Rationalisierungsreserve Personal

23.07.1982

Udo A. Wrieske, Inhaber und Geschäftsführer der Wrieske Gruppe, BDU

Die Unternehmen werden in den nächsten vor uns liegenden Jahren noch viel stärker als in der Vergangenheit gezwungen werden, konkurrenzfähig zu bleiben und dieses Ziel unter anderem durch Erschließung weiterer Rationalisierungsreserven zu erreichen.

Es kann davon ausgegangen werden, daß vierzig Prozent der heute von Menschen geleisteten Arbeitszeit durch Rationalisierung in Fortfall kommt und daß - bis 1985 - jährlich etwa 80 000 Bundesbürger auf den Arbeitsmarkt drängen und zusätzlich Arbeitsplätze verlangen.

Jedes einzelne Unternehmen ist ein Teil der Volkswirtschaft; insofern stellen betriebswirtschaftliche Probleme auch einen Teil der volkswirtschaftlichen Problematik dar und umgekehrt. Die Erzielung einer hohen Produktivität und Wirtschaftlichkeit ist der Beitrag der einzelnen Unternehmen zur Aufrechterhaltung und Verbesserung gesamtwirtschaftlicher Situationen; alles übrige sind Maßnahmen, die von Regierung und Gewerkschaften erwartet werden müssen.

Systematische Rationalisierung durch Kostensenkung sind also Ziele, die uns noch stärker als in der Vergangenheit interessieren müssen; daß hierbei menschliche Aspekte berücksichtigt werden, ist eine Selbstverständlichkeit - die immer stärker werdende Entlastung des Menschen am Arbeitsplatz ist nur durch Rationalisierung erreichbar.

Die durch Rationalisierung beeinflußbaren Kosten enthalten in der Regel zu zirka 70 Prozent Personalkosten und zu 30 Prozent Sachkosten.

Oft totgeschwiegen

Sie stellen also den weitaus geringeren Kostenanteil dar, weshalb hier im allgemeinen kaum Rationalisierungsprioritäten zu setzen sind. Sicher sind im Bereich der Sachkosten weitere Kostensenkungen möglich; der entscheidende gesamtbetriebliche Erfolg wird alleine auf diesem Wege nicht zu erreichen sein. Hinzu kommt, daß ein hoher Anteil an den Sachkosten wiederum personalabhängig ist - wenn wir zum Beispiel an die Arbeitsplatzkosten denken.

Wir können also folgendes feststellen:

Die Personalkosten stellen den weitaus höheren Anteil an den Kosten dar, weshalb dieser Bereich absoluten Vorrang bei der Rationalisierungsarbeit haben muß.

Eine Senkung der Personalkosten wirkt sich automatisch - wegen der vorstehend genannten Abhängigkeit - auch zum Teil im Sachkostenbereich positiv aus, so daß die personalkostensenkung sowohl direkt als auch indirekt im Vordergrund stehen muß.

Wir trauen uns auch heute noch nicht so recht, offen über die Notwendigkeit der Personalkostensenkung zu sprechen. Gesellschaftspolitische Bestrebungen, die insbesondere in Form des Partners "Betriebsrat" in Erscheinung treten, haben uns zu manchem Rückzugsgefecht veranlaßt, wenn wir glaubten, bestimmte Rationalisierungsziele nicht durchsetzen zu können. Vielen Unternehmen ist es bis heute nicht gelungen, in einem "partnerschaftlichen Verhältnis mit dem Betriebsrat" die Rationalisierungsarbeit erfolgreich fortzusetzen.

Rationalisierungserfolge wurden deshalb oft "totgeschwiegen"; das heißt, man hatte die Befürchtung, würde man offen über die Erfolge reden, wären die Maßnahmen nicht durchsetzbar. Wir scheuen uns auch oft, mit Mitarbeitern offen über die Tatsache, daß die Art der Arbeit und der Arbeitsabwicklung ständiger Veränderungen unterworfen ist und sich damit auch die Struktur der Arbeitsplätze laufend wandelt, zu sprechen. Das bedeutet zum Beispiel, nicht zu verheimlichen, daß von allen Mitarbeitern eine ständige Lernbereitschaft und Lernfähigkeit erwartet werden muß.

Ergebnis derartiger Verhaltensweisen ist: Die durch Rationalisierung erreichbare Reduzierung des erforderlichen Personalbedarfs tritt nicht ein (Kostensenkung). Die Personalkosten steigen aber ständig weiter.

Die durch Rationalisierung erreichbare Steigerung der menschlichen Arbeitskraft an dem einzelnen Arbeitsplatz tritt nicht ein (Produktivitätssteigerung). Die Arbeitszeit nimmt aber ständig ab; diese Entwicklung alleine erzeugt bereits Produktivitätsverluste. Hinzu kommt, daß die Ausfallzeiten (Urlaub, Krankheit) stetig steigen.

Der Rationalisierungsaufwand, gegebenenfalls sogar die Rationalisierungsinvestitionen (zum Beispiel auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung) steigt ständig, die Personalkosten steigen aber auch weiter, weil personelle Konsequenzen, zum Beispiel über zu erreichende Leistungskennziffern am Arbeitsplatz, nicht gezogen werden. Der Zustand bleibt wie bisher.

Das Dilemma liegt demnach in folgendem:

1. Die "Rationalisierungserfolge" werden nicht transparent genug diskutiert. Damit bleiben sie Oft wirkungslos.

2. Die Verbindung zur Personalarbeit wird nicht - oder in zu geringem Maße - hergestellt; das bedeutet:

- das Management (insbesondere das für die Praktische Rationalisierungsarbeit wichtige mittlere Management) wird immer noch zu wenig aktiv eingeschaltet,

- der Bereich "Personal- und Sozialwesen" der einzelnen Unternehmen ist - mangels ausreichender Information, Mitarbeit und Beteiligung an Entscheidungsprozessen - oft nicht in der Lage, die Rationalisierungsarbeit (und auch die hierfür notwendige Kommunikation mit dem Betriebsrat) wirksam zu unterstützen.

Traurige Bilanz

"Wir haben im letzten Jahr erheblich rationalisiert. Was dabei für unser Unternehmen herausgekommen ist, kann ich Ihnen aber leider nicht sagen. Es ist nicht auszuschließen, daß gesamtbetrieblich keine Verbesserung erreicht wurde - aber man kann sich heute nicht gegen die Rationalisierung stellen, nur, der Betriebsrat macht ja alles so schwer."

... Worte einer Geschäftsleitung

Eine traurige Bilanz!

Es ist unbedingt notwendig, die Rationalisierungsarbeit mit der Personalplanung zu verbinden; das heißt, daß Personalbestandserhöhungen und - reduzierungen eine gemeinsame Entscheidungssache - mit entsprechend transparenten schriftlichen Entscheidungs-Grundlagen - zwischen den Organisations- und Rationalisierungsfachleuten des Unternehmens (gegebenenfalls unter Zuhilfenahme externer Berater), dem mittleren Management und den Personalfachleuten vorbereitet und realisiert werden.