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Rambus-Speicher beschert Intel wenig Freude

07.04.2000
Der Markt ignoriert Intels Hätschelkind

Bericht von CW-Redakteur Wolfgang Miedl

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit der Speichertechnologie Rambus hatte Intel Großes vor: Die neue Architektur sollte schon bald Server und PCs beschleunigen. Doch exorbitante Preise und verschiedene Pannen machen Rambus-Speicher zum Ladenhüter. Die PC-Industrie setzt längst auf das alternative Konzept "Double-Data-Rate"-RAM (DDR).

Mit hochgesteckten Erwartungen hatte der Chiphersteller aus Santa Clara im letzten Herbst die Rambus-Technologie als "Speicherlösung der Zukunft“ eingeführt. Ein Fortschritt auf diesem Gebiet war überfällig, darin ist sich die gesamte Industrie einig. Denn die Taktraten und Bandbreiten auf dem Bus zwischen Prozessor und Arbeitsspeicher können mit den immer schnelleren Prozessoren nicht mehr mithalten. Die derzeit etablierten synchronen DRAM-Speicher (SDRAM) entwickeln sich zunehmend zur Bremse in PCs und Servern.

Während ein Großteil der Industrie andere Lösungen für den Speicher-Flaschenhals anstrebt, hat Intel alles auf die Rambus-Karte gesetzt. Der Hersteller hat sogar Anteile am US-Unternehmen Rambus Inc. erworben. Die Kalifornier entwickeln seit 1990 Speichertechnologien und verdienen ihr Geld ausschließlich mit der Vergabe von Lizenzen. Hergestellt werden die Chips von großen Halbleiterherstellern. DRAM-Module von Rambus (RDRAM) werden bereits seit 1995 in SGI-Workstations, in Nintendo-64-Spielekonsolen und auf bestimmten Grafikkarten eingesetzt.

Am Anfang sah alles einfach aus

Intel hatte sich den Umstieg auf RDRAM offenbar sehr einfach vorgestellt. Aufgrund der Marktführerschaft bei Chipsätzen kann der Prozessorriese seine Kunden – vornehmlich die taiwanischen Motherboard-Hersteller – mehr oder weniger zu einem Technologiewechsel zwingen. Würden erst einmal alle Boardhersteller mit Rambus-Chipsätzen versorgt, dürfte die Wende von SDRAM zu RDRAM in kürzester Zeit herbeizuführen sein, so das Kalkül. Vorsorglich hatte Intel schon im letzten Jahr verkündet, dass alle kommenden Chipsätze Rambus unterstützen werden. Für Intel hätte die Rambus-Lösung auch andere Vorteile. So könnte die wachsende Konkurrenz auf dem Gebiet der Chipsätze über zusätzliche Kosten in die Schranken gewiesen werden. Schließlich müssten die Mitbewerber bei einem Verschwinden von SDRAM zwangsläufig zu Lizenznehmern von Rambus werden. Und Intel würde als Anteilseigner von Rambus dabei noch kräftig mitverdienen.

Doch es kam alles anders als erwartet. Zunächst erwies sich der für die neuen RDRAM-Module notwendige PC-Chipsatz i820 kurz vor der Markteinführung im letzten Herbst als fehlerhaft. In bis zu 100 000 bereits fertigen PCs mussten die Herstellern im letzten Augenblick die Motherboards austauschen. Die Folge waren nicht nur finanzielle Schäden, sondern auch wochenlange Verzögerungen.

Das Problem Preis

Als dann im Spätherbst fehlerfreie i820-Boards für Pentium II und III erhältlich waren, blieb die Nachfrage weit unter den von Analysten vorhergesagten Zahlen. Vor allem der Preis schreckt die Kunden ab. Nach wie vor kosten RDRAM-Module bis zum Zehnfachen von herkömmlichem SDRAM-Speicher. Für den Preis eines "PC800“-RDRAM-Moduls mit 128 MB von etwa 2500 Mark erhält man bereits einen kompletten PC mit der gleichen Menge SDRAM. Somit bleibt Rambus-Speicher derzeit Highend-Systemen vorbehalten – möchte man annehmen.

Doch auch in diesem Punkt hagelt es in den letzten Wochen Hiobsbotschaften für Intel. Die großen Server-Hersteller sind sich einig, dass RDRAM für Server nicht geeignet sei, weil dieses Konzept einen gravierenden Nachteil hat: Je größer der Speicherausbau, desto stärker fällt die Performance ab. SDRAMS, die für Server in speziellen Arrays verschaltet werden, haben hier eindeutig die Nase vorn und sind zudem viel billiger. Intel kommt damit in arge Argumentationsnöte: Aus dem zukunftsträchtigen, universellen Hochgeschwindigkeits-Speicher wird ein Produkt für eine ganz kleine Nische. Für Lowend-Syteme, die derzeit bereits 128 MB RAM enthalten, ist RDRAM viel zu teuer. Bei über 500 MB sinkt die Leistung, was wiederum die Profis abschrecken wird, die viel Arbeitsspeicher benötigen.

