen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung

06.06.1980

Von Dr. Christoph Zahrnt* In der COMPUTERWOCHE 21 vom 23. 5. 1980, Seite 3, ist die neue Rechtsprechung zur Frage besprochen worden, wann gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, die der Erlaubnis bedarf. Welche Rechtsfolgen ergeben sich bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung?

Verleiher (Softwarehaus) und Entleiher werden sich wundern: Beide Verträge (Softwarehaus-Mitarbeiter und Softwarehaus-Entleiher) sind gemäß ° 9 AÜG unwirksam. Der überlassene Arbeitnehmer gilt plötzlich als Mitarbeiter des Entleihers (° 10 AÜG). In dem Fall, den das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden hatte (Urteil vom 8. 11. 1978 - 5 AZR 261/77), nutzte ein Mitarbeiter das aus: Er wollte lieber Wachtmann bei der Deutschen Bundesbahn sein. Das Bundesarbeitsgericht gab ihm Recht: "Das Zustandekommen eines solchen Arbeitsverhältnisses ist die vom Gesetzgeber gewollte Sanktion für das gesetzwidrige Verhalten der Beteiligten. Dafür trifft auch die Bundesbahn als Entleiher eine Verantwortung. Sie hätte wissen müssen, daß Gegenstand des Rahmenvertrags eine Arbeitnehmerüberlassung war. Sie hätte deshalb vom Verleiher eine Erklärung darüber verlangen müssen, daß der Verleiher im Besitz der . . . erforderlichen Erlaubnis ist." Dies gelte auch dann, "wenn sich die Entleiherin über die Erlaubnispflicht geirrt haben sollte. Ein solcher Irrtum könnte ihr nicht helfen. Das Zustandekommen eines fingierten Arbeitsvertrages ist nicht vom Verschulden des Entleihers abhängig. ° 10 AÜG ist eine Schutzvorschrift zugunsten des betroffenen Arbeitnehmers, die immer dann eingreift, wenn objektiv unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung betrieben wird. "

Rechtsfolgen für den Entleiher

Den Entleiher treffen also sämtliche Arbeitgeberpflichten. Darauf kann sich aber nicht nur der Mitarbeiter berufen, sondern auch jeder Dritte. Denn es handelt sich ja um einen ganz normalen neuen Mitarbeiter.

So kann das Finanzamt sich an den Entleiher halten, wenn dieser die Lohnsteuer nicht einbehalten und abgeführt hat (Quellenabzugsverfahren). Ist dies durch das Softwarehaus geschehen, braucht der Entleiher allerdings nicht ein zweites Mal zu zahlen. Das braucht aber nicht nur aus Verschulden des Softwarehauses unterlassen worden sein, sondern kann auch ganz korrekt geschehen sein; nämlich in dem Fall, daß das Softwarehaus im Ausland sitzt und also gar nichts abzuführen brauchte. Dann muß der neue Arbeitgeber zusätzlich zahlen.

Auch die Berufsgenossenschaft freut sich über den neuen Mitarbeiter ihres Mitglieds, für den Beitrag zu zahlen ist, unter Umständen auch die Krankenkasse.

Der Entleiher kann sich wenigstens etwas auf Kosten des Softwarehauses freuen: Er braucht nämlich dem Softwarehaus für die bisher von seinem (!) Mitarbeiter geleistete Arbeit nicht den vereinbarten Stundensatz zu zahlen (weil der Vertrag mit dem Softwarehaus nichtig ist), sondern nur seinem (!) Mitarbeiter das, was er selber einem solchen Mitarbeiter zahlen würde (° 10 Abs. 1 Satz 4 AÜG).

Rechtsfolgen für das Softwarehaus

Der Bundesgerichtshof hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der Verleiher die zur Verfügung gestellten Mitarbeiter bezahlt hatte und nun Wertersatz für die von diesen geleisteten Dienste verlangte; dabei verstand er unter Wertersatz den mit dem Entleiher vereinbarten Stundensatz, den dieser auch sonst auf dem Markt für Leiharbeiter zu zahlen gehabt hätte. (Urteil vom 8. 11. 1979 - VII - ZK 337/ 78). Der Bundesgerichtshof lehnte einen Bereicherungsanspruch nach ° 812 BGB (der Entleiher ist um diese Dienste bereichert) hier gemäß ° 817 Satz 2 BGB ab, weil der Verleiher bewußt gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe. (Hätte der Entleiher das Verbot nicht gekannt, wäre der Bereicherungsanspruch gegeben. ) Der Bundesgerichtshof anerkannte aber einen Bereicherungsanspruch in Höhe der Löhne und der sonstigen Abgaben, die der Verleiher gezahlt hatte, gemäß

°° 267, 812 BGB. Denn insofern habe der Verleiher die Verpflichtung des Entleihers aus dem fingierten Arbeitsverhältnis erfüllt, diese seine Mitarbeiter zu entlohnen. So sachgerecht das Ergebnis sein dürfte, so große rechtsdogmatische Schwierigkeiten hatte der Bundesgerichtshof zu umschiffen.

