DV-Umstrukturierungsprozeß führt zu höherem Gesamtflächenbedarf:

Rechenzentren brauchen in Zukunft noch mehr Platz *Rainer A. H. von zur Mühlen ist Geschäftsführer der von zur Mühlen'schen Unternehmensberatungsgesellschaft mbH in Bonn, Bruno B. Hecht ist dort als Berater tätig. Von Rainer A. H. von zur Mühlen und Br

12.08.1988

Die Bedeutung der Rechenzentren verringert sich mit wachsender Dezentralisierung der Datenverarbeitung. Dies führt aber nicht dazu, daß sich auch die RZ-Fläche knapper bemessen läßt. Im Gegenteil: Die Entwicklung des Host zum Entscheidungs- und Sicherheitsrechner in einem umfassenden Informationsverarbeitungssystem wird den Flächenbedarf des Rechenzentrums weiter wachsen lassen.

Die Datenverarbeitung befindet sich in einem wichtigen Umstrukturierungsprozeß. Die wachsende Zentralisierung schafft neue Schwerpunkte in der betrieblichen Organisation. Abhängigkeitsanalysen machen zunehmend deutlich, daß die Betriebe nicht mehr nur von der Verfügbarkeit des Hosts abhängen, sondern dieser verstärkt in wachsender Interdependenz ohne die dezentralen Subsysteme kaum mehr funktionsfähig ist. Die Servicefunktion des zentralen Rechners wird wechselseitig, er bietet und nimmt Dienstleistung.

In dieser Situation gibt es zwei einander widersprechende Thesen:

- Das Ende des Flächenwachstums der Rechenzentren ist noch nicht abzusehen.

- Die Rechner werden immer kleiner, folglich werden die Rechenzentren nicht mehr wachsen, wie bisher.

Setzen wir uns als Planer von Rechenzentren, speziell von Neu- und größeren Umbauten, zunächst mit der zweiten These auseinander, so stellen wir fest, daß diese Aussage schon vor 20 Jahren gemacht wurde. Auf dieser Hoffnung basierend, anders kann man es nicht ausdrücken, wurden auch die meisten Rechenzentren in der Vergangenheit nicht zukunftsorientiert geplant, waren bereits zum Einzug voll und kurze Zeit später zu eng.

Das Verhältnis von Leistung und Fläche wurde dabei in der Tat immer günstiger. Im nachhinein ganz einfach zu erklären: Die Anforderungen an den Service wurden so stark forciert, daß das Wachstum in den Flächen, insbesondere durch größeren Speicherbedarf, bedingt war.

Heute wird die unseres Erachtens immer noch falsche These durch weitere Argumente der Optimisten gestützt: Die Dezentralisierung der Datenverarbeitung gräbt nach Auffassung von Organisatoren und Unternehmensleitungen dem zentralen Rechenzentrum künftig das Wasser ab. Das ist sicher richtig, nämlich in der Bedeutung der Rechenzentren, nicht aber in der Fläche!

Die Entwicklung der Rechenzentrumsflächen in einigen deutschen, aber auch in amerikanischen Betrieben zeigt, daß die wachsende Dezentralisierung nach der Einführung von Datenbanken den zweiten großen Flächenschub bewirkt. Dezentrale Rechner greifen bei vollzogener Integration auf Daten und Software der Hosts zurück.

Dezentrale Rechner bedürfen einer qualifizierten Datensicherung, wie sie zum Beispiel bei PCs schon aus Gründen technischer, betriebssystem- und softwarebedingter, aber auch menschlicher Unzulänglichkeit nicht geleistet wird. Es geht daher der erkennbare Trend dahin, die Datensicherung der dezentralen Systeme über den Host und seine Speichermedien abzuwickeln, um durch Schaffung von Zwangsläufigkeiten die notwendige Datensicherung zu erreichen. Wie wichtig so etwas ist, zeigte sich vor einem Jahr bei einem Bürobrand, der 15 PCs einer Arbeitsvorbereitung inklusive der Datenbestände vernichtete und zu einer mehrtägigen und teueren Betriebsunterbrechung führte.

