Rechnerunterstütztes Berichtswesen im BASF-Forschungslabor: Von Papier und Bleistift zur Bürokommunikation

26.02.1988

LUDWIGSHAFEN (pi) - Forschungsaufgaben im Ammoniaklaboratorium der BASF AG in Ludwigshafen werden von jeher durch sorgfältige Dokumentationen begleitet. Die an den einzelnen Projekten beteiligten Chemiker hielten lange jedes kleinste Detail ihrer Experimente und Ergebnisse zur Projektverfolgung und -dokumentation mit Papier und Schreibstift fest. Seit September 1984 unterstützt ein Bürokommunikationssystem auf einem Minicomputer als Bereichsrechner mit Verbindung zum BASF-Rechenzentrum diese Aufgaben.

Die Arbeitsschwerpunkte des Ammoniaklaboratoriums liegen in der Entwicklung integrierter chemischer Verfahren für die Großprodukte der BASF, wobei die Arbeit an Katalysatoren und in der anorganischen Chemie (Datenträger) breiten Raum einnimmt. Rund 1200 Mitarbeiter und die auf eine Fläche von 750 mal 200 Metern verteilten Gebäude des Ammoniaklaboratoriums stellen besondere organisatorische Ansprüche an die Planung des Computereinsatzes.

Forschung heißt in der Chemie im wesentlichen Stoffumwandlung durch Experimentieren, was im Laborstand und im Technikum vorbereitet und dokumentiert sein will. Rund 120 Chemiker der 1200 Labor-Mitarbeiter sind jeweils für ein oder mehrere Forschungsprojekte verantwortlich, die sie vom Labor, vom Technikum oder vom Schreibbüro aus betreuen. Von diesen drei Stellen aus sollte den Chemikern der Zugang zu den projektbezogenen Informationen, die im Computer gespeichert werden sollten, ermöglicht werden.

Anforderungen an das Computersystem

Bei der Überlegung, neben den Rechnerressourcen im Bereich Analytik und Meßtechnik dem Ammoniaklaboratorium zentrale Computerleistung zur Verfügung zu stellen stand daher im Vordergrund, rund 240 Terminals an einen Computer anschließen zu können. Auf diese Weise würden jedem der 120 Projektleiter ein Schreib- und ein Experimentierterminal zur Verfügung stehen. Der Terminalbestand hat sich inzwischen kontinuierlich auf 350 Bildschirme erhöht, die auch von anderen Mitarbeitern genutzt werden. Früher wurden Archive mit Büchern und Bändern auf der Basis von Notizen auf Zetteln und in Heften aufgebaut, die den Fortgang der Projekte dokumentierten und auch für Stellen außerhalb des Ammoniaklaboratoriums die Einschätzung der wissenschaftlichen und kaufmännischen Aspekte der Experimente ermöglichten. Diese Funktion sollte auch der zu installierende Rechner erfüllen.

Im einzelnen wurden folgende Anforderungen an das Computersystem gestellt:

- 24-Stunden-Betrieb;

- mit wenigen Mitarbeitern betreibbar (es sind in der Praxis nun zwei für den "Maschinenpark" sowie einige, die für die Beratung der Anwender zuständig sind);

- Eignung für Mitarbeiter, die zum größten Teil keine Computerkenntnisse besitzen;

- langfristige Investition - leicht erlernbare, komfortable Software.

Der Schulung am Computer kam schon in der Planungsphase große Bedeutung zu. Der Aufwand für das Training mußte neben den chemischen Ausbildungsberufen noch vertretbar sein. Für die Implementierung des umfangreichen Systems wurde der Einstieg über einen Bereichscomputer festgelegt, der die gewünschte Zahl von Terminals bedienen konnte und schrittweise erweiterbar war.

Installiert wurde 1984 das Superminicomputersystem MV /10 000 von Data General, inzwischen erweitert zum Modell SX. Da nach den Erfahrungswerten des Ammoniaklaboratoriums immer nur rund 60 Personen gleichzeitig vom Terminal auf den Bereichsrechner zugreifen, kam es zum Einsatz eines Terminalkonzentrators (PACX). Er sorgt nicht nur für die Verbindung der 350 Terminals mit dem Superminicomputer, sondern hat auch Umschaltfunktion und erlaubt den Benutzern, von ihrem Arbeitsplatz aus auch auf andere Rechner in der BASF zuzugreifen, für die sie autorisiert sind. Die Rechner sind von verschiedenen Herstellern und unterstreichen die problemorientierte Ausrichtung des Computereinsatzes in der BASF.

Die Anwender melden sich bei dem System an, das von der Hardware oder der Software am besten für ihre Aufgabe geeignet ist. Darunter sind auch mehrere MV-Systeme von Data General, die untereinander über das Netz "Xodiac" verbunden sind. Das BASF-weite Rechnernetz für die herstellerübergreifende Kommunikation mit IBM- oder anderen Systemen wird durch die Nutzung des TCP/IP-Protokolls verwirklicht. Große Hoffnungen setzt man bei der BASF auf das herstellerunabhängige Betriebssystem Unix, das neben AOS/VS auch auf den MV-Systemen verfügbar ist, sowie auf die ISO-Normen für offene Netze (Open System Interconnection - OSI).

