Akzente-Tagung über Büroautomation als Führungsaufgabe:

Rationalisierung erfordert Systemlösungen

09.07.1982

MÜNCHEN (CW) - Der erste Schritt für eine erfolgversprechende Rationalisierung im Büro ist nicht der Einsatz neuer Technologien, sondern ein technisch-organisatorisches Gesamtkonzept und eine Arbeitsinhaltsgestaltung für die Mitarbeiter. Diese These zog sich wie ein roter Faden durch alle Vorträge der von der Akzente Studiengesellschaft "Akzeptanz neuer Bürotechnologien", Seeshaupt, und dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), Stuttgart, veranstalteten Tagung in München.

Das Thema des zweitägigen Seminars lautete: Büroautomation - die Führungsaufgabe der 80er Jahre". In seinem Auftaktreferat nannte Professor Hans-Jörg Bullinger vom IAO die Schwachpunkte, an denen die Einführung neuer Bürotechnologien meist immer noch krankt: Nach wie vor werde zuviel in Produkten und zuwenig in Systemlösungen gedacht. Menschliche Fähigkeiten und Fertigkeiten gälten vorschnell als ersetzbar, und die Auswirkungen gesellschaftlicher Meinungsbildungsprozesse würden zuwenig in den innerbetrieblichen Bereich integriert.

Besonders nachdrücklich wies Bullinger darauf hin, daß die heute praktizierte Vorgehensweise bei der Planung und Einführung von Bürosystemen die betroffenen Mitarbeiter in vielen Fällen außer acht lasse. Statt dessen müsse man sie aber als "Problemlöser" und als Schlüsselfaktor des Rationalisierungserfolges ansehen.

Mit welchen Systemen und Systemkomponenten es die "Problemlöser" in naher Zukunft zu tun haben werden, erhellten dann die folgenden Vorträge. Als Grundkonzept für alle neuen Bürosysteme skizzierten die Referenten ein Netzwerk von Arbeitsplatzrechnern, dedizierten Datenbankrechnern (File Server) und intelligenten Druckern (Print Server), integrierten Großrechnern und vielfältigen Schnittstellen für Telekommunikationsdienste.

Den Bürocomputer als intelligente "Workstation" für Sachbearbeiter, "Knowledge Worker" und Manager stellte Klaus-Peter Fähnrich vom IAO vor. Seiner Meinung nach gibt es allerdings bisher nur wenige Systeme, die hard- und softwaremäßig sowie von der Gestaltung der Anwenderschnittstelle her den Anforderungen entsprechen. Dazu gehörten unter anderem der Perq-Rechner von Three Rivers (Vertrieb in der Bundesrepublik durch ICL), das 8010-System von Xerox, die XT-Familie von Digital Equipment sowie- mit Einschränkungen - IBMs neuer Personal Computer (PC) und die integrierte Terminalstation von Nixdorf.

Die Kosten für solche Arbeitsplatzrechner einschließlich der Standardsoftware werden sich nach Schätzungen von Fähnrich mittelfristig zwischen 10 000 und 25 000 Mark bewegen.

Mit dem Thema "Organisierte Textverarbeitung" beschäftigte sich Detlef Brunner, ebenfalls vom Stuttgarter IAO. Er kritisierte, daß das Büro heute immer noch durch die Trennung von Textformulierungs-und Texthandhabungsfunktionen geprägt sei. Rein quantitative Wirtschaftlichkeitsberechnungen hätten dazu geführt, vor allem im Sekretariatsbereich zu rationalisieren. Die eigentlichen Reserven lägen aber auf der oft unproduktiven Sachbearbeiterebene. Daher ist laut Brunner in diesem Bereich der arbeitsplatzbezogene Technologieeinsatz besonders notwendig.

Lokale Netzwerke als weitere Komponente der technischen Büroinfrastruktur betrachtete wiederum Klaus-Peter Fähnrich. Er empfahl den Anwendern, sich sehr viel breiter als bisher mit den möglichen betrieblichen Anforderungen und Anwendungen zu beschäftigen, statt sich über technologische Spezifikationen Gedanken zu machen.

Da keines der vorhandenen Systeme einen Industriestandard setzen werde, sollte der Anwender für eine Übergangszeit seine bereits vorhandenen Geräte über schmalbandige Lösungen wie zum Beispiel Telefon- oder Telexnebenstellenanlagen miteinander verbinden.

In weiteren Referaten wurden die neuen Telekommunikationsdienste dargestellt. Bernd Rüggeberg, Leiter des Referats Textkommunikation beim Fernmeldetechnischen Zentralamt der Bundespost in Darmstadt, berichtete ausführlich über Teletex und die Möglichkeiten, damit ein Inhouse-System aufzubauen. Die bisherigen Feldversuche hätten gezeigt, daß vor allem große Organisationen diesen Dienst für ihre interne Kommunikation nutzten.

Mit Bildschirmtext, dem jüngsten Sprößling der Post, beschäftigte sich nochmals Fähnrich. Das Besondere daran sei, daß die Post neben ihrem eigentlichen, öffentlichen Dienstkonzept genügend Freiraum für individuelle Weiterentwicklungen geschaffen habe. Als Beispiele nannte der Referent die Anschlußmöglichkeit an externe Rechner und die Installierung eines Inhouse-Netzes durch Btx.

Nicht ganz so euphorisch bewertete Wolf Kotthaus, Leiter der Abteilung Allgemeine Organisation und Planung bei SEL, die nahe Zukunft von Bildschirmtext als Inhouse-System. Seiner Meinung nach werde man Btx innerbetrieblich vor allem als Informationsmedium benutzen und weniger als Kommunikationssystem.