EDV-Einführung dauert bei der Post-Krankenkasse mehr als zehn Jahre

Rechnungshof bemängelt Umstellungspraxis

16.01.1987

Daß die Umstellung eingefahrener Arbeitsabläufe auf EDV meist länger dauert als der Vertreter des Computer-Herstellers versprochen hat, und daß dies dann häufig auch mehr kostet als geplant, hat sich weitgehend herumgesprochen. Doch daß es mehr als zehn Jahre dauern kann, eine Krankenkasse auf moderne Datentechnik umzustellen, und daß die Sache selbst dann noch nicht richtig funktioniert: dies vorzuführen blieb der Bundespost vorbehalten.

Die Post unterhält neben vielen Postämtern und geschlossenen Schaltern auch eine eigene "Bundespostbetriebskrankenkasse". Hier kann man seit nunmehr zwölf Jahren mit wachsender Spannung beobachten, wie diese Behörde schrittweise auf EDV umgestellt werden soll. Mit, wie erst kürzlich der Bundesrechnungshof monierte, seither insgesamt 25 Millionen Mark Aufwand und mit dem Ergebnis, daß nicht nur der avisierte Fertigstellungs-Termin per Ende 1983 längst verstrichen ist. Sondern daß, wie die kritischen Prüfer aus Frankfurt monieren, die bisher ausgegebenen Gelder auch noch "in keinem angemessenen Verhältnis zum bisher erreichten Nutzen stehen."

Niemand hat den Postlern wohl dieses Desaster prophezeit, als sie 1974 begannen, sämtliche Arbeitsbereiche ihrer stolzen, eigenen Krankenkasse auf EDV umzustellen. Denn damals schien es doch überhaupt keine Frage, daß man künftig mit Hilfe moderner Computer, wie der Rechnungshof rekapituliert, "die Arbeitsabläufe zweckmäßiger gestalten sowie Verwaltungskosten einsparen" könne. Bei der Post meinte man damals, als erstes werde es wohl gelingen - und dies sei ja auch besonders dringlich - "das gesamte Leistungswesen auf DV umzustellen".

Leistungswesen auf DV immer noch ein Traum

Heute hingegen, nach einem Dutzend Jahren, sieht die Post die Möglichkeiten der DV noch wesentlich nüchterner: Denn die "vorrangig" geplante Umstellung "des gesamten Leistungswesens auf DV" ist immer noch nicht mehr als ein schöner Traum. Und von den Arbeitsbereichen Leistungs-, Versicherungs-, Beitrags- und Ersatzleistungswesen sowie Buchhaltung ist es bisher auch bloß gelungen, auf dem Rechner die Mitgliederbestandsführung, das Datenerfassungs- und das Datenübermittlungsverfahren, zum Teil den Beitragseinzug für Rentner und schließlich noch die Leistungs-Statistik zum Laufen zu bringen.

Ist dies für zwölf volle Jahre emsigen Tuns an sich schon eine niederschmetternde Bilanz, so wird das Bild noch düsterer, hört man sich bei den Rechnungsprüfern um, was denn außerdem so alles danebengegangen sei. Denn dann erfährt man, daß es die wackeren Postler bis heute immer noch nicht geschafft haben, für "Dialogverfügbarkeit" zu sorgen, also "die sofortige Auswertung der vom Anwender eingegebenen Daten sicherzustellen". Und mehr noch: Selbst 1984 kam es noch so häufig zu Betriebsstörungen und in der Folge zu Computer-Ausfall-Zeiten, daß dadurch "die Aufgabenerledigung wesentlich eingeschränkt" wurde. Mehr als 40 Jahre "nach Konrad Zuse" mußten Teilaufgaben immer wieder mal - und dann natürlich mit "erhöhtem Arbeitsaufwand" - manuell erledigt werden. In den Büchern der Post schlägt sich dies laut Rechnungshof so nieder: "Die bisher erreichte (!) Umstellung hat noch nicht zu Einsparungen an Personalkosten geführt."

Doch es kommt noch dicker für die öffentliche Monopol-Anstalt, die die Kosten derartiger Mißstände am Ende "ganz einfach" auf die Telephongebühren ihrer Zwangs-Kunden abwälzen kann. Allein "bei der Beschaffung und beim Einsatz" der Post-Computer notierten die behördlichen Kontrolleure unter anderem, daß zwar für annähernd eine halbe Million Mark Bildschirm-Arbeitstische eingekauft worden sind, jene dann aber keineswegs, wie es an sich geplant war und wohl auch sinnvoll gewesen wäre, in der Nähe der Arbeitsplätze aufgestellt wurden.

Einen weiteren Streich leistete "Big Yellow" sich im Jahre 1982. Damals wurden voller Optimismus an die 100 zusätzliche Datensichtgeräte und 17 Drucker beschafft, so daß den Post-Krankenkassern fortan 196 Terminals und 53 Drucker zur Verfügung standen. Doch während diese 1982er-Beschaffung dem Lieferanten prompt eine jährliche Mietzahlung in Höhe von knapp einer halben Million Mark in die Kasse schwemmte, zeigte sich bald, daß mit dem teuren Maschinenpark eigentlich nichts anzufangen war: Denn, so moniert Frankfurt, "wegen fehlender Datenverarbeitungs-Programme" wurden die Geräte zeitweise einfach nicht genutzt.