Die Konsequenz daraus ist: mehr Speicherbedarf beim Host, mehr DFÜ-Kapazität, mehr Rechnerkapazität - mehr Platzbedarf.

Bei einigen Rechenzentren - die Entwicklung ist dabei branchenspezifisch sehr unterschiedlich - hat der reine Maschinensaalbedarf in den letzten zehn Jahren geradezu explosionsartige Ausdehnungen erfahren. Spitzenreiter in der Flächenentwicklung sind nach wie vor Banken und Versicherungen, bei denen ein Wachstum um das Vielfache und mehr in den zurückliegenden zehn Jahren nicht ungewöhnlich, sondern eher die Regel war.

Die Autoren, die ihre Planungen für Rechenzentren normalerweise deshalb um Größenprognosen ergänzen, um sie "wachstumsfest" zu machen, haben die Erfahrung gemacht, daß die Wachstumsfaktoren für Rechenzentren in den einzelnen Branchen sehr unterschiedlich sind. Bei Banken bewegen sie sich um den Faktor 4, bei Versicherungen zwischen 4 und 5, bei Industriebetrieben liegen sie zumeist erheblich darunter. Bei Brauereien beispielsweise konnte ein Wachstumsfaktor von 2, in der chemischen Industrie von 3 und in der Metallindustrie, bedingt durch eine zunehmende Computerisierung in den letzten Jahren, in der Spitze von 6, durchschnittlich aber zwischen 2 und 3 beobachtet werden.

Die Grafik macht die Größenentwicklungen anhand eines konkreten Planungsprojektes etwas transparenter. Grundlage war der gemeinsam mit dem Hersteller erarbeitete Bedarf an Speicherkapazität in Gigabyte auf der Basis der Entwicklung der Jahre 1976 bis 1987 und der Kapazität der zur Zeit im Einsatz befindlichen Plattenlaufwerke (3380) mit 0,66 GB/m² sowie einer Rechnerleistung von etwa 0,56 MIPS/m². Unterstellt wurde ein weiterhin sich fortsetzender Leistungsanstieg von zirka 45 Prozent per annum. Die sich daraus ergebende Exponentialfunktion führt zu erschreckenden Ergebnissen. Die berechtigte Annahme der weiterhin alle zwei bis drei Jahre stattfindenden Technologiesprünge führt dann aber zu einer beachtlichen Verbesserung der Situation, im konkreten Falle aber immer noch zu einem Wachstumsfaktor von etwa vier auf zehn Jahre. Nach unserer Erfahrung ist das alles andere als unrealistisch.

Die für Rechenzentren benötigten Gesamtflächen werden in absehbarer Zeit weiter steigen. Hierfür gibt es eine ganze Reihe von Indizien.

Flächenwachstum ist in jedem Bereich unterschiedlich

Interessanterweise läßt sich beobachten, daß der bediente DV-Bereich unterdurchschnittlich, die Flächen für bedienerfreie Anlagen jedoch überdurchschnittlich wachsen. Dieser Umstand wirkt sich bei der Planung von Rechenzentrumsneu- und

-umbauten auf die Gestaltung der Räume, auf die Ausstattung der Arbeitsplätze, aber auch auf die Sicherheitsplanung und die Kosten in entscheidender Weise aus.

Die Entwicklung der benötigten Fläche für die Hardware ist stark unterschiedlich. Im bedienungsbedürftigen Bereich wird je nach Branche voraussichtlich höchstens die doppelte Fläche gegenüber der gegenwärtigen Nutzung erforderlich sein, da eine Reihe von Anzeichen dafür spricht, daß auch für die nächsten Jahre eine ähnliche Wachstumsentwicklung, wie in der Vergangenheit vollzogen, zu erwarten ist.

