Rahmenbedingungen beim Bau von Corporate Networks (Teil 1) DV und Telekommunikation: Der Weg zur Integration ist steinig

29.10.1993

Wohl selten wurde die Unsicherheit von Anwendern hinsichtlich der konzeptionellen Umsetzung neuer Freiraeume so deutlich wie bei der gegenwaertigen Diskussion ueber Corporate Networks. Dirk Nouvortne* und Reiner Pliefke* beschaeftigen sich mit den organisatorischen und technischen Moeglichkeiten von Corporate Networks in einem heterogenen Herstellerumfeld. Dabei stehen zunaechst zwangslaeufig telekommunikative Aspekte im Vordergrund, aber auch Fragen nach der Integration unternehmensweiter DV-Systeme in ein einheitliches Netz sowie deren Auswirkungen auf die Unternehmensorganisation.

Seit zu Beginn des Jahres die rechtlichen Restriktionen durch den Gesetzgeber in puncto Nutzung von Datenleitungen fuer die Sprachkommunikation weitgehend aufgehoben wurden, wird die Debatte von marktstrategischen Ueberlegungen seitens der Hersteller, der Deutschen Bundespost Telekom sowie der privaten Carrier erschwert. Zahlreiche Netzbetreiber hatten seit laengerem eine weitergehende Deregulierung gefordert und zum Teil schon in der Vergangenheit den Anwendern versprochen, in sogenannten virtuellen Netzen spezifische Corporate Networks abbilden zu koennen. Andererseits bekommen nun aber einige der Anbieter, die durchaus die Moeglichkeiten zur Bereitstellung solcher Corporate Networks haetten, gewissermassen Angst vor der eigenen Courage, indem sie - in der Hoffnung auf eine Kooperation mit der Telekom - lieber vom Aufbau eines wettbewerbsorientierten Marktes absehen.

Darueber hinaus verunsichert die Anwender aber auch das Verhalten der Hersteller von Kommunikationssystemen. Wurde vor der Deregulierung immer wieder behauptet, dass die technischen Voraussetzungen fuer den Betrieb von Corporate Networks erfuellt sind, kommt man bei einer naeheren Betrachtung der Thematik eher zu dem Schluss, dass momentan eine unter betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Gesichtspunkten sinnvolle Umsetzung des Corporate-Network-Gedankens ueberhaupt nicht gegeben ist. Grund: Es funktionieren lediglich Loesungen auf proprietaeren Plattformen - diese aber enden in der Regel in einer Sackgasse.

Erste Versuche von Anwendern, ein Corporate-Network-Konzept zumindest in einem ersten Schritt ueber ein bundesweites "PABX- Networking" zu realisieren, haben sich dabei als ein Weg in die falsche Richtung herauskristallisiert. Entsprechende Netze funktionieren lediglich auf einer proprietaeren Grundlage - sprich: auf der Basis von PABX-Systemen eines Herstellers. Von dem Prinzip der Offenheit, wie es sich in der Datenkommunikation immer mehr durchsetzt (Stichwort: OSI) - sonst waeren Client-Server- Architekturen ueberhaupt nicht vorstellbar -, ist man hier jedenfalls noch meilenweit entfernt.

Der Anwender buesst dabei jedoch nicht nur seine Entscheidungsfreiheit und funktionsbezogene Flexibilitaet ein, sondern muss laengerfristig auch alle Preisvorteile in den Wind schreiben. Diese hier entstandene Zwangsjacke bezieht sich allerdings nicht nur auf die Abhaengigkeit vom Hersteller, sondern behindert auch die Anbindung externer Teilnehmer an das jeweilige Firmennetz - sofern sie unter die rechtliche Zulassung sogenannter Corporate Networks fallen und ueber andere digitale Nebenstellenanlagen (PABX) verfuegen. Gleiches gilt im uebrigen fuer die Ausdehnung von Corporate Networks in den internationalen Bereich, da hier nur selten die im nationalen Markt dominierenden Hersteller in ausreichender Weise praesent sind.

