Kolumne

"Quittung für die Softwarebranche"

13.06.2003
Heinrich Vaske Chefredakteur CW

Das Geschäft mit Software gilt zahlreichen Anwendern als undurchsichtig und unseriös. Viele haben genug von räuberischen Lizenzverträgen, Monopolgehabe, willkürlicher Preisfindung mit teils aberwitzigen Margen und Maintenance-Verträgen, die den Umsatzfluss für den Anbieter regeln, aber nicht die Wartung. Kein Wunder, dass Open-Source rund um den Globus dankbar angenommen wird.

Anstatt nun gegenzusteuern und das Wohlwollen der Kunden mit vertrauensbildenden Maßnahmen zurück zu gewinnen, erleben wir das krasse Gegenteil. Softwarehäuser versuchen das, was sie über Lizenzverträge nicht hereinholen, mit veränderten Serviceverträgen zu gewinnen. Gleichzeitig gilt es, die Kosten zu senken: Anwender werden mit allen Mitteln gedrängt, die neuesten Releasestände zu nutzen.

Ist das Spektrum der Maßnahmen zur Gewinnsteigerung ausgereizt, wird zugekauft. Wohin das führen kann, zeigt Oracles unfreundlicher Versuch, den Wettbewerber Peoplesoft für 5,1 Milliarden Dollar in bar (!) zu übernehmen. Der Datenbank-Riese verspricht bisher nur, die Peoplesoft-Anwendungen weiter zu pflegen. Als eigenständige Produktlinie entwickeln oder mit seiner eBusiness-Suite integrieren wird er sie voraussichtlich nicht. Etliche Großanwender, die Millionenbeträge in Peoplesoft-Anwendungen investiert haben, wären also, falls der Deal zustande käme, über kurz oder lang zur Migration gezwungen.

Natürlich werden nicht alle dieses Spiel mitspielen. Oracle-Chef Larry Ellison weiß, dass er mit seiner Ankündigung einen gewissen Prozentsatz der Peoplesoft-Kunden dem Erzrivalen SAP in die Arme treibt. Doch dieses Risiko geht er ein, um den Abstand zum Marktführer zu verringern.

Gelingt die Übernahme, beschleunigt sich die Herausbildung eines Triumvirats im weltweiten Softwaremarkt: Microsoft, Oracle und SAP werden noch klarer als bisher den Ton angeben. Jetzt, wo ihre Kassen noch prall gefüllt und die Börsenbewertungen kleinerer Konkurrenten günstig sind, können sie sich das Produktportfolio zusammenkaufen, mit dem sie die Anwender künftig beglücken wollen.

Allerdings ändert diese Marktkonzentration nichts daran, dass die Erosion im Softwaregeschäft weitergeht. Die Abwanderung der Kunden ins Open-Source-Lager hat zumindest bei Infrastrukturprodukten längst eingesetzt. Ob auch Business-Applikationen betroffen sein werden, ist noch nicht absehbar. Doch so wie SAP auf die Idee kam, seine Datenbank an die Open-Source-Gemeinde abzutreten, um die Konkurrenz zu ärgern, so könnten andere mit entsprechenden Gaben den ERP-Markt durcheinander wirbeln.

Für IBM etwa wäre es keine große Sache gewesen, 135 Millionen Euro für ein Softwarehaus wie Baan zu zahlen und den Code der Open-Source-Gemeinde anzudienen. SAP und Oracle hätten das Nachsehen - nicht etwa, weil die Kunden in Scharen davonlaufen würden, sondern weil sie sehr viel selbstbewusster in die Verhandlungen einsteigen könnten. Wer wissen möchte, wie das konkret aussieht, kann bei Microsoft nachfragen.