Dass Rambus für den Server-Einsatz nicht sinnvoll ist, hat sich unterdessen herumgesprochen. Während IBM von Anfang an kein großes Interesse an Rambus gezeigt hatte, hat nun zum Beispiel auch Compaq klargestellt, dass man RDRAM auch in Zukunft nicht in Servern einsetzen wolle. Selbst Intel hat mittlerweile zugegeben, dass Rambus-Speicher für Server nicht geeignet sei. Interne Papiere sprechen sich ganz klar gegen diese Lösung aus.

Intel in der Bredouille

Intel befindet sich in der Zwickmühle. Der Chiphersteller hat seine gesamte Strategie auf Rambus-Speicher ausgelegt. Die nächste Pentium-Generation mit dem Codenamen "Willamette“ soll ausschließlich RDRAM unterstützen. Die SDRAM-Schiene wollte Intel mit den PC100-Modulen auslaufen lassen. Wohl aus diesem Grund hat Intel auch lange Zeit gezögert, die nächste SDRAM-Stufe "PC133“ zu unterstützen. Diese Bezeichnung steht für die Taktfrequenz des Front Side Bus (FSB), der Prozessor und Arbeitsspeicher miteinander verbindet. Ein schnellerer FSB erhöht die Speicher- und somit die Systemleistung insgesamt.

Inzwischen hatte sich Hauptkonkurrent Via, der wie viele andere Chipsatz- und Speicherhersteller nichts von Rambus wissen will, bereits im letzten Jahr mit anderen Halbleiterherstellern auf PC133 verständigt. Um nicht ins Hintertreffen zu geraten, hat sich Intel - vermutlich zähneknirschend - den SDRAM-Realitäten gebeugt und Anfang März offiziell die PC133-Spezifikation abgesegnet. Die Erklärung für Intels Zaudern dürfte sich aus Benchmark-Tests ergeben. Leistungsmessungen verschiedener Publikationen haben ergeben, dass Boards mit Intels betagtem BX-Chipsatz mit PC133-SDRAM etwa auf dem Niveau liegen wie die neuen i820-Boards mit dem angeblich überlegenen RDRAM.

Vollends zur Farce gerät Intels RDRAM-Strategie mit dem Einsatz von Memory Translator Hubs (MTHs). Diese Hubs übersetzen das Rambus-Protokoll des i820-Chipsatzes in das SDRAM-Protokoll. Damit kann Intel seinen Kunden den fortschrittlichen i820-Chipsatz inklusive voller Kompatibilität zum billigen SDRAM-Speicher verkaufen. Der Haken: Durch die Übersetzung des Speicherprotokolls fällt die Systemleistung stark ab.

RDRAM punktet erst bei hohen Taktfrequenzen

Das ganze Debakel rund um Rambus soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Technologie nach Ansicht vieler Experten in Zukunft durchaus große Vorteile bringen kann. Ein Vorteil gegenüber SDRAM ist, dass Daten wie beim DDR-RAM sowohl bei der ansteigenden als auch bei der abfallenden Taktflanke übertragen werden, was einer Verdoppelung der Taktfrequenz gleichkommt. Zudem können Zugriffe auf Daten überlappend erfolgen, während noch Daten des vorhergehenden Befehls übertragen werden.

Da der Datenbus mit 16 Bit im Gegensatz zu 64 Bit bei SDRAM sehr schmal ist, machen sich die Vorteile von RDRAM aber erst bei hohen Taktfrequenzen bemerkbar. Bei einem Speichertakt von 400 Megahertz erreicht jeder einzelne Chip eine Übertragungsrate von 1,6 GB/s. Kommt Rambus-Speicher in zwei Kanälen zum Einsatz, wie es etwa beim Intel-Chipsatz i840 der Fall ist, verdoppelt sich die Bandbreite sogar auf 3,2 GB/s. SDRAM erreicht bei 133 Megahertz einen maximalen Durchsatz von ca. 1 GB/s. Damit ist diese Technologie an ihre Grenzen gelangt. Bei höheren Taktraten müsste das Design grundlegend geändert werden.

Konkurrenten basteln an offenem Speicherstandard

Allerdings gibt es Alternativen zu Rambus, die Weiterentwicklung von SDRAM ist voll im Gange. Um gegen Intel/Rambus einen offenen, lizenzfreien Speicherstandard zu entwickeln, haben sich bereits vor drei Jahren 20 führende Halbleiterhersteller im Advanced-Memory-International-(AMI-)Konsortium zusammengeschlossen. Diese Allianz hat mit DDR die nächste SDRAM-Entwicklungsstufe initiiert. Die Technologie richtet sich nach den Standards des Joint Electron Device Engineering Council (Jedec).