Im Zuge der Postreform I war es eigentlich schon ein Kuriosum, dass es nach wie vor innerhalb einer juristischen Person erlaubt war, vorhandene Datenverbindungen auch fuer die innerbetriebliche Sprachkommunikation zu nutzen, dies aber einer wirtschaftlichen Einheit, wie sie etwa ein Konzernverbund darstellt, vorenthalten blieb. So mussten beispielsweise Versicherungsunternehmen, die aufgrund aufsichtsamtsrechtlicher Bestimmungen gezwungen sind, diverse Versicherungssparten wie "Leben" und "Sach" in juristisch getrennten Bereichen zu fuehren, auf diese wirtschaftlich interessante Option verzichten beziehungsweise sie mit hohen Gebuehren erkaufen.

Nun hat bekanntlich Ende letzten Jahres beim Bundesministerium fuer Post und Telekommunikation aufgrund des Drucks, den die EG in dieser Frage auf Deutschland ausuebte, ein Umdenken eingesetzt, an dessen vorlaeufigem Ende das Genehmigungskonzept Corporate Networks steht. Interessant ist diese Neuregelung vor allem vor dem Hintergrund, dass auch die privaten Mitbewerber der Telekom ihren Kunden die innerbetriebliche Vermittlung von Sprache anbieten koennen. Dabei gilt allerdings nach wie vor die Auflage, dass keine Vermittlungsleistung zwischen den verschiedenen Kunden des Carriers erfolgen darf.

Der primaere Nutzen eines Corporate Networks, vor allem wenn es vorwiegend die Sprachkommunikation abdeckt, liegt in der Einsparung von Telefongebuehren. Vordergruendig deshalb, weil in einer Zeit zunehmender Dezentralisierung und damit auch der Dezentralisierung von Kompetenzen (Lean Management), die Regionalniederlassungen gestaerkt werden, bei gleichzeitigem Abbau von Koordinationsmechanismen mit der Zentrale. Dies bedeutet eine Reduktion des Telefonaufkommens beziehungsweise eine Verlagerung zugunsten des regionalen Gespraechsaufkommens. Allerdings denkt die Telekom, wie man weiss, intensiv darueber nach, die Fernbereichsgebuehren weiter zu senken und die Ortsgebuehren anzuheben. Trotzdem kann man zunaechst davon ausgehen, dass mit einem Corporate Network Fern- und Regionalbereichsgebuehren, die durch Hausgespraeche anfallen, eingespart werden.

Damit in einem Zusammenhang stehen Gebuehreneinsparungen ueber die Funktion des "Least-Cost-Routings". Dahinter verbirgt sich die Moeglichkeit, einen externen Teilnehmer ueber den PABX-Knoten zu erreichen, der diesem am naechsten ist. Die Auswahl zum Uebertritt in das oeffentliche Netz treffen damit die untereinander vernetzten PABX-Systeme. Ein Gespraech von Hamburg nach Muenchen kann so zu einem Ortsgespraech werden, wenn der Kommunikationspartner ueber das Muenchner Ortsnetz erreichbar ist (vgl. Abbildung 1).

Neben diesen direkten Gebuehreneinsparungen ist es vor allem eine Reihe von Verbundvorteilen, die sich ueber ein Corporate Network erschliessen lassen. Durch die "globale (logisch einheitliche) PABX" lassen sich unterschiedliche Server fuer ein gesamtes Unternehmen konfigurieren. Beispiele sind Voice-Mail- und Telematik-Server, die ueber die lokale PABX erreichbar sind, ohne dass die Server lokal installiert sind. Direkte Einsparungen ergeben sich aber auch aus der Moeglichkeit, die bislang noch dezentral vorgehaltenen Vermittlungsplaetze zugunsten eines zentralen Vermittlungsservices aufzuloesen.

