Vollstreckbarer Titel ohne Gerichtsverfahren

Rechte des Chefs bei Unterschlagung im Job

22.09.2011
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Ein notarielles Schuldanerkenntnis bei zuvor eingeräumter Straftat am Arbeitsplatz reicht aus, um einen vollstreckbaren Titel zu erwirken.

Das Bundesarbeitsgericht hat kürzlich die Möglichkeiten des Arbeitgebers, im Rahmen eines notariellen Schuldanerkenntnisses bei Diebstahl, Betrug und Unterschlagung gegen den Arbeitnehmer einen vollstreckbaren Titel ohne ein Gerichtsverfahren zu erwirken, gestärkt.

Darauf verweist die Berliner Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Alexandra Henkel, MM. Mitglied im VdAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 22.07.2010 - 8 AZR 144/09.

Der Fall

Der Kläger war als Verkäufer in einem Getränkemarkt beschäftigt. Dem Arbeitgeber fielen mit der Zeit erhebliche Differenzen zwischen Pfandgeldauszahlung und dem tatsächlichen Leergutbestand auf. Durch die Installation einer verdeckten Videokamera wurde der Arbeitnehmer der Unterschlagung überführt.

Nach Auswertung der Aufzeichnungen kam heraus, dass der betreffende Arbeitnehmer nicht existierendes Leergut gebucht und die entsprechenden Pfandbeträge aus der Kasse genommen hat. Der Arbeitnehmer räumte bei der Anhörung die Unterschlagungshandlungen ein und erklärte, dass er tageweise bis zu 600 Euro entnommen habe, sodass in den vier Jahren seiner Tätigkeit ein Gesamtschaden von mindestens 110.000 Euro entstanden ist.

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Am Tag der Anhörung unterzeichnete der Kläger vor einem Notar ein vorformuliertes Schuldanerkenntnis wegen der vorsätzlich unerlaubten Handlung in dieser Höhe. Das notarielle Schuldanerkenntnis ließ der Kläger anfechten und verlangte klageweise die Urkunde wegen Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts heraus.

Das Urteil

Das BAG wies die Klage mit der Begründung ab, dass ein Zahlungsanspruch des Arbeitgebers aus dem notariellen Schuldanerkenntnis folgt. Da das Schuldanerkenntnis eine schon bestehende Schuld lediglich bestätigt und der Sinn eines derartigen Schuldanerkenntnisses vor allem darin besteht, das Schuldverhältnis in den geregelten Punkten dem Streit bzw. der Unwissenheit der Parteien zu entziehen, ist der Kläger mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die er bei Abgabe des Schuldanerkenntnisses kannte oder mit denen er zumindest rechnete.