Rechnungswesen per EDV - revisionssicher?

27.03.1975

Diplomkaufmann Holger Lamb, Hamburg, ist Spezialist für Fragen der Ordnungsmäßigkeit bei EDV-orientiertem Rechnungswesen

Mit dem Vormarsch der EDV in die Bereiche der Rechnungslegung und der betriebswirtschaftlichen Informationen hat die Revision stetig an Bedeutung gewonnen. Gleichermaßen haben in der Praxis die Wirtschaftsprüfer, die interne Revision und auch die Betriebsprüfung erfahren müssen, daß herkömmliche Revisionsverfahren - wie der stichprobenweise Nachvollzug von Geschäftsvorfällen - angesichts gewandelter Verarbeitungsformen versagten. Die Diskrepanz zwischen Prüfungsanspruch und der Unsicherheit, wie die Forderung der Ordnungsmäßigkeit bei maschinellen Abrechnungssystemen zu definieren sei, wuchs noch mit der fortschreitenden Entwicklung im Bereich der Abrechnungsysteme. Als Folge war bei den Revisoren vielfach ein "Haken um den Computer herum" zu beobachten - die Aussage "Mehr geglaubt als geprüft", mit dem DER SPIEGEL den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer attackiert, steht unwidersprochen im Raum.

In den EDV-Abteilungen war bisher die Revisionsfähigkeit von Programmen und Abläufen kaum ein Kriterium der Leistungsfähigkeit. Die Funktion der Programme, das heißt der im Test erbrachte Nachweis der richtigen Verarbeitung aller Daten, stand eindeutig im Vordergrund. Formelle Gesichtspunkte wie die Forderung, daß ein sachverständiger Dritter jederzeit alle Verarbeitungsfunktionen schlüssig und mit angemessenem Aufwand nachprüfen können muß, wurden überwiegend unter dem Aspekt der Programmpflege selbst gesehen. Und selbst dort, wo die Notwendigkeit der (als lästig empfundenen) Dokumentation als Forderung des EDV-Managements im Raum stand, wurde sie oft unter der Ausrede ständig Termindrucks oder aus einem vermeintlichen Gegensatz zur Forderung nach wirtschaftlicher Programmerstellung umgangen.

Es ist daher nicht verwunderlich, daß der Prüfer in vielen Unternehmen Abrechnungssystemen gegenübersteht, bei denen sich auch der sachverständige Dritte in erster Linie mit der Frage nach der wirtschaftlichen Vertretbarkeit des zum Nachweis der richtigen Verarbeitung notwendigen Prüfungsaufwandes konfrontiert sieht.

Sowohl den Vertretern der prüfenden Berufe als auch den EDV-Spezialisten muß heute zugute gehalten werden, daß die Bereitschaft zum Oberdenken ihrer eigenen Arbeitsweisen und -methoden sowie Ausbildungsanstrengungen im Gebiete der jeweils anderen Disziplin zu ersten Erfolgen geführt haben.

Mit der Festlegung auf die organisationsbegleitende Systemprüfung, der gemeinsamen Betrachtung von EDV-System, internem Kontrollsystem und Programmen als der EDV-adäquaten Prüfungsweise, hat der Fachausschuß für moderne Abrechnungssysteme (FAMA) in seiner Stellungnahme 1/74 für die Wirtschaftsprüfer eine standesrechtliche verbindliche Empfehlung gegeben. Diese Stellungnahme ist unter drei

Gesichtspunkten beachtenswert:

- Sie gibt den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften einen Rahmen für die Ausbildung ihrer Prüfer im Bereich der EDV.

- Analytiker in der EDV erhalten damit erstmals präzise Anforderungen der externen Prüfer für die Konzeption von Systemen.

- Durch die Aussage, daß ein internes Kontrollsystem erst durch Mitwirkung der internen Revision bei Systementwürfen als gegeben angesehen werden kann, wird die Tätigkeit der internen Prüfer in eine Richtung gelenkt, die in dieser Konsequenz in vielen Firmen noch nicht üblich ist.

Im Bereich der EDV hat - oftmals unter der Erfahrung (durch ein ernüchtertes Management) beschnittener Budgets - eine gesunde Skepsis gegenüber den eigenen Organisationsformen und Arbeitsweisen eingesetzt. Die Entwicklung neuer methodischer Ansätze für die Software-Entwicklung - von arbeitsbegleitenden Dokumentationsmitteln über die Schaffung arbeitsteiliger Organisationsstrukturen bis zur Festlegung und Durchsetzung von Standards - zielen meist auf eine Anhebung der Wirtschaftlichkeit. Tendenziell begünstigen solche Maßnahmen aber auch das Moment der Prüfbarkeit. Schließlich vermag eine vollständige, nach einheitlichen Richtlinien aufgestellte Dokumentation nicht nur einem sachverständigen (wenn vielleicht auch "sprachunkundigen") Dritten die Prüfung auf materielle und formelle Ansprüche zu ermöglichen, sie ist auch Voraussetzung für die Kontinuität des Systems selbst. Die Neuorientierung und Anpassung der prüfenden Berufe in Richtung auf eine inhaltlich veränderte Aufgabenstellung und das wachsende Verständnis in der EDV für die Belange der Ordnungsmäßigkeit werden beiden Gruppen helfen, eine gemeinsame Aufgabe - die der Servicefunktion gegenüber dem Unternehmen - effektiver als bisher wahrzunehmen. Eine steigende Bereitschaft in der EDV, sich einer Revision zu unterziehen, ist heute eindeutig festzustellen. Wenn Prüfungen nicht mehr unter Abrechnungsgesichtspunkten, sondern unter dem Vorzeichen interdisziplinär erarbeiteter Kurskorrekturen gesehen werden können, wird dies auch zu einem Abbau von Unbehagen in den Unternehmen gegenüber EDV und Revision führen.