Weitere wirtschaftliche Effekte eines Corporate Networks ergeben sich schliesslich durch die Nutzung von Carrierdiensten. Neben erweiterten "Economies of Scale" bei der Bereitstellung von (mandantenfaehigen) Ser- vern zahlt sich hier vor allem eine Optimierung der Netzauslastung aus. Dies ist nicht nur auf die reine Sprach-, sondern auch auf den Einbezug der Datenkommunikaton zu beziehen. Inwieweit der Nutzen der Carrier durch den Centrex- Ansatz nachpruefbar beeinflusst wird, laesst sich nur erahnen. Unstrittig ist jedoch, dass mit Centrex die Flexibilitaet eines Anwenders in Fragen der Telekommunikation erheblich zunimmt.

Der eigentliche Nutzen eines Corporate Networks liegt aber in der Erschliessung voellig neuer organisatorischer Gestaltungsspielraeume, die die Grenzen des gegenwaertig diskutierten Lean-Management- Modells deutlich machen. Die Erweiterung basiert auf der simplen technischen Funktion in einem Corporate Network, die Rufnummer eines Mitarbeiters nicht mehr lokal, sondern unternehmensweit zu verstehen. Dies beinhaltet zugleich die Option, eine Rufnummer nicht mehr personen-, sondern funktionsorientiert zu begreifen. Es entsteht eine sogenannte virtuelle Organisation, die ihren Nutzen sowohl innerbetrieblich (endogener Nutzen) als auch dem Kunden gegenueber (exogener Nutzen) dokumentiert.

In einer virtuellen Organisation wird der Begriff "Zentrale" von raeumlichen Restriktionen entbunden, das heisst, man spricht nicht mehr von physikalischen, sondern logischen Gesichtspunkten. Mit Hilfe eines Corporate Networks wird es also moeglich, eine Rechnungswesensabteilung, das Controlling, die Betriebsorganisationsabteilung oder Betriebsverwaltung sowie die Personalabteilung zwar raeumlich dezentral zu etablieren und arbeiten zu lassen, gleichzeitig jedoch unter einer Leitung logisch zentral zusammenzufassen.

In einer "raeumlichen" Zentrale werden in der Regel Produkte und Strategien entwickelt. Die Umsetzung dieser Strategien und der Absatz der Produkte erfolgt im wesentlichen durch den Vertrieb in Form raeumlich dezentraler Einheiten. Diese Tendenz wird durch den Lean-Management-Ansatz noch verfeinert. Dabei geht es um nichts anderes, als die Reaktionsfaehigkeit eines Unternehmens durch den Aufbau und die Betonung dezentraler Kompetenzzentren zu erhoehen.

So werden Beschwerden oder Kritik aus der Kundenschaft im wesentlichen raeumlich dezentral absorbiert. Dort hat man aber kaum Kenntnis davon, was an anderen Aussenstellen passiert und kann so nicht die Strategiefindung und Produktgestaltung beeinflussen. Konsequenz: Genaue Hinweise ueber die Qualitaet der erbrachten Unternehmensleistung liegen nicht vor. Pointiert ausgedrueckt laesst sich hier also feststellen, dass die Schere zwischen Strategiefindung und Produktentwicklung einerseits sowie den Markterfordernissen andererseits zunehmend auseinanderklafft. Diese Entwicklung wird durch das "Profit-Center-Denken" dezentraler Einheiten noch verstaerkt. Eine "logische" Zentrale bekommt nun aber jede Beschwerde aus dem Markt mit. Aufgrund der Haeufigkeit gleichartiger Beschwerden kann sie sich ein klares Bild von der Lage des Unternehmens am Markt - etwa hinsichtlich der Servicequalitaet - machen.

Lokale Interessen wirken eher kontraproduktiv

Lokale Interessen, die im Kontext des gesamten Unternehmens eher kontraproduktiv wirken, lassen sich so in der virtuellen Organisation aufloesen. Die Anfrage eines Kunden, die sonst mit dem Hinweis abgeschmettert wuerde: "Dies ist nicht mein Vertriebsgebiet" oder "Dafuer bin ich nicht zustaendig", laesst sich also im Rahmen einer virtuellen Organisation bearbeiten.

