Migros wechselt auf R/3-Enterprise

R/3-Migration: Kürzere Downtime als erwartet

05.12.2003
MÜNCHEN (fn) - Viele R/3-Anwender planen ein Upgrade auf das Release "R/3 Enterprise". Jede Migration bereitet Kunden Unbehagen, da dadurch Kernprozesse zum Erliegen kommen. Unlängst hat der schweizerische Handelskonzern Migros seine SAP-Systeme umgestellt.

Nichts hassen Anwender mehr als Release-Wechsel, da solche Projekte meist lange dauern und mit Systemstillständen verbunden sind. Einige SAP-Kunden haben den Umstieg von einem älteren Release auf R/3 Enterprise bereits vollzogen, darunter der schweizerische Handelskonzern Migros aus Zürich. Das Unternehmen betreibt fünf SAP-Systeme und hat unlängst von Release 4.5B auf die aktuelle ERP-Version migriert. Das Projekt nahm von der Planung bis Inbetriebnahme der neuen Software sieben Monate in Anspruch. "Wir hatten großen Respekt vor dem Releasewechsel, da es kaum Firmen aus dem Retail-Bereich gibt, die den Wechsel bereits vollzogen haben", erläutert Projektleiter Viktor Meier. Längere Systemstillstände können sich Unternehmen wie Migros nicht leisten, da unter anderem die Frischwarenlogistik kaum Verzögerungen erlaubt. Meier hat in den letzten Jahren Eingriffe ins ERP-System weitgehend vermieden: "Das letzte Support-Package haben wir im Januar 2000 eingespielt." So stand für den Projektleiter rasch fest, dass der Umstieg auf R/3 Enterprise nach der Methode "Downtime-minimized" vollzogen werden muss. Diese Option im Migrationswerkzeug der SAP reduziert die Offline-Zeit des ERP-Systems, erfordert aber zusätzliche Rechnerkapazität. Als Alternative können Administratoren den Modus "Resource-minimized" wählen, bei dem die Downtime länger dauert, der jedoch weniger Rechenleistung beansprucht.

Folgen für Systemumgebung

Voraussetzung für R/3 Enterprise bei Migros war ein Update sowohl der Oracle-Datenbank als auch des Betriebssystems AIX von IBM. Beides vollzogen die Eidgenossen vor der Installation des neuen ERP-Systems. So wechselte man von AIX 5.1 auf 5.2 beziehungsweise tauschte das Datenbanksystem der Version 8 gegen Oracle 9.2 aus. Außerdem schafften die ERP-Verantwortlichen neue IBM-Server der P-Series-Familie (vormals RS/6000) an, die etwa 20 Prozent mehr Prozessorleistung liefern als die bisherigen Systeme. Der leistungsstärkste Rechner bei Migros verfügt über acht Prozessoren, 500 Gigabyte Festplatten- sowie 16 Gigabyte Arbeitsspeicher und leistet 9400 SAPS. Diese Maßeinheit basiert auf dem "SAP-Anwendungs-Performance-Standard".

Neben einem Leistungszuwachs hatte der Hardwareaustausch den Vorteil, dass Migros die R/3-Migration isoliert auf einem Vorgängersystem simulieren konnte. Die dabei gesammelten Erfahrungen kamen dem Unternehmen zugute, als der eigentliche Umstieg an einem Samstag spät in der Nacht begonnen wurde. Entgegen den Erwartungen von Meier stand das System nur zehn Stunden still, er hatte mit etwa 30 Stunden gerechnet. Auch der Modifikationsabgleich bereitete keine Schwierigkeiten, obwohl Migros etwa 1200 Modifikationen im ERP-System vorgenommen hatte. Einen Teil der selbst entwickelten Funktionen deckt das R/3-Release mittlerweile ab, so dass der Migros-spezifische Code nicht in die neue Umgebung eingespielt werden musste.

Für Probleme sorgten dagegen falsch gesetzte Shared-Memory-Parameter im SAP-System, die nach erfolgtem Umstieg zu einem 30-minütigen Stillstand der ERP-Umgebung führten. "Solche Schwierigkeiten können auftreten, wenn Firmen nicht nur die ERP-Software, sondern auch die Datenbank und das Betriebssystem austauschen", so Meier.

Zugriff über ITS

Insgesamt greifen 500 Filialen auf die R/3-Umgebung zu. Viele Nutzer verwenden dabei ein Web-Interface, das der "Internet Transaction Server" zur Verfügung stellt. Einen eleganteren Web-Zugriff bietet SAP mit dem "Enterprise Portal", doch sieht Migros bislang keine Veranlassung, den bewährten ITS abzulösen. Im Zuge der Migration mussten Meier und sein Team 800 PCs mit einer neuen Version des SAP-Clients ausstatten.

R/3 Enterprise

Mit R/3 Enterprise hat sich SAP von der bisherigen ERP-Architektur verabschiedet. Das Produkt verbindet die "alte" Technik mit dem "Web Application Server". Die R/3-Funktionen von R/3 4.6C wurden in einem Kernsystem ("Enterprise Core") zusammengefasst. Statt der bislang üblichen Release-Wechsel sollen Upgrades über die mit dem Core verbundenen "Extensions" viel leichter vonstatten gehen. Neue ERP-Funktionen wollen die Walldorfer nur noch über "Extension Sets" ausliefern, die Wartungskunden kostenlos beziehen können.

Laut SAP vollziehen Kunden mit dem Umstieg auf R/3 Enterprise den letzten Release-Wechsel in bekannter Weise. Extensions sollen sich ohne Downtime des Systems installieren lassen. Unabhängig davon werden Anwender auch weiterhin Support-Packages in das Kernsystem einspielen, um beispielsweise das Personalwesen sowie die Finanzbuchhaltung an neue gesetzliche Vorschriften anzupassen.

R/3 Enterprise läuft auf dem Web Application Server, der sowohl über die Ablaufumgebung für Abap-Software als auch eine J2EE-Engine verfügt. Die Kopplung der Server-Instanzen soll den Web-Zugriff auf die Client-Server-Programme erleichtern.

Abb: Zwischen Alter und neuer Welt

Mit R/3 Enterprise koppelt SAP "alte" ERP-Technik mit Java. Quelle: Nach einer Vorlage von SAP