Der Hauptunterschied zu SDRAM besteht darin, dass wie bei RDRAM bei ansteigendem und abfallendem Taktsignal Daten übertragen werden. Zudem wird der Datentransfer in einer Weise synchronisiert, die auch bei hohen Taktraten eine fehlerfreie Datenübertragung gewährleistet. Bei einem Bustakt von 100 Megahertz kommt DDR-SDRAM auf eine Transferrate von 1,6 GB/s, bei 133 Megahertz sind es 2,1 GB/s. Die übernächste, ebenfalls Jedec-konforme Generation von SDRAM bahnt sich bereits an. Die ersten Produkte mit der Bezeichnung SLDRAM sollen bei 400 Megahertz eine Bandbreite von 3,2 GB/s erreichen.

Gefahr droht von DDR-Chipsätzen

Die breite Markteinführung von DDR-Speichern steht kurz bevor. Via Technologies aus Taiwan, das sich mittlerweile als ernst zu nehmender Gegenspieler Intels bei Pentium-Chipsätzen etabliert hat, will in den nächsten Wochen den ersten DDR-Chipsatz herausbringen. Auch für AMD kommt die Markteinführung von DDR-SDRAM gerade rechtzeitig. Nach Aussage seines Sprechers Jan Gütter wird das Unternehmen im Laufe des Jahres zwei DDR-Chipsätze für seinen Athlon-Prozessoren vorstellen. Bisher hat es dem Pentium-III-Konkurrenten an einem leistungsfähigen Speicher-Interface gemangelt.

Auch die Herstellung der Speicherchips läuft bereits auf Hochtouren. So hat IBM, einst maßgeblich verantwortlich für die Ausarbeitung des DDR-Standards, die Verfügbarkeit von 184-Pin-DDR-Modulen bekannt gegeben. Die IBM-Server-Modelle Netfinity und Numa-Q sind die ersten Intel-basierten Maschinen mit DDR-SDRAM. Auch S/390-Server sollen mit den neuen Modulen ausgestattet werden. Big Blue will erreichen, dass DDR sich als zukünftiger Speicherstandard durchsetzten wird. IBM-Sprecher Christoph von Gamm rechnet damit, dass sich DDR zunächst bei den Servern auf breiter Ebene etablieren und allmählich in den PC-Bereich eindringen wird.

Während bis zu einer breiten Einführung von DDR-SDRAM noch einige Monate vergehen dürften, dümpeln die Verkäufe von Rambus-Chipsätzen und -Speicher weiter vor sich hin. Erst kürzlich bestätigten das auch die großen taiwanischen Motherboard-Hersteller. Weniger als zehn Prozent der Pentium-III-Boards würden mit dem Rambus-Chipsatz i810 ausgeliefert. Etwa 60 Prozent der verkauften Boards basieren nach wie vor auf dem von Intel bereits als Auslaufmodell bezeichneten BX-Chipsatz.

Noch im Februar sprach Pat Gelsinger, Vice President von Intels Desktop-Gruppe, davon dass man im zweiten Quartal viele Millionen i820-Chipsätze verkaufen werde. Die erhofften Zahlen dürften bei den derzeitigen RDRAM-Preisen schwer zu erreichen sein. So ist das Unternehmen auch längst von seiner ursprünglichen Strategie abgewichen. Auf der einen Seite will man den Teufelskreis der hohen RDRAM-Preise durchbrechen. Mit Abnahmegarantien für die Chiphersteller soll einerseits die Produktion angekurbelt werden, gleichzeitig versucht man, die PC-Hersteller für den Einsatz von Rambus zu gewinnen.

Intels Finanzspritzen sollen Rambus-Markt ankurbeln

Auch über Beteiligungen will Intel den Markt in Bewegung bringen. So haben sich die Kalifornier etwa mit 40 Millionen Dollar beim taiwanischen Komponentenhersteller Hon Hai Precision eingekauft. Das Unternehmen stellt verschiedene Komponenten für die "Rambus Inline Memory Modules“ (RIMM) genannten RDRAM-Module her. Bereits im Februar hat Intel eine Investition in Infineon in Höhe von 250 Millionen Dollar bekannt gegeben. Auch hier erwartet man sich unter anderem die Ausweitung der RDRAM-Produktion.

Ob es Intel gelingt, das Ruder herumzureißen, dürfte sehr stark von der Einführungsphase der DDR-Speicher abhängen. Im Server-Markt sind die Würfel für DDR praktisch schon gefallen. Via könnte über seine wachsende Rolle als Chipsatzhersteller für einen hohen Marktanteil im Pentium-III-Segment sorgen. Und AMD könnte mit einem anhaltenden Erfolg des Athlon einen weiteren wichtigen Impuls für die Anti-Intel-Lösung geben.