Durch die Moeglichkeit, ein "Call-Center" mit den technischen Moeglichkeiten der automatischen Anrufverteilung (ACD), von Voice- Prozessoren und den Diensten eines Intelligent Networks aufzubauen, lassen sich auf der Basis eines Corporate Networks logische Einheiten gestalten, die national oder gar international einen 24-Stunden-Service bereitstellen koennen und - egal von welchem Ort ein Ruf eingeht - den Kunden kompetent beraten. Weiterer Spielraum entsteht durch die netzweite Bereitstellung von Call-Centern, die - je nach lokaler Praesenz - hierarchisch aufgebaut werden koennen.

Natuerlich ist die virtuelle Organisation nicht allein technisch zu loesen. Kompetenzfragen, die sich unter anderem am Provisionswesen (Incentives) eines Unternehmens bei den Vertriebsmitarbeitern und ihrer Motivation niederschlagen, muessen den technischen Moeglichkeiten angepasst werden. Dies wiederum macht deutlich, dass neue Technologien ohne die Bereitschaft und den Willen zu Reorganisationen ihren Nutzen nicht entfalten koennen. Das blinde Adaptieren scheinbar erfolgreicher moderner Organisationsansaetze - wie etwa des Lean Managements - kann durchaus "organisatorische Pathologien" verursachen. Das eigentliche Ziel von Corporate Networks ist aber, die Sprach- und spaeter auch die Datenkommunikation eines Unternehmens samt allen privaten und oeffentlichen Netzbestandteilen zu integrieren. Die wesentliche Erweiterung gegenueber dem herkoemmlichen Konzept des PABX- Networkings liegt dabei in der Mitberuecksichtigung der oeffentlichen Netzkomponenten und deren Zugangsmoeglichkeiten.

Um ein Corporate Network aufzubauen, ist es daher sinnvoll, im Rahmen eines Stufenkonzepts mit der Sprachkommunikation zu beginnen. Eine erste Stufe sollte zunaechst die Vernetzung der PABX-Systeme eines mit einem Filialnetz ausgestatteten Unternehmens sein. Als Traegermedium bietet sich beispielsweise ISDN an. Je nach erforderlicher Leitungskapazitaet kann man sich hierbei eines oder mehrerer Basisanschluesse (S0) beziehungsweise Primaermultiplexanschluesse (S2m) bedienen. Die Dimensionierung der Anschluesse sollte sich nicht an den Verkehrsspitzen, sondern an einem Optimum orientieren.

Verbindungswuensche, die oberhalb des definierten Optimums liegen, sollten auf herkoemmliche Art ueber das oeffentliche Netz abgewickelt werden, da diese wirtschaftlich gesehen wesentlich guenstiger ist.

Die Frage nach der Art des jeweiligen Anschlusses betrifft neben dem Preis auch die erforderliche Kanalkapazitaet. Generell ist davon auszugehen, dass der S0-Anschluss fuer Fernverbindungen im Vergleich zu einer S2m-Verbindung recht teuer ist. Erster entscheidender Vorteil eines Corporate Networks ist in diesem Zusammenhang dann die Moeglichkeit, innerhalb eines raeumlich verteilten Unternehmens "Hausgespraeche" fuehren zu koennen - sprich: das Unternehmen wird unter TK-Aspekten zu einer logischen Einheit.

Neben dem reinen Telefonieren und den netzuebergreifenden Sprachleistungsmerkmalen wird aber auch eine Reihe weiterer Synergieeffekte realisierbar. Dies ist einmal der unternehmensweite, zentrale Vermittlungsplatz. Wurden bei lokalen PABX-Installationen entsprechende Personalkapazitaeten fuer Vermittlungskraefte gebunden, ist es in einem Corporate Network nun moeglich, diesen Service an einer oder wenigen Stellen - je nach organisatorischer Anforderung - zu konfigurieren oder einem Carrier zu uebergeben.

