IT im Anlagenbau

Rationalisierung beginnt beim Angebot

20.02.1998

Die Angebotsphase im Anlagenbau bedeutet eine erhebliche Bindung von Kapazitäten. In acht von zehn Fällen wird ein maßgeschneidertes Angebotslayout für den Papierkorb entwickelt. Von den restlichen beiden lebt die Firma.

Ist der Auftrag eingegangen, gilt es, möglichst viele Daten aus dem Angebotslayout in die Konstruktion zu übernehmen. In mehreren Iterationsschleifen wird zusammen mit dem Kunden die endgültige konstruktive Ausarbeitung vorgenommen. Parallel dazu läuft auf Hochtouren der Projektplanungs- und Beschaffungsapparat: Terminplanung, Beschaffungs-Marketing, Kalkulation, Produktionsplanung sind hierbei nur einige Aufgaben, die alle miteinander verkettet sind: Ändert sich auf Kundenwunsch auch nur ein Detail, etwa eine Baugruppe, so hat dies auch Konsequenzen für die Kalkulation, die Beschaffung, die Terminierung etc.

Es folgt die Phase der Montage und Inbetriebnahme. Parallel dazu beschäftigen sich große Teile der Firma mit der technischen Dokumentation der Anlage. Deren Umfang ist beträchtlich, schließlich gilt sie auch als Absicherung gegen Schadensersatzansprüche. Eine Automatisierung würde hier für eine enorme Entlastung sorgen, zumal ein Projekt erst mit der Übergabe der Dokumentation als abgeschlossen gilt.

Im nachgeschalteten Service- und Betreuungsgeschäft kommt es bei hochkomplexen Anlagen wieder zu aufwendigen Verwaltungstätigkeiten. Ersatzbaugruppen oder Ersatzteile müssen rasch identifiziert und dem Kundentechniker mitgeteilt werden. Es sind Komponenten auszuliefern, die mit Projekt-, Zeichnungs-, Material- oder Positionsnummern gekennzeichnet sind. Wenn hier keine durchgängige DV Unterstützung bietet, bringt dies für die Mitarbeiter eine Menge Zeit und Arbeit mit sich.

Die Bedingungen im eigenen Haus sind allerdings oft alles andere als entlastend. Daten werden an verschiedenen Stellen parallel erzeugt. So zum Beispiel Angebotstexte, die sich aus der Konstruktion automatisch übernehmen ließen, statt dessen aber manuell in einem Textverarbeitungsprogramm erfaßt werden. Kalkulationen erfolgen unabhängig von der Konstruktion separat in einem Tabellenkalkulationsprogramm. Ändern sich die Konstruktionsdaten, müssen sie per Hand abgeglichen werden.

Vertriebsorientiertes Layout in kurzer Zeit

Zu den ersten Schritten einer optimierten Arbeitsweise gehören die vertriebsorientierte Ausrichtung und informationstechnische Einbindung der Angebotsphase. Das heißt, der Anlagenbau braucht ein Werkzeug, das ihm in kurzer Zeit hochwertige Layouts ermöglicht, die sich für Vertriebszwecke repräsentativ darstellen lassen. Bereits im Angebotslayout, das stark auf den Standardbaugruppen des Herstellers basiert, sind alle wesentlichen Daten enthalten, Kostenkalkulation und Materialdisposition können abgeleitet werden. Voraussetzung dafür sind variable 3D-Standardbibliotheken, die entsprechend in das System eingebunden sind.

Während der Präsentation kann der Konstrukteur zusammen mit dem Interessenten die visuelle Prüfung des Angebots auf seine Durchführbarkeit vornehmen. So läßt sich etwa die Frage, ob die Anlage zur Hallenarchitektur mit ihren eventuell vorgegebenen Stützsäulen oder Trennwänden paßt, dann sofort beantworten. Das erforderliche Angebotsschreiben kann durch Zugriff auf Text- und Datenbausteine automatisch generiert werden.

Ist der Auftrag gesichert, kommt es auf die schnelle beziehungsweise effektive Konstruktion und Produktion der Anlage an. Durch die informationstechnische Einbindung des Angebotslayouts läßt sich bereits eine Liste von sogenannten Engpaßteilen erstellen. Motoren, Antriebe und Schalter sind zum Beispiel teure Komponenten, die man nicht gern auf Lager hat und deshalb gleich nach Auftragseingang möglichst genau disponieren möchte.

Klassische PPS-Systeme (Produktionsplanung und Steuerung) helfen dem Anlagenbauer wenig, da er in Konsortien oder Projektgruppen eingebunden ist und deshalb mit sehr vielen Fremddaten arbeitet. Hier greift ein anderes Werkzeug, das Produktdaten-Management (PDM) mit integriertem Projekt-Management. Nach der Einführung eines PDM-Systems lassen sich mit derselben Software Angebot und Realisierung ausarbeiten. Diese Durchgängigkeit erschließt die Informationen auch für die nachfolgende Prozeßkette.