1. Schwierigkeit:

"a) Wird eine Leistung gemäß ° 267 BGB von einem Dritten (dem Verleiher) bewirkt und dadurch die Schuld erfüllt, ist der Schuldner (der Entleiher) dem Dritten gemäß ° 812 Abs. 1 BGB zum bereicherungsrechtlichen Ausgleich verpflichtet. Grundsätzlich muß der Dritte aber den Willen haben, die fremde Schuld zu tilgen und das auch zum Ausdruck bringen, sonst tritt die Erfüllungswirkung nicht ein." Und gerade dieser Wille fehlt hier: Der Verleiher wollte seinem Mitarbeiter den diesem geschuldeten Lohn zahlen. "Inwieweit ein Dritter, der in der irrigen Meinung geleistet hat, er selbst sei der Schuldner, nachträglich seine Leistung als Erfüllung der Verpflichtung des wirksamen Schuldners ,gelten lassen' kann, braucht nicht näher erörtert zu werden. Denn auf eine Tilgungsbestimmung des Dritten kommt es dann nicht an, wenn die Schuld durch die Leistung des Dritten ohnedies getilgt wird oder zumindest eine der Erfüllung gleichkommende Wirkung eintritt, weil der Dritte seine Leistung vom Gläubiger nicht zurückverlangen und dieser sie nicht noch einmal vom wahren Schuldner fordern kann.

b) So ist es hier. Die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer in ° 10 Abs. 1 AÜG ist allein im Interesse des Leiharbeitnehmers geschaffen worden. Dieser Sicherungszweck würde verfehlt, wenn der Leiharbeitnehmer bei Nichtigkeit seines Vertrages mit dem Verleiher gemäß ° 9 Nr. 1 AÜG Bereicherungsansprüche des Verleihers auf Rückerstattung bereits gezahlter Löhne ausgesetzt wäre. Dann würde er schlechter stehen als er ohne das fingierte Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher stünde. Denn ohne diese Fiktion wäre seine Beziehung zum Verleiher nach anerkannten Regeln des Arbeitsrechts als sogenanntes "faktisches Arbeitsverhältnis" zu behandeln. Das hätte zur Folge, daß bezahlter Lohn für geleistete Arbeit nicht mehr, jedenfalls nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung, zurückverlangt werden könnte. Wenn die Rechtsstellung des Leiharbeitnehmers verstärkt werden sollte, kann ihm der den Arbeitnehmern bei faktischen Arbeitsverhältnissen auch sonst gewährte Schutz nicht genommen sein. Andererseits sollte ihm nicht etwa die doppelte Vergütung zugute kommen, einmal vom Verleiher und nochmals vom Entleiher." Die rechtlich naheliegende Lösung läge darin, daß der Arbeitnehmer den erhaltenen Lohn dem Verleiher zurückerstattet und ihn von seinem Schuldner, dem Entleiher, noch einmal erhält. Aber der BGH möchte ihm diese Umständlichkeit nicht zumuten. Dazu muß er ihm das Recht zu dieser Form der Abwicklung erst einmal absprechen: "° 10 Abs. 1 AÜG verknüpft vielmehr das fingierte Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer mit dem nichtigen Rechtsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer. Das kommt insbesondere in Satz 5 zum Ausdruck, in dem bestimmt ist, daß der Leiharbeitnehmer gegen den Entleiher mindestens Anspruch auf das mit dem Verleiher vereinbarte Arbeitsentgelt hat.

Dann muß das auch für das Softwarehaus gelten

Nach dem mit ° 10 Abs 1 AÜG verfolgten Schutzzweck ist die in dieser Vorschrift getroffene Regelung infolgedessen dahin zu verstehen, daß der Leiharbeitnehmer vom Verleiher empfangenen Lohn zwar stets behalten darf, in dieser Höhe aber auch nichts vom Entleiher verlangen kann. Dieser wird durch die Zahlungen des Verleihers entlastet. In Höhe des gezahlten Arbeitsentgelts erlischt jeweils die Schuld des Entleihers, der damit auf Kosten des Verleihers ungerechtfertigt bereichert ist, ohne daß es auf die Willensrichtung des Verleihers ankommt. Die Tilgungsbestimmung ergibt sich hier der Natur der Sache nach aus der Zahlung des Lohnes selbst. Für den Lohnarbeitnehmer ist es nicht entscheidend, von wem er letztlich das Entgelt für die von ihm geleistete Arbeit erhält, wenn er nur den Lohn, der ihm ausbezahlt worden ist, behalten darf. Davon, daß ihm ausbezahlter Lohn nicht wieder genommen werden kann, geht er allerdings aus und darf das auch annehmen."