Vermittlungsleistungen werden zentral erbracht

Der naechste, gegenueber einem lokalen PABX-Networking signifikante Vorteil eines Corporate Networks ist das bereits erwaehnte Least- Cost-Routing. Hier gilt es allerdings technisch zu gewaehrleisten, dass ein Ruf ueber das Corporate Network bis zu der PABX geroutet wird, die dem Zielteilnehmer am naechsten liegt, und erst dann ins oeffentliche Netz eingeleitet wird. Problematisch ist hierbei jedoch die Erfassung und Zuordnung der Gebuehren. Eine weitere - technisch realisierbare - Variante des Least-Cost-Routings ist die Umweglenkung. Sind beispielsweise alle Kanaele der Verbindung Koeln - Muenchen belegt, kann es durchaus sinnvoll sein, eine Verbindung Koeln-Mannheim-Muenchen zu schalten. Neben der optimalen Konfigurierung mit Kanaelen sind auf diese Weise durch geschickte Ausnutzung der jeweiligen Standorte ebenfalls Gebuehrenvorteile zu erzielen.

Die naechste Stufe im Aufbau eines Corporate Networks ist die Integration der Datenkommunikation. Hier gilt es, zwei Varianten zu beachten. Dies ist einmal die Nutzung der relativ preiswerten paketorientierten Datenkommunikation ueber den Einbezug von B- Kanaelen beziehungsweise des neuen, von der Telekom angebotenen X.31-Dienstes - der paketorientierten Datenuebertragung im D-Kanal mit 16 Kbit/s Weitaus interesssanter ist jedoch die zweite Variante, die von dem bei vielen Anwendern vorherrschenden Szenario ausgeht, dass bis dato fuer die Datenuebertragung eigene Standleitungen - gegebenenfalls unter Nutzung eines Carrier- Services - verwendet werden.

Hier ist es durch den Einsatz eines Sprach-/Datenmultiplexers moeglich, beide Netze der Unternehmenskommunikation in einer Infrastruktur zu integrieren. Im Gegensatz zur vorhin beschriebenen ersten Variante koennen hier - unabhaengig von den PABX-Systemen - Datenanwendungen direkt ueber den Multiplexer geschaltet werden. Durch die integrierte Funktion der Sprachkomprimierung lassen sich die Kanalkapazitaeten der angemieteten Festverbindung besser ausnutzen, was sich letztlich ebenfalls in einer Einsparung von Gebuehren niederschlaegt.

Darueber hinaus gibt es auch unter Sicherheitsaspekten interessante Ansaetze - insbesondere dort, wo das Daten- vom Sprachnetz getrennt ist. Hier kann bei Stoerungen im Datennetz das Datenaufkommen ueber das Corporate Network geroutet werden (vgl. Abbildung 2).

Solange man sich innerhalb einer homogenen, geschlossenen Herstellerumwelt befindet, ist die Kopplung von PABX-Systemen relativ problemlos. Neben dem einfachen Telefonieren ("Basic Call") sind hier auch uebergreifende Leistungsmerkmale wie etwa Rueckruf im Besetzt- und Freifall, Anrufumleitung sowie Display- Anzeige etc. moeglich. Problematisch wird dies allerdings in einer heterogenen PABX-Umwelt innerhalb eines Unternehmens.

Die Initiierung der Sprachleistungsmerkmale erfolgt ueber den Signalisierungs-(D-)Kanal, der trotz vielfaeltiger Ansaetze noch nicht hinreichend standardi- siert ist. Zwei Standards zeichnen sich bis jetzt ab: "Q-SiG" und "DPNSS 1". Beide decken aber nicht das volle Funktionsspektrum proprietaerer Loesungen wie beispielsweise "Cornet" (Siemens) ab. Corporate Networks auf Grundlage einer homogenen PABX-Struktur bereiten bei der Umsetzung der vorhin beschriebenen Funktionen indes kaum Probleme. Andererseits erkauft man sich aber diese (zunaechst) hoehere Funktionalitaet durch einen Verlust an Flexibilitaet. Darueber hinaus bindet man sich an die Preisentwicklung und die Entwicklungszyklen des Herstellers. Manchmal verbirgt sich bei Anwendern dieser Kategorie hinter der Nutzung eines Corporate Networks lediglich ein simples PABX-Networking. Diese begriffliche Ambivalenz traegt haeufig zur Verwirrung in der gegenwaertigen Diskussion bei.