Alles was in der Angebotsphase erstellt wurde, wird auch zur Projektrealisierung verwendet. Immerhin beansprucht das Engineering 50 bis 60 Prozent der Auftragsdurchlaufzeit, so daß sich Effektivitätssteigerungen hier im Gesamtprojekt deutlich bemerkbar machen. Bei einer mittleren Anlage, etwa im Auftragswert von ein bis zwei Millionen Mark, erstreckt sich die Angebotsphase auf vier bis sechs Mannwochen. Dieser Aufwand läßt sich nach der Auftragserteilung durch Übernahme der Layoutdaten im Projekt nutzen.

Ein weiteres PDM-Feature ist die Anlagensimulation oder virtuelle Begehung. Mit diesem Instrument kann die Anlage dem Kunden während der Angebotsphase erlebbar vorgeführt werden. Eine höhere Kundenzufriedenheit und reduzierter Änderungsaufwand sind die Folge.

Wesentliche Impulse für einen Effektivitätsschub gehen von der Integration eines 3D/2D-Feature-CAD-Systems in die Landschaft einer PDM-Lösung aus. Einige Arbeiten lassen sich so vereinfachen:

-CAD-Konstrukteure greifen auf vordefinierte Planungswerkzeuge der PDM-Programmbibliothek zurück;

-das Ausufern der Varianten hat ein Ende;

-in einem Bruchteil der ursprünglich benötigten Zeit läßt sich das Angebotslayout erstellen, und

-die Stückliste wird automatisch nebenbei generiert.

Während der Präsentation besteht die Option, die Anlage als Materialfluß-, Draht- oder fotorealistisches Modell zu betrachten. Änderungswünsche etwa bezüglich Länge, Breite und Höhe können per Mausklick umgesetzt werden. Wenn beispielsweise eine Rollenförderanlage mit einer Breite von 1,5 Meter konzipiert wurde, der Kunde nun aber eine Verbreiterung auf 1,7 Meter wünscht, ändert oder ersetzt das System während der Korrektur alle betroffenen Bauteile.

Es berücksichtigt dabei das komplette Beziehungswissen. So zum Beispiel, daß die Verlängerung der Transportwellen auf 1,7 Meter nur bei gleichzeitiger Vergrößerung des Wellendurchmessers zulässig ist. Automatisch wird die entsprechend stärkere Welle inklusive Bestellnummer und Preis in das Projekt aufgenommen. Erfordert die Massenträgheit der längeren und dickeren Welle einen stärkeren Antrieb, werden die neuen Motoren in das Projekt gestellt und automatisch in die Zeichnungen und Stücklisten aufgenommen. Das gleiche geschieht mit allen anderen nachgeschalteten Bauteilen wie Schaltern, Zuleitungen, Schrauben etc. Stückliste und Angebotstext werden ebenfalls aktualisiert.

Diese Automatismen gelten auch für die technische Dokumentation, die sich assoziativ aus der Mischung von PDM-System und 3D-Feature-CAD generieren läßt. Die Lösung beinhaltet die Integration dokumentationsrelevanter Daten von Zukaufteilen ebenso wie die Verwaltung und Implementierung von Detail- oder Gesamtanlagenfotografien.

Im nachgeschalteten Service- und Betreuungsgeschäft werden dank PDM selbst bei hochkomplexen Anlagen Ersatzbaugruppen oder -teile in Sekundenbruchteilen identifiziert und bei Bedarf bereitgestellt.

Der Return on Investment ist eine Grundgröße unternehmerischen Handelns. Die Investition in ein durchgängiges PDM- und CAD-System muß sich an dieser Latte messen lassen. Geht man für den Anlagenbau von Auftragsdimensionen in sechs- bis siebenstelliger Größenordnung aus und schafft durch die Installation einer neuen DV eine Verringerung der Durchlaufzeiten um zehn Prozent, hat man die Ausgaben nach den ersten beiden Aufträgen wieder eingespielt.

Angeklickt

Die Projektdurchführung im Anlagenbau ist von zahlreichen parallelen Prozessen gekennzeichnet. Noch während eine Anlage mit dem Kunden konstruktiv ausgearbeitet wird, starten bereits die Arbeiten für Materialdisposition, Kalkulation und Produktionsplanung. Zeitgleich zur Montage wird beispielsweise die technische Dokumentation erstellt. Dieses Vorgehen erfordert eine durchgängige IT, wobei jederzeit eine enge Beziehung zu den Konstruktionsdaten gewährleistet sein sollte. Als Lösung beschreibt der Autor die Kombination eines Produktdaten-Management-Systems mit integrierter Projektplanung sowie einer 3D/2D-Feature-CAD-Software. Programmbibliotheken versprechen dabei ein schnelles und flexibles Anlagenlayout, Angebote und Stücklisten werden automatisch generiert, Eingaberedundanzen lassen sich vermeiden.

*Heinrich Kimmig ist Geschäftsführer der BSE Computertechnik GmbH (BCT) in Kehl.