Abenteuerliche Historie der Post-Krankenkasse

War das 82er-Beschaffungsvorhaben also ganz offensichtlich ein Mißgriff, so war es doch wenigstens nicht der erste in der abenteuerlichen Historie der Post-Krankenkassen-DV. Denn schon zwei Jahre zuvor war es den Postlern durch geschickte Planung gelungen, mit einem Aufwand von "insgesamt rund 1,3 Millionen Mark" 23 Bürorechenanlagen für die Buchhaltung anzuschaffen. Diese Maschinen lösten außerdem jährlich wiederkehrende

Wartungsaufwendungen von 160 000 Mark aus - und dennoch waren sie, leider, fehl am Platze. Denn, so der Rechnungshof: "Diese Ausgaben hätten vermieden werden können," hätte die Post nur überhaupt erstmal "die Buchhaltung auf DV umgestellt".

Im Jahre 1984 wollten die Postler das bestehende, zentrale DV-System "mit dem stufenweisen Einsatz von Subsystemen" weiterentwickeln. Dann aber mußten sie bald schon erkennen, daß Wunsch und Wirklichkeit weit auseinanderklafften. Denn aus welchen Gründen auch immer - Ende 1984 jedenfalls begruben sie still und leise ihre schönen Pläne. Und nahmen nolens volens in Kauf, daß der Aufbau der stolzen Kranken-DV ein weiteres Mal eine spürbare Verzögerung erlitt.

Die hier wiedergegebene, herbe Kritik der Frankfurter Kontrolleure wollte Postminister Schwarz-Schilling nicht einfach auf sich sitzen lassen und trug in einer Stellungnahme daher - unter anderem - vor: Bei gesetzlichen Krankenkassen, wie ja auch die der Post eine sei, gebe es leider eine ganze Reihe erschwerender Umstände, wolle man sie auf DV umstellen. Doch damit fand er keine Resonanz bei seinen Kritikern. Denn, so beschieden die ihm kühl, die neu dargelegten, "erschwerenden Umstände treten nicht nur bei der Bundespostbetriebskrankenkasse auf, sondern sind zum Teil für den gesamten Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung kennzeichnend". Man hätte diese Umstände halt einfach schon "bei der Planung und Durchführung des Vorhabens sachgerecht berücksichtigen" können - und müssen.

Außerdem geben die Kritiker aus Frankfurt dem Minister handfeste Tips, wie das skizzierte Desaster sich wohl doch hätte vermeiden lassen: Er hätte nämlich das ganze Verfahren zwischen Postministerium, Krankenkasse, Posttechnischem Zentralamt und Post-Sozialamt mit "genauen Vorgaben und Prioritäten" abstimmen und dann "unter Einhaltung gesetzter Fristen durchführen" müssen. Denn dann wären die kritisierten Mängel "nicht in einem solchen Umfang aufgetreten", wie Schwarz-Schilling zu lesen bekam.

Als ernste Warnung für jeden, der sich mit dem Gedanken umfangreicherer EDV-Umstellungen trägt, läßt sich hingegen eine Einlassung Schwarz-Schillings verstehen, auf die selbst die Experten des Rechnungshofs nicht direkt zu antworten wußten: Vieles an den Pannen sei nämlich damit zu entschuldigen, so der Tenor der ministeriellen Einlassung, daß das Postler-Vorhaben "im Bemühen um die Verwendung möglichst ausgereifter und technologisch aktueller Einsatzmittel' der "außerordentlich raschen Fortentwicklung im Bereich der elektronischen Verfahren," und zwar hier "insbesondere der Dialogverfahren", ausgesetzt sei. Was in der Konsequenz wohl nichts anderes bedeuten kann als: Finger weg von den laufenden neuen Offerten der wild mit Innovationen um sich werfenden Hersteller.

Qualifiziertes Personal hält sich in Grenzen

Weniger wie eine Kritik an der Industrie und eher wie eine brüske Abqualifizierung der posteigenen Ingenieure und Informatiker hingegen liest sich, was der Minister der Post den Frankfurtern zum Sub-Thema Personalmangel mitzuteilen weiß. Denn, so das Schreiben aus Schwarz-Schillings Ministerium in seiner Wiedergabe durch den Rechnungshof, "die Bemühungen um einsatzfähiges und fachlich qualifiziertes Personal seien im Bereich der Deutschen Bundespost auf Grenzen gestoßen".

Nun mag dahingestellt bleiben, ob die Beamten Schwarz-Schillings diesen Tritt "von oben" verdient haben mögen oder nicht; es scheint dies aber bei aller Kritik am schleppenden Vorwärtskommen wohl doch eher unwahrscheinlich. Denn sicher ist inzwischen schon eines: Die abqualifizierten Krankenkassen-DVer werden unverdrossen weitermachen. Und, in einer weiteren Projektphase das bisher zentrale DV-System nun auf dezentrale Installationen umzustellen versuchen. Wobei die Hoffnungen derzeit dahin gehen, daß diese neuen Arbeiten binnen drei Jahren abgeschlossen sein sollten.

Ob dies wohl gelingen wird? - Die Frankfurter geben sich da eher skeptisch. Und schreiben Schwarz-Schilling ins Stammbuch: Er solle nun doch endlich dafür Sorge tragen, daß das neue Vorhaben "sorgfältig geplant und besonders streng kontrolliert wird". Denn auf diese Weise sollten sich künftig "Fehlentwicklungen und ein überhöhter Kostenaufwand vermeiden" lassen.