International taetige Unternehmen, Unternehmen mit Tochtergesellschaften, die heterogene PABX-Systeme unterhalten, und besonders Carrier, die fuer unterschiedliche Kunden Corporate Networks betreiben wollen, laufen jedoch mit einer homogenen PABX- Struktur in eine Sackgasse. Hier gilt es, heterogene Strukturen aufzubauen, deren Probleme natuerlich vielfaeltig sind. In der Datenkommunikation wurde dieses Problem auf der Grundlage von OSI bereits weitgehend geloest oder zumindest angedacht, und es ist nicht zu begreifen, warum dies in der Telekommunikation nicht ebenfalls einmal gelingen sollte.

Das D-Kanal-Protokoll, das im ISDN fuer die Dienstesignalisierung verantwortlich zeichnet, ist fuer den Betrieb einer PABX-Anlage beziehungsweise fuer ein Corporate Network in dreifacher Hinsicht von Bedeutung:

- als Protokoll fuer Anschlussleitungen gegenueber dem oeffentlichen ISDN; von Relevanz sind hier (noch) 1 TR 6 oder Euro-ISDN,

- als Protokoll fuer Endstellenleitungen (auch hier gelten 1 TR 6 oder Euro-ISDN), und

- als Protokoll fuer direkt verbundene PABX-Systeme ueber Festanschluss.

Von besonderer Relevanz sind hier neben den proprietaeren (Networking-) Protokollen - wie etwa in der Siemens-Welt "Cornet" - "DPNSS 1" und der ETSI-Standard "Q-SIG".

Das Protokoll entscheidet ueber die moeglichen Services

Fuer die Konzeption von Corporate Networks ist dabei vor allem die letzte Protokollverwendung entscheidend. Sie ist ausschlaggebend fuer das Angebot an Sprachleistungsmerkmalen im Corporate Network. Dabei wird man von Anwender zu Anwender eine unterschiedliche Akzentuierung von Schwerpunkten hinsichtlich der Bedeutung einzelner Leistungsmerkmale finden. Dazu gehoeren - ungeachtet der jeweiligen Bedeutung - Features wie die Anruferidentifizierung mit Nummern- oder Namensanzeige, die alternative Wegsuche, die Anrufverteilung im Netzwerk (ACD) sowie Basic Call (3,1 Kilohertz) oder die beliebige Anordnung der Amtsleitungen etc.

Als Anwender ist man inmitten eines heterogenen Umfeld hinsichtlich des Verstaendnisses ueber einzelne Leistungsmerkmale in einer kritischen Situation und wird haeufig mit der Tatsache konfrontiert, dass die verschiedenen Hersteller einzelne Leistungsmerkmale unterschiedlich definieren. Es empfiehlt sich daher, bei der Planung eines Corporate Networks sogenannte organisatorische Funktionsgruppierungen zu definieren.

Am Beispiel der "Basic-Call-Function" laesst sich dies gut demonstrieren. Zunaechst assoziiert man mit Basic Call lediglich den reinen Gespraechsaufbau. Bei naeherer Betrachtung definiert Basic Call jedoch eine Reihe anderer Funktionalitaeten, die man in frueheren Zeiten der Nachrichtentechnik mit der EMD-Funktionalitaet in Verbindung brachte. Im einzelnen handelt es sich dabei um Faktoren wie Gespraechsaufbau, interne Gespraeche (kommend/gehend), externe Gespraeche (kommend/gehend) sowie die Rueckfrage. Hier kursieren zwischen den Herstellern zum Teil divergierende Definitionen und nur die Konstituierung organisatorischer Funktionsgruppen erleichtert im Dialog mit den jeweiligen Herstellern die Verstaendigung ueber Inhalte von Leistungsmerkmalen.

Natuerlich ist auch das Netzwerk-Management in einem Corporate Network von elementarer Bedeutung. Veraenderungen der Organisation lassen sich nicht ohne grossen technischen Aufwand nachvollziehen. Sie beziehen sich hier beispielsweise auf die Berechtigung des Amtszugriffes oder die Erweiterung von Leistungsmerkmalen fuer einen Teilnehmer im Netz. Da in der Regel der jeweilige Standort des physikalischen Netzknotens nicht mit dem des Netzwerk- Management-Centers uebereinstimmt, ist ein uebergreifendes Netzwerk- Management erforderlich.

