Uni-Professor analysiert SAP-Konzept vor SNI-Anwendern

R/3 ist für Kunden von SAP oft die einzige BWL-Richtlinie

30.10.1992

NIEDERSTETTEN (CW) - "Ich muß gestehen, daß ich im laufe der R/3-Analyse vom ehemaligen Saulus zum Paulus geworden bin", räumte Rainer Thome in einem Vortrag vor Siemens-Nixdorf Anwendern ein. Der Professor für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik an der Universität Würzburg analysierte aus Anlaß des . zehnjährigen Bestehens des EDV-Anwenderkreises (EAK) das Mittelstandskonzept der SAP.

R/3 sei eine interessantere und für den Mittelstand sinnvollere Lösung, bekannte Thome, als er sich noch vor Monaten habe vorstellen können. "Ich bin eigentlich ein Gegner von Monopolisten", versetzte der Hochschullehrer dem Walldorfer Softwarehaus einen Hieb. "Im Falle von R/3 bin ich aber von meinen Mitarbeitern zu einer anderen Einstellung geprügelt worden".

Der bekehrte Professor zeigte sich beeindruckt, weil die Software sowohl vom Preis her als auch technisch eine mögliche Alternative für Kleinanwender mit Installationen von nur 16 Benutzern darstelle.

Allerdings sei R/3 für Unternehmen, die eine Fertigungslösung benötigten, vor 1995 nicht einsetzbar.

"Bauchschmerzen" habe Thome, weil zu erwarten sei, daß eine Vielzahl von Unternehmen ihre betriebswirtschaftlichen Anforderungen an DV-Lösungen nicht nach ihrem tatsächlichen Bedarf, sondern nach dem Lösungsangebot von R/3 ausrichten würden.

Wenn das so weiter gehe, formulierte der Referent überspitzt, werde der Begriff Betriebswirtschaftslehre künftig nicht mehr mit BWL, sondern mit SAP abgekürzt. Thome bezeichnete es als Armutszeugnis der Branche, daß bisher keiner der großen Hersteller eine integrierte Softwarelösung auf den Markt bringen konnte, die an R/3 auch nur annähernd heranreiche.

Neben dem Vortrag des SAP-Spezialisten fand auf der vom EAK-Vorsitzenden Rüdiger Brand geleiteten Veranstaltung auch die Rede von Heinz-Dieter Wendorff, Vorstandsmitglied der Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG, das Interesse der Vereinsmitglieder. Zwar zog der SNI-Manager eine insgesamt positive Bilanz über die Zusammenführung von Siemens und Nixdorf, warnte aber vor allzu großer Euphorie. Zunehmender Preisverfall und die sinkende Investitionsbereitschaft der Wirtschaft führten unvermeidlich zu einem noch stärkeren Kostendruck bei den Herstellern.

Allein im laufenden Geschäftsjahr müsse SNI einen Preisverfall von knapp einer Milliarde Mark verkraften, sorgte sich Wendorff. Das Vorstandsmitglied verteidigte vor den SNI-Anwendern das neue Konzept, den Mittelstand über Werksvertretungen zu bedienen. Auf diesem Wege könne Siemens Nixdorf den "Lösungsmarkt qualifiziert bedienen und entsprechende Geschäftsvolumina erreichen".