Monopolmissbrauch bei Streaming Media?

Real Networks klagt gegen Microsoft

09.01.2004
MÜNCHEN (CW) - Real Networks verklagt Microsoft wegen Monopolmissbrauchs. Der Softwarekonzern soll PC-Herstellern und -Nutzern seine Streaming-Media-Software aufgezwungen und gleichzeitig Konkurrenzprodukte behindert haben. Es geht um eine Milliarde Dollar und die Zukunft von Real Networks.

Der Reihe der Kartellprozesse gegen Microsoft hat Streaming-Media-Pionier Real Networks ein neues Kapitel hinzugefügt. Das Unternehmen erhob kurz vor Weihnachten vor einem US-Gericht Klage gegen den Konzern wegen Missbrauchs seiner Monopolstellung. Microsoft habe, so der Vorwurf, PC-Anwendern und -Herstellern seinen "Windows Media Player" aufgezwungen und gleichzeitig die Installation von Konkurrenzprodukten wie etwa des "Real Player" eingeschränkt.

Mit "räuberischen Praktiken" solle Microsoft sein Betriebssystem-Monopol geschützt und ein neues Monopol im Bereich digitaler Medien errichtet haben, hieß es. Außerdem halte der Konzern technische Informationen vor Wettbewerbern zurück, die für die Interoperabilität mit Windows entscheidend seien. Daher forderte Real Schadensersatz wegen entgangener Umsätze und Gewinne; die Höhe des Streitwertes könnte über eine Milliarde Dollar hinausgehen.

Microsoft zeigte sich "überrascht" und erklärte in einer ersten Stellungnahme, dass es im Markt für digitale Medien einen "lebhaften Wettbewerb" gebe. PC-Hersteller hätten genau wie Anwender die freie Wahl, welche Wiedergabesoftware sie verwenden wollten. Nach Einschätzung des Softwarekonzerns wolle Real das Kartellrecht nutzen, um den eigenen Marktanteil zu schützen. Microsoft hatte den Streaming-Media-Pionier vor rund einem Jahr vom ersten Platz der Player-Rangliste verdrängt.

Das Bundling des Windows Media Player mit dem Betriebssystem ist auch ein Kernvorwurf in der Kartellermittlung der Europäischen Union gegen Microsoft, in der eine Entscheidung noch aussteht. Beobachter vermuten, dass Real seine Klage wegen des in Kürze bevorstehenden Urteils in Europa lanciert hat, um davon zu profitieren. Ebenfalls noch anhängig ist eine Kartellklage von Sun Microsystems gegen Microsoft, in der es um Java geht. Im vergangenen Sommer hatte sich Microsoft mit AOL Time Warner in einem ähnlichen Prozess zum Schicksal von Netscape geeinigt. Nachdem der Softwarekonzern eingewilligt hatte, 750 Millionen Dollar zu bezahlen, kündigte AOL an, künftig den Windows Media Player in Lizenz zu nehmen.

Da die Player kostenlos abgegeben werden, müssen die Unternehmer ihre Umsätze mit Servern, Services oder Inhalten verdienen. Real hat eigenen Angaben zufolge etwa 1,15 Millionen Abonnenten, darunter knapp ein Viertel für digitale Musik. Verliert die Company Marktanteile auf dem Desktop, geraten auch ihre Einnahmen mit Servern und Content unter Druck. Mitte November hatte Microsofts Online-Portal MSN angekündigt, demnächst einen eigenen Musik-Download-Dienst anzubieten. Real erwirtschaftete in den vergangenen vier Geschäftsjahren Verluste. Angereichert wird der Wettbewerb noch durch eine persönliche Komponente: Reals Firmenchef Rob Glaser war bis Mitte der 90er Jahre Manager bei Microsoft, bevor er ausstieg und die Company gründete. (ajf)