Um heterogene Corporate Networks zu administrieren, sind nur Funktionen eines Netzwerk-Managements relevant, die dem SNMP- Protokoll entsprechen. Ziel muss es dabei sein, die lokalen Netzwerk-Management-Tools, die in den einzelnen Netzknoten implementiert sind, in ein Corporate-Network-System zu integrieren. Dazu gehoeren Tools wie etwa das Performance- Management, Default-Management oder das Netzdesign. Verfuegt ein Unternehmen, das ein Corporate Network betreibt, bereits ueber ein Benutzer-Service-Center, sollten die gleichen Tools, die in der DV bereits im Einsatz sind, verwendet werden. Hierbei stellen sich dann in der Regel Synergieeffekte zwischen DV und Telekommunikation ein.

Aehnlich komplex stellt sich auch die Accounting-Funktionalitaet dar. Hatte man in lokalen PABX-Installationen je angeschlossenem Teilnehmer einen eigenen Account im Gebuehrenprogramm, so koennen im Corporate Network alle Teilnehmer Gespraechskosten an jedem Knoten verursachen. Das Problem, die Kosten dem Verursacher zu belasten, ist dabei alles andere als trivial, da beispielsweise ein Teilnehmer aus Hamburg durch das Netz geroutet werden kann und in Muenchen einen externen Teilnehmer zu Ortsbereichsge- buehren erreicht (Least Cost Routing). Diese Kosten fallen nun in Muenchen an und muessen dem Hamburger Teilnehmer berechnet werden. Darueber hinaus gilt es, den Hamburger Teilnehmer zusaetzlich mit einem bestimmten Betrag an den Netzkosten im Corporate Network zu beteiligen.

Um eine derartige komplexe Gebuehrenerfassung und -zuordnung zu realisieren, ist genau wie beim Netzwerk-Management ein Stufenkonzept zu entwickeln, wobei alle Knoten im Netz ihre Gebuehreninformationen an einen separaten Gebuehrenrechner weiterleiten, wo alle Teilnehmer registriert sind. Hier laesst sich zum Beispiel auf die Moeglichkeiten des Intelligent Networks zurueckgreifen.

Entwicklung eines Rufnummernplans

Ein weiteres gravierendes Problem beim Aufbau von Corporate Networks ist die Entwicklung eines Rufnummernplans. Nicht nur, dass hier Ruecksicht auf technische Restriktionen aufgrund der Heterogenitaet genommen werden muss, sondern es sind vor allem organisatorische Restriktionen aufgrund der begrenzten Nummernhaushalte zu beruecksichtigen.

Das Kernproblem ist dabei dreistufig zu sehen. Als erstes ist hier der auf lediglich zwoelf Ziffern begrenzte Rufnummernhaushalt der Telekom beziehungsweise der PTTs im internationalen Bereich zu nennen. Zweites Problem sind die ortsamtsbezogenen Spielraeume, so dass die Niederlassungen eines Unternehmens in verschiedenen Staedten nur ueber einen limitierten Umfang an Rufnummernbloecken (beispielsweise von 1 bis 399) verfuegen koennen.

Dritter Punkt ist die Entwicklung eines unternehmensspezifischen Rufnummernplans auf dieser Basis, bei der eine simple Durchnumerierung wohl nur in den seltensten Faellen moeglich sein wird. Um insbesondere dieses Problem in den Griff zu bekommen, ist man gut beraten, entsprechende Anleihen aus dem Intelligent- Network-Ansatz zu nehmen. Die Grundfunktionalitaet des Intelligent Networks liegt ja vor allem in der Rufnummernuebersetzung (siehe Service 130). Die naheliegende Konsequenz liegt also in nichts anderem als der Einfuehrung von verdeckten Rufnummern.

(wird fortgesetzt)