Auf dem Prüfstand: Norcom Information Technology AG

Raus aus dem Schatten des Wettbewerbs

01.06.2001
MÜNCHEN - Nach einem nur verhaltenen Start ins Geschäftsjahr 2001 setzt die Norcom Information Technology AG jetzt auf ein neues Extranet-Access-Management-(EAM)-Produkt, das für das zweite Halbjahr erwartet wird. Damit wollen die Münchner IT-Security-Spezialisten das avisierte Umsatzplus von rund 70 Prozent erreichen und wieder schwarze Zahlen schreiben. Von Andrea Goder*

Der von Norcom vor kurzem vorgelegte Zwischenbericht für die ersten drei Monate des laufenden Geschäftsjahres 2001 liest sich vor allem in einem Punkt nüchtern. Nachdem bereits erste Warnsignale im vorausgehenden Quartal zu vernehmen waren, kam es in der jüngsten Berichtsperiode zu einem herben Einbruch des Produktgeschäfts. Von insgesamt 7,8 Millionen Euro Umsatz (nach 4,6 Millionen Euro im Vorjahresquartal) entfielen lediglich 700000 Euro auf Lizenzeinnahmen. Noch im Geschäftsjahr 2000 steuerten diese knapp 30 Prozent zum Rekordumsatz von 34,2 Millionen Euro bei. Die restlichen Erlöse verteilten sich zu etwa gleichen Teilen auf Consulting- und Projekt-Leistungen.

Fehlbetrag hat sich erhöhtAuf der Bilanzpressekonferenz in München machte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Jörn Kristiansen vor allem das "zögerliche Investitionsverhalten der Kunden" und veränderte Marktbedingungen für Client-Server-Technologien für die jüngste Umsatzdelle verantwortlich. Doch auch bei der Ergebnisentwicklung sind die Münchner im ersten Quartal erneut ins Stolpern geraten, nachdem bereits für das Gesamtjahr 2000 wider Erwarten rote Zahlen präsentiert werden mussten (siehe Abbildung). So ist der Fehlbetrag auf 1,4 Millionen Euro angewachsen - nach einem Nettogewinn von 115000 Euro im vergleichbaren Vorjahresquartal.

Um wieder auf einen profitablen Wachstumskurs einzuschwenken, stehen die Zeichen bei Norcom seit Monaten auf Umstrukturierung. Innerhalb der beiden Geschäftsfelder "E-Security" und "E-Business-Solutions" wurde mittlerweile eine Organisationsstruktur eingeführt, die auf eigenverantwortlichen Profit-Centern aufbaut. Große Hoffnungen setzen die insgesamt fünf Norcom-Vorstände aber vor allem auf das EAM-Produkt "NGS Bean Guard", das im dritten Quartal 2001 auf den Markt kommen soll.

Die Neuentwicklung, die auf dem Sun-Standard Java-2-EE basiert, soll bei elektronischen Geschäftsprozessen im Internet einen umfassenden Transaktionsschutz gewährleisten und gleichzeitig die Administrationskosten in den Unternehmen senken. Bisher hatte sich Norcom - mit zuletzt offenbar nicht mehr so großem Erfolg - mit Produkten wie "NGS Enterprise Framework" und "NGS for Tuxedo" auf Sicherheitslösungen für Client-Server-Umgebungen und das gleichnamige Produkt von BEA Systems konzentriert.

Doch nicht nur produktseitig, auch international versuchen die Münchner Security-Spezialisten, die derzeit knapp 300 Mitarbeiter beschäftigen, seit Monaten ihre Position auszubauen. Noch bis zum Börsengang im September 1999 agierte das System- und Softwarehaus fast ausschließlich im deutschen Markt. Durch Akquisitionen und Beteiligungen, vorwiegend in Skandinavien und Italien, konnte der Auslandsanteil am Umsatz im Geschäftsjahr 2000 auf 43 Prozent gesteigert werden. Zu 51 Prozent beteiligte sich Norcom beispielsweise vor einem Jahr an dem norwegischen Consulting-Unternehmen Norske Systemarkitekter AS. Im ersten Quartal 2001 waren die ausländischen Erlöse mit 1,6 Millionen Euro (21 Prozent) allerdings wieder stark rückläufig.

Keine Präsenz in SchlüsselmärktenAuf dem Weg zum "Major Player im europäischen E-Security-Business" fehlt dem Unternehmen auch nach wie vor ein Standbein in den Schlüsselmärkten Großbritannien und Frankreich. Zwar ist es nach den Worten von Vize-Vorstand Kristiansen wichtig, den europäischen Markt "schnell abzuriegeln". Um aber Akquisitionen via Aktientausch vornehmen zu können, hat die Company im Moment aufgrund des abgestürzten Kurses nicht die nötigen Finanzmittel.

Ungeachtet dessen gehen die ehrgeizigen Ziele der Münchner Firmenlenker heute bereits über den europäischen Markt hinaus. Seit August vergangenen Jahres ist Norcom mit fünf Mitarbeitern im Silicon Valley präsent. Von hier aus soll über VARs, Systemintegratoren oder Portal-Solution-Provider das OEM-Geschäft vorangetrieben werden. Aufgrund hoher Risiken, nicht zuletzt durch die anhaltende US-Konjunkturschwäche, wolle man laut Liliana Nordbakk aber "keine Millionen-Investments" tätigen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Viggo Nordbakk gründete sie 1989 das Unternehmen und zeichnet heute für die US-Aktivitäten verantwortlich.

Auch der seit Monaten existierende Plan, in den Staaten ein System- und Integrationsunternehmen zu kaufen, ist bis auf weiteres auf Eis gelegt. "Im Moment können wir unsere Aktie nicht als Zahlungsmittel nutzen", erklärte Nordbakk. Erst nach einem signifikanten Kursanstieg seien Übernahmen wieder ein Thema. "Den Emissionspreis von 19 Euro würden wir schon wieder gerne sehen", betonte sie.

Eine schnelle Positionierung im US-Markt wäre indes für das Unternehmen wichtig. Immerhin sitzen in Übersee mit deutlich bekannteren IT-Security-Anbietern wie Verisign, Check Point Software oder Computer Associates (CA) die eigentlichen Wettbewerber, die bereits international Position bezogen haben und auf eine starke Kundenbasis aufbauen können. Weniger sieht Nordbakk dagegen die Neuen-Markt-Firmen Articon, Biodata, Secunet oder Utimaco als Konkurrenten.

Trotz der enttäuschenden Zwischenergebnisse im ersten Quartal 2001 bekräftigten die Münchner vor kurzem ihre Prognosen für das Gesamtjahr. Angepeilt sind demnach Einnahmen zwischen 56 und 60 Millionen Euro, was einem organischen Wachstum von rund 70 Prozent entsprechen würde.

*Andrea Goder ist freie Journalistin in München.

Abb: Norcom-Geschäftsentwicklung

Satte Umsatzzuwächse und auch wieder ein ordentlicher Gewinn vor Steuern soll 2001 in der Norcom-Bilanz stehen. Quelle: Norcom