Die Anforderungen an das Konsoloperating werden auf der einen Seite durch zusätzliche Serviceleistungen des Rechenzentrums gegenüber externen Nutzern ständig größer. Auf der anderen Seite wird das Konsoloperating immer kompakter, ein Umstand, der das Wachstum zwar bremst, aber nicht kompensiert. Das liegt nicht zuletzt daran, daß durch seine Automatisierung wesentliche Teile künftig computergesteuert und damit vollautomatisch abgewickelt werden dürften. Diese Autosteuerung kann damit zunehmend im unbedienten Bereich untergebracht werden. Ein die Raumplanung, die Sicherheit und die Zuverlässigkeit der Datenverarbeitung sehr positiv beeinflussender Umstand. Software, wie die vollautomatische Ablaufsteuerung von Rechenzentren, beispielsweise mit dem Programmpaket Uni-Cyklop, deuten in diese Richtung. Schon heute schrumpfen mit Uni-Cyklop drei Bedienerschichten auf eine zusammen.

In verschiedenen Branchen wird wegen des zunehmenden Services auch ein Wachstum im Druckoperating zu erwarten sein. In der Dienstleistungsbranche ist eine weitere Vergrößerung der Druckpools zu erwarten, teilweise aber auch ihre Verselbständigung außerhalb des Rechenzentrums. In anderen Branchen ist der Trend zur Dezentralisierung des Papieroutputs bereits jetzt unübersehbar, in wenigen Unternehmen sogar schon fast abgeschlossen. Beide Entwicklungstendenzen zusammengenommen führen dazu, daß auf absehbare Zeit für den Druckbereich nur ein moderates Wachstum zu erwarten ist.

Die Lagerflächen für den Druckbereich können mittelfristig reduziert werden. Solche Lagerflächen bieten sich als natürliche Reserve für wachsenden Platzbedarf der unbedienten Hardware an und sollten vom Planer berücksichtigt werden, so daß eine Einbeziehung in das Rechenzentrum möglich wird.

Durch die Kassettentechnik mögliche Automatisierung wird das Bandoperating in den nächsten fünf Jahren weiter schrumpfen. Daher ist eine Verlagerung dieser Technik aus den bedienten und deshalb heute notwendigerweise noch mit Tageslicht auszustattenden Räumen in reine Technikräume, die nicht der Arbeitsstättenverordnung oder den Fenstervorschriften der Landesbauordnung entsprechen müssen, zu erwarten. Auch dies ist ein Faktor, der neben der Größenentwicklung die RZ-Planung nachhaltig tangiert.

Das Bandhandling wird auch im Zusammenhang mit der Datensicherung vereinfacht werden. Der Trend wird zur Online-Datensicherung auf automatisierte, bedienerlose Kassettensysteme an ausgelagerten Standorten führen. Auch hier ergeben sich Anforderungen an den Planer bezüglich Standortwahl, Ausstattung und Sicherung solcher Standorte.

Funktionstrennung bedingt Flächenausdehnung

Aufgrund der jüngsten Entwicklung erwarten wir eine relativ starke Zunahme des Platzbedarfs im Bereich der Datenfernübertragung. Hier liegen die Schätzungen teilweise beim Sechs- bis Achtfachen der gegenwärtig benötigten Flächen. Dies liegt nicht zuletzt an einem latenten Nachholbedarf durch die EDV-Durchdringung am Arbeitsplatz und auch an Sicherheitsüberlegungen. So wird die DFÜ zunehmend aus dem Bereich der anderen Peripherie in gesonderte Räume ausgelagert werden müssen.

Wegen einer Dezentralisierung von DFÜ-Steuersystemen wird man den insgesamt zunehmenden Platzbedarf aber nicht im Rechenzentrum selbst bereithalten müssen. Unter Sicherheitsaspekten ist eine Dezentralisierung und dezentrale Sicherung der DFÜ mit der Chance für gegenseitigen Backup ein gewichtiges Planungsziel.

Die zunehmende Abhängigkeit von der Datenverarbeitung bewirkt tendenziell, daß bei der Neu- und Umplanung von Rechenzentren eine Abkehr von größten Raumeinheiten zugunsten von Räumen mittlerer Größe stattfindet. Aus Sicherheitsgründen ist es empfehlenswert, auch die Funktionen von DV-Maschinen auf verschiedene Räume verteilt zu installieren. Funktionstrennung also nicht nur im organisatorischen, sondern auch im technischen Bereich. Daraus resultiert aber eine Vergrößerung der für Installationsveränderungen benötigten Reserve- und Verkehrsflächen. Allein die Zunahme an Verkehrsfläche beträgt nach unseren Erfahrungen fünf bis zehn Prozent der geplanten Gesamtfläche.

