Attacke von Forrester geht Debis-Systemhaus-Tochter zu weit

R/3-Diskussion: Diebold verteidigt SAP-Software

10.05.1996

Es sei weder fair noch legitim, argumentiert Diebold, wenn die heute verfügbare SAP-Software mit den Produktankündigungen anderer Anbieter verglichen werde. Oft existiere von den Papiertigern der Konkurrenz noch nicht einmal ein Prototyp. Eine sachgerechte Gegenüberstellung sei nur dann möglich, wenn marktreife Programme ähnlicher Komplexität und Zielrichtung auf dem Prüfstand stünden oder auch die Produkte der Konkurrenz hinsichtlich ihrer Zukunftsperspektiven beurteilt würden.

Letzteres hatte Forrester vor wenigen Wochen mit der Studie "The Prudent Approach To R/3" erst gar nicht beabsichtigt. Die Marktforscher aus Cambridge, Massachusetts, bezeichnen R/3 als Altlast von morgen und raten Anwendern, neue Software-Entwicklungen nach Möglichkeit von dem betriebswirtschaftlichen Monolithen zu isolieren (vgl. CW Nr. 16 vom 19. April 1996, Seite 1). Die Empfehlung, sich schon jetzt auf einen Abschied von R/3 einzustellen, führte zu einer deutlichen Verunsicherung bei Anwendern und zu einem kurzfristigen Einbruch des SAP-Aktienkurses.

Diebold bezichtigt Forrester der unseriösen Effekthascherei. Den Unternehmen, die heute vor einer Kaufentscheidung stünden, sei mit derlei Aussagen nicht gedient.

Dabei wollen sich die Eschborner, deren Mutter Debis Systemhaus GmbH in der R/3-Implementierung tätig ist, eigenen Angaben zufolge neuen Techniken keineswegs verschließen. Es gebe eine Reihe ernstzunehmender Entwicklungen, wenngleich der Einsatz marktreifer Produkte noch auf sich warten lasse. Offenbar spielen die Berater dabei auch auf den Datenbankhersteller Oracle an. Dort arbeiten nach Angaben von Michael Gedon, Marketing-Leiter der Münchner Oracle GmbH, derzeit über 1000 Entwickler an einer neuen Anwendungssoftware, die voraussichtlich Mitte 1997 verfügbar sein soll und technische Neuerungen wie Objektorientierung und Internet-Fähigkeit enthält.

Aus Erfahrung weiß jedoch Diebold-Chef Gerhard Adler, daß es nach der Markteinführung in der Regel noch mehrere Jahre dauert, bis ein derart komplexes System stabil läuft. Vermutlich wird das Massengeschäft deshalb nicht vor dem Jahr 2003 in Gang kommen - und wer kann es sich leisten, fragt Adler, so lange auf eine neue Software zu warten?

Bei Diebold ist man sich sicher, daß auch ein längerfristig geplanter R/3-Nachfolger mit den neuen Verfahren aufwarten wird. Derzeit stehe aber noch in den Sternen, wer im Bereich Internet/Intranet überhaupt Standards setzen werde. Zwischenzeitlich würden die Walldorfer R/3-Erweiterungen über Kooperationen anstreben, bei denen die Partner unter anderem auch auf dem Internet-Sektor aktiv sind.

Für die Eschborner ist R/3 noch auf Jahre hinaus "das Mittel der Wahl oder zumindest eine überdenkenswerte Alternative". Generell sollte ein Unternehmen jedoch im Vorfeld der Entscheidung seine betrieblichen Prozesse optimieren. Es habe sich gezeigt, daß der Löwenanteil der Einführungsarbeiten in der frühen, also weitgehend systemunabhängigen Phase anfalle. Der Aufwand für die eigentliche Parametrisierung sei im Verhältnis zur Konzeptionierung und organisatorischen Umsetzung relativ gering.

Wenn der Hauptaspekt einer Lösung auf den Prozessen Vertrieb, Logistik und Produktion liege, seien je nach Unternehmenstyp gute Alternativprodukte zu SAP verfügbar. Mittelständler stünden angesichts dieser Vielfalt oft vor einer schwierigen Situa- tion. Ihnen empfiehlt Diebold, sich für ein weniger komplexes Paket zu entscheiden.