2. Schwierigkeit:

Wenn der auf vollen Wertersatz gehende Bereicherungsanspruch an ° 817 Satz 2 BGB scheiterte, müßte des auch dieser eingeschränkte Bereicherungsanspruch tun. Der BGH nahm des hier nicht an:

"a) Die Klägerin hat mit der Zahlung des Arbeitsentgelts an die Leiharbeitnehmer die gesetzlichen Verbindlichkeiten der Beklagten aus den fingierten Arbeitsverträgen mit den Leiharbeitnehmern erfüllt. Damit hat sie weder gegen ein gesetzliches Verbot noch gegen die guten Sitten verstoßen, sondern im Gegenteil dem Gesetz Genüge getan, soweit es eine Sonderregelung bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung getroffen hat. Die Zahlung des Arbeitsentgelts an die Leiharbeitnehmer in diesen Fällen wird vom Gesetz nicht mißbilligt, wer immer die Zahlung bewirkt. Wenn der Sinn der Regelung des ° 10 Abs. 1 AÜG ist, die Arbeitnehmer weitgehend zu schützen und zu sichern, so gehört dazu auch, daß sie unangefochten in den Genuß des ihnen zustehenden Arbeitsentgelts kommen sollen.

b) Der Bundesgerichtshof legt den als Ausnahmevorschrift verstandenen ° 817 Satz 2 BGB seit langem einschränkend aus und lehnt seine ausdehnende Anwendung ab. Die dem Zivilrecht an sich fremde Regelung, die nicht selten zu unbilligen Ergebnissen führen kann, muß in den von ihrem Zweck her bestimmten engen Grenzen gehalten werden. Der Senat hat deshalb das Rückforderungsverbot des ° 817 Satz 2 BGB nur auf das bezogen, was aus den vom Gesetz mißbilligten Vorgängen geschuldet wird. Dagegen bleiben Bereicherungsansprüche unberührt, die sich aus nicht zu beanstandenden Leistungen ergeben, selbst wenn sie demselben tatsächlichen Verhältnis entstammen.

c) Ähnlich ist es hier. Gesetzlich mißbilligt wird nur die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung, die ohne die dafür vorgeschriebene Erlaubnis betrieben wird. Dagegen soll es niemandem verwehrt sein, auch dem Verleiher nicht, die Leiharbeitnehmer für die von ihnen geleistete Arbeit zu entlohnen. Daß dem Verleiher bei Unwirksamkeit seiner Verträge mit dem Entleiher und den Leiharbeitnehmern gemäß ° 9 Nr. 1 AÜG jeglicher Ersatzanspruch gegen den Entleiher versagt sein soll, läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Deshalb kommt es auch keiner Umgehung erlaubnispflichtiger Arbeitnehmerüberlassung gleich, wie das Berufungsgericht meint, wenn auf den aus den °° 267, 812 BGB hergeleiteten Bereicherungsanspruch auf Ersatz der für die Arbeiter gezahlten Löhne und sonstige Abgaben ° 817 Satz 2 BGB nicht angewendet wird. Ebensowenig gebietet es ° 16 Abs. 1 Nr. 1 AÜG, wonach vorsätzliche oder fahrlässige Überlassung eines Leiharbeitnehmers ohne Erlaubnis als Ordnungswidrigkeit geahndet wird, dem Verleiher einen Bereicherungsanspruch, wie der hier in Frage steht, zu versagen.

Es genügt, wenn gegen den Verleiher wegen der von ihm begangenen Ordnungswidrigkeit eine Geldbuße verhängt wird und er aus der verbotenen Arbeitnehmerüberlassung keinen Gewinn ziehen kann, weil er wegen der Nichtigkeit des Vertrags mit dem Entleiher von diesem nicht die vereinbarte Vergütung und auch keinen Wertersatz für die von den zur Verfügung gestellten Arbeitern geleisteten Dienste verlangen kann." So weit das Urteil des BGH.

Damit ist schon des nächste Risiko des Softwarehauses angesprochen: Die Geldbuße, die bis zu DM 30 000, betragen kann.

Man kann dem Softwarehaus nur empfehlen, sich eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu besorgen. Eines tut diese allerdings nicht: Sie erlaubt nicht die Überlassung eines bestimmten Mitarbeiters an einen bestimmten Auftraggeber länger als drei Monate hintereinander (danach bedarf es einer Unterbrechung).

*Dr. Christoph Zahrnt ist Rechtsanwalt in Neckargemünd.

_AU: Christoph Zahrnt