Es ist Spekulation, wenngleich wohlberechtigte Hoffnung, daß in zirka 15 bis 20 Jahren die Marktreife bereits jetzt bekannter Speichertechniken erreicht wird, so daß die Rechenzentren tatsächlich wieder kleiner werden können. Auch auf eine solche langfristige Möglichkeit sollte der Planer von Rechenzentren vorbereitet sein. Heute bereits scheint es zumeist bedenklich, Rechenzentren irreversibel bezüglich ihrer Nutzungsart zu planen.

Beim Options-Konzept unseres Hauses werden die Nutzungsflächen des geschichteten Rechenzentrums technisch so ausgestattet, daß eine Verwandlung in normale Büroflächen von der Baukonstruktion und auch von der technischen Ausstattung her nicht von vornherein ausgeschlossen ist und trotzdem die Sicherheit des gegenwärtigen und künftigen Betriebs gewährleistet werden kann. Aber auch der umgekehrte Weg kann gegangen werden, wenn nämlich die beängstigenden Flächenbedarfsprognosen durch eine noch ungünstigere Realität übertroffen werden sollten.

Optionskonzepte setzen eine sorgfältige innergebäudliche Standortwahl für die verschiedenen DV-Funktionen voraus. Gerne nimmt man hierfür auch Obergeschosse, die nach einem Sandwich-Prinzip reversibel für die Flächenaufwärts- wie auch

-abwärtsentwicklung genutzt werden können. Eine typische Problemlösung geht aus folgender Abbildung hervor. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß DV-genutzte Geschosse aufgrund ihrer Funktion unterschiedliche Geschoßhöhen aufweisen, die bei geschickter Planung so angeordnet werden können, daß zwischen Erweiterungsbau und bestehendem Gebäude keine Stufen erforderlich sind. Hier wurde das unbediente Rechenzentrum, bestehend aus zwei Maschinenräumen in das 8. Obergeschoß eines neu errichteten Verwaltungsgebäudes gelegt.

Der DFÜ-Betrieb und die technische Infrastruktur befinden sich im 7. Obergeschoß. Diese Etage ist in der Höhe reduziert, um den darüber- und darunterliegenden Geschossen die technisch bedingte Raumhöhe zu ermöglichen. Andererseits ist in diesem Falle auch ein architektonischer Effekt erreicht.

Im 6. Obergeschoß wurden Operating und Software untergebracht. Die Geschoßhöhe gestattet hier, den Softwarebereich und gegebenenfalls sogar das Operating herauszunehmen um eine weitere Maschinensaalebene zu schaffen, wenn die ungünstigen Wachstumsprognosen zutreffen sollten.

Im 5. Obergeschoß wird unter anderem der Druckerpool eingerichtet. Hier befindet sich eine Verbindung zum bestehenden Baukomplex. Sie bietet gute Möglichkeit, eine Verteilung des Outputs zu erreichen. Da eine Dezentralisierung der Druckaktivitäten bereits für die nächsten Jahre vorbereitet wird, könnte dieser Bereich bei einem Wachstum des Rechenzentrums das Operating aufnehmen.

Das Sandwich-Prinzip hat auch installationstechnisch viele Vorteile: kurze Wege, direkte Anbindung von Klimabedarfsträgern an das Zwischengeschoß, geringe Energieverluste etc; Faktoren, die heute beachtet, auch morgen noch einen wirtschaftlichen RZ-Bereich ermöglichen.

Zurück zu den Thesen: Rechenzentren werden in der Regel noch weiter wachsen. Die Umstrukturierung vom datenverarbeitenden Moloch zum Entscheidungs- und Sicherungsrechner in einem umfassenden Informationsverarbeitungssystem mit einer Vielzahl dezentraler Rechnersysteme wird den Trend eher fördern als ihm entgegenwirken.