Raketendüse aus dem Drucker

Rakete Ariane 6: 3D-Druck reduziert Kosten um die Hälfte

18.07.2017
Von Detlef Flach
Mit Hilfe des industriellen 3D-Drucks will die Ariane Group die Herstellung des Ariane-6-Triebwerks vereinfachen. Dabei setzen die Raketenbauer auf Drucktechnik von EOS-Technologie und reduzieren die Zahl der Bauteile von 248 auf eine Komponente.
Die Ariane 6 soll ab 2025 die Ariane 5 als Trägerrakete ablösen und günstiger sein.
Die Ariane 6 soll ab 2025 die Ariane 5 als Trägerrakete ablösen und günstiger sein.
Foto: ArianeGroup

"Mission Critical" - eine Aussage, die in der Luft- und Raumfahrt auf Bauteile der Klasse 1 absolut zutrifft. Eine bis zu mehreren hundert Millionen teure Mission hängt von ihnen ab. Aus diesem Grund sind Ingenieure kontinuierlich bestrebt, Komponenten mit höchster Qualität, Funktionalität und Robustheit zu entwickeln und dabei sowohl die Fertigungskette zu vereinfachen als auch die Anzahl der Einzelbauteile zu reduzieren. Die ArianeGroup, ehemals Airbus Safran Launchers, hat diese Maxime komplett neu definiert: Der Einspritzkopf eines Raketentriebwerks, etwa des Ariane 6-Oberstufentriebwerks VINCI, zählt statt 248 Teile nur noch eines. Der Einspritzkopf wurde im wahrsten Sinne des Wortes "ver-ein-facht" und wird als All-in-One-Design (AiO) bezeichnet.

Herausforderung Raketentriebwerk

All-in-One-Design des gedruckten Einspritzkopfs des Raketenantriebs.
All-in-One-Design des gedruckten Einspritzkopfs des Raketenantriebs.
Foto: EOS GmbH

Die Europäische Weltraumorganisation ESA möchte mittels einer effizienten Trägerraketentechnik eine starke und unabhängige Position im Weltraumverkehr einnehmen. Um dies zu erreichen, wurde ArianeGroup, ein Gemeinschaftsunternehmen der Airbus Group und des französischen Konzerns Safran, mit dem Bau der europäischen Trägerrakete Ariane 6 beauftragt. Der Erstflug einer Ariane 6 ist für 2020 geplant. Ab 2025 soll Ariane 6 die heutige Version 5 ablösen und Europa den Zugang zum All zu einem wettbewerbsfähigen Preis sichern. Die Kostenreduktion ist durch den Verzicht auf öffentliche Geldzuschüsse das gesetzte Ziel bei diesem Projekt. Der Fokus liegt auf dem Oberstufentriebwerk der Rakete, das den Antrieb nach Verlassen des Orbits übernimmt.

Die additiv gefertigte Grundplatte des Einspritzkopfs eines Raketentriebwerks mit 122 integrierten Einspritzelementen wurde aus EOS NickelAlloy IN718 gefertigt.
Die additiv gefertigte Grundplatte des Einspritzkopfs eines Raketentriebwerks mit 122 integrierten Einspritzelementen wurde aus EOS NickelAlloy IN718 gefertigt.
Foto: EOS GmbH

In einem Raketentriebwerk wirken enorm hohe Kräfte unter extremen Bedingungen. Dafür ist ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit und Präzision bei geringer Baugröße gefragt. Der Einspritzkopf ist eines der zentralen Elemente eines Raketentriebwerks, da er das Treibstoffgemisch in den Brennraum einbringt. Konventionell hergestellt besteht er aus 248 Bauteilen, die in verschiedenen Fertigungsschritten produziert und montiert werden. Durch Bearbeitungsschritte wie Gießen, Löten, Schweißen und Bohren entstehen Schwachstellen, die bei extremen Belastungen ein Risiko darstellen können. Darüber hinaus sind die vielen Schritte zeitaufwendig und komplex. Bei der konventionellen Fertigung werden im Bereich der Einspritzelemente über 8.000 Querbohrungen in Kupferhülsen gebohrt, die anschließend mit den 122 Einspritzelementen präzise verschraubt werden, um den durchströmenden Wasserstoff mit dem Sauerstoff im Element zu vermischen. Ein Blick auf solche Zahlen macht deutlich, dass aus Sicht des Risiko-Managements ein funktionsintegriertes Bauteil, das alle Komponenten in sich vereint, das ehrgeizige Ziel sein muss. Wenn dabei zusätzlich Bearbeitungsschritte und Produktionszeit eingespart werden, hat das ein großes wirtschaftliches Potenzial - insbesondere für ein Bauteil der Klasse 1.