Bei der MV/10 000 SX handelt es sich um ein kommerzielles Computersystem des mittleren Leistungsbereichs der Superminicomputer-Familie Eclipse von Data General. Es wurde nach zweiwöchigem Testeinsatz im September 1984 im Ammoniaklaboratorium in Betrieb genommen. Der 32-Bit-Computer ist mit 16 MByte Arbeitsspeicher, rund 2,5 Gigabyte Plattenspeicherkapazität, zwei Magnetbändern und einigen Schnelldruckern konfiguriert. Über den Terminalkonzentrator PACX führen 96 Ausgänge zur MV/ 10 000 SX beziehungsweise anderen Computern. Rund 50 Prozent der Terminals sind mit lokalen Druckern ausgestattet. Unter den 14 verschiedenen Terminaltypen befinden sich knapp 200 grafikfähige Bildschirmarbeitsplätze vom Typ Dasher 460 und 461 sowie Personal Computer mit CEO-Connection-Software.

Das System MV/10 000 SX kann bis zu einem internen Speichervolumen von 32 MByte erweitert werden. Etwa 35 Gigabyte Plattenspeicherkapazität verwaltet der Rechner maximal. Es stehen Compiler und Interpreter für die meisten höheren Programmiersprachen, darunter auch C, Ada, Prolog und Lisp, zur Verfügung.

Die Projektverfolgung sowie die übersichtliche Darstellung der Ergebnisse, die die 120 Akademiker in ihren Projekten bisher erzielt haben,

sind Aufgaben des Schreibbüros des Ammoniaklaboratoriums. Alle Aktivitäten des Bereichs sind genau einem der rund 120 parallel verlaufenden Projekte zuordenbar. Von der Logik her steht für jedes Projekt eine große Schublade zur Verfügung, die noch zahlreiche Ablagen hat. Das Textsystem CEO unterstützt diese Logik und erlaubt den Mitarbeitern, für sich und die Bereichsleitung jederzeit aktuelle Übersichten zu erstellen.

Ziele, Gefahren, Kosten, die Patentsituation und andere Kriterien, die schon für die Projektgenehmigung genannt werden müssen, werden über die gesamte Projektdauer hinweg durch weitere Eingaben aktualisiert. Durch Bildschirmmasken - die der Struktur der abgelegten Dateien entsprechen - unterstützte Abfragen erlauben den gezielten Zugriff auf eine bestimmte Projektinformation. Damit ist jederzeit eine Rechtfertigung des Forschungsprojekts und eine Einschätzung seiner Erfolgsaussichten möglich.

CEO im Ammoniaklaboratorium

Dazu ist jedoch auch erforderlich daß alle Projektleiter "CEO-fähig" sind. Das umfassende Büroautomationssystem unterstützt neben Textverarbeitung und elektronischer Post die elektronische Ablage und bietet Entscheidungs- und Verwaltungshilfen. Zur zusätzlichen Sicherung der abgelegten Informationen wurde ein Verfahren entwickelt, das eine Schwäche von CEO kompensiert, die darin besteht, daß gemeinsam verwaltete Daten von allen Beteiligten gelöscht werden können.

Da das Schreibbüro des Ammoniaklaboratoriums vollständig mit CEO arbeitet und die Projektleiter direkten Zugang dazu haben, entstanden nur wenige Probleme, die bisher mit Papier und Bleistift abgewickelten Aktivitäten in CEO-Form zu bringen. Die Chemiker und ihre Mitarbeiter im Laborbereich geben an ihren Arbeitsplätzen über das Terminal wie früher Experimentierergebnisse und Kurzberichte in Stichworten ein. Darüber hinaus wird die MV/10 000 SX für Auswertungen, Berechnungen und für die Kommunikation mit anderen Teilnehmern des Netzes "Xodiac" über die Hauspostfunktion von CEO genutzt. Telefonanrufe und Wegezeiten im weitläufigen Laborbereich konnten dadurch reduziert werden. Mit Hilfe von CEO entstehen Quartals- und Jahresberichte, Projektberichte, werden Vorträge vorbereitet und die Patentsituation der Forschungsprojekte überwacht.

Der gesamte Schriftverkehr des Laboratoriums wird vom Schreibbüro oder den Vorzimmern aus gesteuert wobei als Grundlage aller Ausarbeitungen die von den Chemikern an einem der 350 Terminals eingegebenen Notizen dienen. Mit Hilfe des herstellerunabhängigen Softwarepakets SIR (Scientific Information Retrieval) werden von vielen Projektleitern Dokumente in Datenbanken verwaltet. Für Abfragen innerhalb von CEO wird das CEO-Modul "Present" eingesetzt. Von CEO-Terminals aus besteht darüber hinaus Zugang zum Telex- und zum Teletex-Netz, so wie auch eingehende Sendungen aus diesen Netzen direkt an den Arbeitsplatz übertragen werden können.