Rauswurf auf Verdacht ist rechtens Der Virus Herbstlaub beschert dem DV-Chef fristlose Kuendigung

03.03.1995

Von Juergen Schneider*

Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob ein Arbeitgeber eine fristlose Kuendigung aussprechen darf, wenn der Arbeitnehmer im Verdacht steht, in der DV-Anlage einen Virus implantiert zu haben. Das Landesarbeitsgericht Saarbruecken hat eine solche fristlose Kuendigung fuer wirksam gehalten (AZ: 2 Sa154/92).

Herr K. war fuer die Firma B. als DV- und Bueroleiter zunaechst zirka ein Jahr lang bis zum 30. September 1990 taetig gewesen. Waehrend dieser Zeit hatte er die DV-Anlage im Betrieb seines Arbeitgebers aufgebaut und erweitert. Nach dem Ausscheiden des Herrn K. brach die DV-Anlage der Firma B. immer wieder zusammen.

Auf Anforderung der Firma B. kam Herr K. in solchen Faellen in den Betrieb, um - gegen eine entsprechende Verguetung - die DV-Anlage wieder in Gang zu bringen. Da sich der Fehler in der DV-Anlage nicht beheben liess, stellte das Unternehmen den Herrn K. am 17. Dezember 1990 wieder ein. In der Folgezeit stuerzte die DV-Anlage trotzdem immer wieder ab.

Betrieb B. erteilte daraufhin einer Firma F. den Auftrag, die DV- Anlage gruendlich zu untersuchen. In ihrem Abschlussbericht fuehrte F. aus, dass sie auf dem File-Server, einem Arbeitsplatz mit Festplatte und einem freistehenden PC den Virus des Typs "Cascade B", den sogenannten Herbstlaubvirus, entdeckt habe. Dieser habe nur von dem Benutzer mit dem Benutzercode "Supervisor" eingeschleust werden koennen.

Nach den Informationen der Firma B. verfuegte allein Herr K. ueber das Codewort "Supervisor". Sie sprach daraufhin nach einer Anhoerung des Herrn K. eine fristlose Kuendigung aus mit der Begruendung, dass er im Verdacht stehe, den Virus in das DV-System implantiert zu haben, um seinen Ex-Arbeitgeber zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages zu veranlassen.

Im anschliessenden Kuendigungsschutzprozess verteidigte sich Herr K. damit, dass er das Codewort "Supervisor" kurz vor seinem ersten Ausscheiden im September 1990 seinen Kollegen H., M. und C. mitgeteilt habe, so dass nicht nachgewiesen sei, dass er den Virus implantiert habe. In der gerichtlichen Verhandlung sagten die als Zeugen vernommenen Kollegen des Herrn K. uebereinstimmend aus, dass dieser ihnen zwar die Codewoerter "Eva Supergirl" und "Superman" genannt habe, nicht aber "Supervisor". Aufgrund dieser Beweisaufnahme erklaerte das Landesarbeitsgericht Saarbruecken die von der Firma B. ausgesprochene Verdachtskuendigung fuer wirksam.

Es ist in der Rechtssprechung sehr selten, dass eine sogenannte Verdachtskuendigung als wirksam angesehen wird. Da sie nicht auf eine nachgewiesene Tat, sondern auf einen blossen Verdacht gestuetzt wird, sind die Voraussetzungen fuer ihre Wirksamkeit besonders streng. Der Verdacht muss dringend und durch objektive Tatsachen begruendet sein. Des weiteren muss alles Zumutbare zur Aufklaerung des Sachverhaltes geschehen und der Arbeitnehmer vorher angehoert worden sein.

Da diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall vorlagen, hat das Landesarbeitsgericht Saarbruecken die seitens der Firma B. ausgesprochene Verdachtskuendigung zu Recht fuer wirksam erklaert.

Literaturhinweis:

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Saarbruecken ist vollstaendig abgedruckt in der Zeitschrift Computer und Recht,

1994, S. 296 ff.

* Juergen Schneider ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Schramm, Zwipf, Gabriel und Partner in Muenchen.

Rechtstips

Die Faelle, in denen Mitarbeitern im Zusammenhang mit der DV gekuendigt wird, haeufen sich. Auf der einen Seite fehlt den Unternehmen die Erfahrung, um zu definieren, welche Rechte und Pflichten Arbeitnehmer zu beruecksichtigen haben, wenn es um den DV-Einsatz im Betrieb geht, auf der anderen Seite verhalten sich Beschaeftigte oft zu sorglos im Umgang mit der I+K-Technik. Der auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwalt Juergen Schneider von der Muenchner Kanzlei Schramm, Zwipf 38; Gabriel wird in unregelmaessigen Abstaenden auf interessante Urteile ausfuehrlich eingehen.