Softwareplattformen und das Internet als Megatrends

Rauhes Klima im Markt fuer Standardprogramme

29.03.1996

Mehr als 90 Milliarden Dollar gaben die Anwenderunternehmen 1995 fuer Standardsoftware aus. Unter diesem Begriff subsumiert IDC Systemprogramme, Entwicklungswerkzeuge, Datenzugriffssoftware und Anwendungen, mithin alle Softwareprodukte. Der Loewenanteil des Gesamtumsatzes - fast 13 Milliarden Dollar - floss dabei auf die Konten der IBM, deren Anteil am Gesamtmarkt jedoch geringfuegig abnahm (von 14,3 auf 14 Prozent). Deutlich gesteigert hat Microsoft seinen Marktanteil (von 6,3 Prozent auf 7,9 Prozent), waehrend sich die Praesenz von Computer Associates (von 3,8 auf vier Prozent) nur unwesentlich verbesserte.

Ueberproportional (um 15,3 beziehungsweise 15,4 Prozent) wuchsen die Umsaetze in den Bereichen Systemsoftware (Gesamtumsatz 25,3 Milliarden Dollar) und Anwendungsentwicklungs-Werkzeuge (26,1 Milliarden). Der Markt fuer Software-Anwendungen im eigentlichen Sinn nahm nur um 14,5 Prozent zu.

Das Jahr 1995 war durch eine Reihe von grossen Firmenuebernahmen gekennzeichnet. IDC nennt hier vor allem die Akquisition von Legent durch Computer Associates sowie die Lotus-Uebernahme der IBM, aber auch die aggressive Einkaufspolitik von Platinum Technology.

Nach Ansicht der Marktbeobachter wird sich die Konsolidierung des Softwaremarkts im laufenden Jahr fortsetzen - wenngleich nicht mehr im selben Tempo.

Darueber hinaus hat IDC zwei weitere Trends ausgemacht. Den ersten bezeichnen die Analysten als "Neudefinition der Plattform". Immer mehr Anbieter versuchten, De-facto-Standardumgebungen zu schaffen und so den Mitbewerbern die eigenen Schnittstellen und Metadaten- Definitionen aufzudraengen. Beispiele dafuer seien die Windows- Familie von Microsoft, die Oracle-Datenbank, die SAP- Applikationen, die System-Management-Umgebung CA Unicenter und das Netzwerk-Management-System HP Openview.

Das Topthema des vergangenen Jahres war jedoch das Internet. IDC sieht in den WWW-Browsern "die naechste Welle der Client-Server- Verarbeitung", ausgeloest durch Technologien wie die Programmiersprache Java.

Diese Neuorientierung betrifft vor allem den Markt fuer Entwicklungs-Werkzeuge. Moeglicherweise gelingt es dem Java-Eigner Sun, so IDC, eine zentrale Stellung im Application-Development- Bereich zu erobern. Borland hat als erster Anbieter versprochen, Java in seine bereits 100000mal verkaufte Entwicklungsumgebung "Delphi" einzuschliessen.

Softwarekomponenten sind laut IDC vor allem in den USA im Kommen. Produkte gebe es derzeit allerdings nur in geringem Umfang und vor allem "im Schlepptau von Visual Basic". Die Zukunft der Programmiersprache Cobol wird - nicht nur nach Ansicht der IDC- Analysten - davon abhaengen, ob die Entwickler die unter der Bezeichnung "Object Cobol" bekannten objektorientierten Erweiterungen akzeptieren. Ueberdies haben die Marktbeobachter eine Renaissance des Computer Aided Software Engineering (CASE) ausgemacht. Es gebe Anzeichen fuer einen kuenftigen Run auf Werkzeuge zur Definition von Geschaeftsprozessen und zur Systemmodellierung.

Bei der Systemsoftware verweisen die Analysten unter anderem auf die Wiederauferstehung des Mainframes als Unternehmens-Server und das dadurch neubelebte Interesse an MVS. Immer wichtiger wuerden zudem die Middleware-Produkte. Es sei aber noch nicht entschieden, ob hier ein eigenstaendiger Markt entstehe oder ob Middleware- Funktionen kuenftig in Betriebssysteme, Tools und Applikationen verpackt wuerden. Ein besonders grosses Wachstumspotential vermutet IDC bei Software fuer die Verwaltung verteilter Betriebssystem- Umgebungen.

Fuer die Umsatzentwicklung des laufenden Jahres wagt das Marktforschungsunternehmen nur eine vorsichtige Prognose: Das Gesamtwachstum werde zwischen 13 und 15 Prozent betragen. Vom derzeitigen Standpunkt aus betrachtet seien die Aussichten jedoch besser als im vergangenen Jahr, fuer das IDC lediglich eine Steigerung um 13,5 Prozent vorhergesagt hatte. Einer der fuer die Analysten marktentscheidenden Faktoren liegt in der Annahme begruendet, dass das Client-Server-Computing "endlich aus dem Experimentierstadium herauskommt".