Realisierung per 3D-Druck

Durch den Einsatz des 3D-Druckers EOS M 400-4, der mit vier Lasern druckt, konnte die ArianeGroup die Herstellungskosten des Einspritzkopfes um 50 Prozent reduzieren.
Durch den Einsatz des 3D-Druckers EOS M 400-4, der mit vier Lasern druckt, konnte die ArianeGroup die Herstellungskosten des Einspritzkopfes um 50 Prozent reduzieren.
Foto: EOS GmbH

Die Lösung für diese Herausforderungen liefert die additive Fertigung, denn "die Herstellung des Einspritzkopfs aus einem Bauteil ist überhaupt nur mit 3D-Druck realisierbar", erklärt Steffen Beyer, Leiter Produktionstechnologie - Werkstoffe & Prozesse bei ArianeGroup, den Entschluss für den industriellen 3D-Druck. Beyer zufolge kann allein die additive Fertigung Funktionsintegration, Leichtbau, Designvereinfachung und die Reduzierung der Durchlaufzeiten in einem einzigen Bauteil zusammenbringen. Als Material setzte das Projektteam bei ArianeGroup weiterhin auf eine hitze- und korrosionsbeständige Nickelbasislegierung (NickelAlloy IN718). Diese zeichnet sich durch sehr gute Zug-, Dauer-, Kriech- und Bruchfestigkeit bei erhöhten Temperaturen aus und sollte auch bei der neuen Fertigungstechnologie eingesetzt werden.

Nach der erfolgreichen Entwicklung des Bauteils stand die Wirtschaftlichkeit auf der Agenda. Eine zentrale Vorgabe lautete: Durchlaufzeiten und Stückkosten zu senken. Um dies zu erreichen setzen die Raketenbauer auf das 3D-Druck-System M 400-4 der EOS GmbH aus Krailing bei München. Das Unternehmen hat sich auf 3D-Drucker zur Additiven Fertigung (AM) mit Metall und Kunststoff spezialisiert. Da beim M 400-4 4-Laser-Technologie zum Einsatz kommt, konnte die Herstellungszeit des Triebwerksteils deutlich verkürzt werden. Benötigte die klassische Herstellung mit Gießen und spanender Nachbearbeitung früher bis zu drei Monate, ist das Teil jetzt in 35 Stunden gedruckt. "Die Skalierung des Bauprozesses auf das EOS M 400-4 System war für uns ein wichtiger Schritt, um die Industrialisierung und Wettbewerbsfähigkeit des Ariane 6-Projekts voranzutreiben", unterstreicht Beyer die Bedeutung des 3D-Drucks.

Drucken statt Gießen

Zumal der additiv gefertigte Einspritzkopf noch unter einem anderen Aspekt überzeugt: Statt aus 248 Bauteilen besteht er nun nur noch aus einem einzigen Teil - bei gleichem Funktionsumfang und maximal reduziertem Zeitaufwand. Durch den pulverbettbasierten, industriellen 3D-Druck gelang es unter anderem, die 122 Einspritzdüsen, die Grund- und Frontplatte sowie den Verteilerdom mit den entsprechenden Zuleitungsstutzen für die Treibstoffe Wasserstoff und Sauerstoff als integrales Bauteil zu drucken. Statt "aus einem Guss" ist der Einspritzkopf "aus einem Druck". Damit konnte das Team nicht nur die Bauzeit verkürzen, sondern auch die Kosten um 50 Prozent reduzieren. Das Prinzip des AiO-Einspritzkopfs bringt noch weitere Vorteile: Durch die Vereinfachung des Designs und dank der verbesserten Werkstoffeigenschaften im Vergleich zur Gussqualität konnte mittels der additiven Technologie die Wandstärke deutlich verringert werden - und das bei gleichbleibender Robustheit. Dabei wurde das Gewicht um 25 Prozent reduziert.