Quicken-Deal kann US-Behoerde nicht erquicken Justizministerium sagt nein zum Merger Microsoft-Intuit

05.05.1995

MUENCHEN (CW) - Das US-Justizministerium hat sich gegen die Uebernahme der Intuit Inc. durch Microsoft ausgesprochen. Um die rechtlichen Implikationen klaeren zu lassen, rief die Behoerde den US District Court in San Franzisko an.

Microsoft hatte am 13. Oktober 1994 angekuendigt, man wolle im Zuge eines Aktientausches im Umfang von 1,5 Milliarden Dollar Intuit uebernehmen. Das Softwarehaus aus Menlo Park, Kalifornien, entwickelt und vertreibt unter anderem "Quicken", die in den USA und weltweit mit Abstand erfolgreichste Finanzsoftware fuer den privaten Bereich.

Anne Bingaman, Assistant Attorney General fuer Antitrust- Angelegenheiten, erklaerte zur ablehnenden Haltung des DOJ:

"Wenn man es Microsoft gestattet, sich in den extrem konzentrierten Markt (fuer private Finanzsoftware) in eine dominierende Position einzukaufen, haette das wahrscheinlich Folgen fuer die Konsumenten: Sie muessten in Zukunft fuer Bankensoftware hoehere Preise zahlen." Ausserdem wuerden Anwender wohl nicht mehr in den Genuss von Innovationen kommen, haette Microsoft den Daumen auf Quicken.

Windows 95 und Quicken - eine perfekte Symbiose

Microsoft zeigte sich nach den Worten von Chefjustitiar Bill Neukom "enttaeuscht" ueber die Entscheidung des DOJ. Man halte aber an der Absicht fest, beide Unternehmen zusammenzufuehren. O-Ton Bill Gates: "Dieser Merger ist im Interesse der Konsumenten. Wir koennen in dem Zusammenschluss von Microsoft und Intuit keine wettbewerbsrechtlichen Probleme erkennen."

Das strategische Konzept der Gates-Company, als potenter Anbieter unterschiedlichster Online-Dienstleistungen die Regeln eines explosionsartig wachsenden Marktes mit zu diktieren, wuerde nach Meinung vieler Branchenfachleute durch die Einverleibung von Intuit einen spuerbaren Schub bekommen.

Microsofts erklaerte Absicht, in sein kommendes Betriebssystem Windows 95 auch die Online-Software "Microsoft Network" zu integrieren, hatte am Markt bereits fuer erhebliche Unruhe gesorgt. Die Moeglichkeit, als Endkunde Produkte ueber Network direkt beim Produzenten und somit unter Ausschluss des Haendlerkanals zu beziehen, weckte sofort das Interesse von rund 50 Herstellern, darunter so bekannte Unternehmen wie Hewlett-Packard, Dell, Gateway 2000, Lotus und Borland.

Prompt wurde die Ascii Group Inc., ein US- Dienstleistungsunternehmen, das knapp 1100 Computerhaendler unterstuetzt, beim amerikanischen Justizministerium vorstellig.

Spaetestens seit dem 13. Oktober 1994 sind nun auch Banken-Manager hellhoerig geworden. Wuerde die Gates-Company Quicken in Windows 95 einbauen, entstuende hier nach Meinung von Fachleuten eine schier unschlagbare Symbiose: Ein - rechnet man den Erfolg von Windows hoch - allen Erwartungen nach extrem gut verkaeufliches Betriebssystem wuerde Abermillionen Anwender en passant mit den Segnungen eines elektronischen Finanz- und Bankensystems erquicken, das selbst mittlerweile eine erdrueckende Marktstellung gewonnen hat.

Nach Berechnungen des Marktforschungsunternehmens Dataquest faellt Quicken in den USA bei Finanzsoftware ein Marktanteil von 70 Prozent, weltweit von 48 Prozent zu. Etwa sieben Millionen PC- Benutzer rund um den Globus erledigen ihre Bankgeschaefte mittlerweile elektronisch mit der Intuit-Software.

Die Analysten von PC Data malen der Microsoft-Konkurrenz ein noch dunkleres Bild: Sie glauben, dass Quicken bereits 90 Prozent des Marktes erobert hat.

Microsofts eigene Finanzsoftware "Money" sei, so PC Data, ganz entgegen den Beteuerungen von Bill Gates kein ernstzunehmendes Konkurrenzprodukt. Laut Dataquest kann Money gerade einmal fuenf Prozent Marktanteil reklamieren. Microsoft diente seine Software dem Rivalen Novell an. Man wolle kartellrechtliche Bedenken im Vorfeld der Intuit-Akquisition ausraeumen, hiess es hierzu in einer Erklaerung aus Redmond.

Nichts als Scheingefechte, glauben viele Insider. Juristin Bingaman, wegen ihrer vermeintlich handzahmen Haltung bei der Verabschiedung des Consent Decree zwischen Microsoft und dem DOJ im Juli 1994 in die Kritik geraten, blies ins gleiche Horn. Der Schachzug, Money an Novell zu verhoekern, "bringt ueberhaupt nichts. Novell kann Microsoft, das eine dominante Stellung bei PC-Software besitzt, und Quicken mit dessen fuehrender Position im Markt fuer Finanzapplikationen einfach kein Paroli bieten."

Microsoft, so das Resuemee einer Umfrage der Forrester Research Inc. bei 35 Banken, koenne zukuenftig auf Terrain wildern, das bislang ausschliesslich auf dem Hoheitsgebiet der Geldinstitute lag. Das US-Wirtschaftsmagazin

"Business Week" argwoehnte bereits, Microsoft-Anwender wuerden in Zukunft nicht mehr nur ihre heimischen Banktransaktionen mit Quicken erledigen. Ueber den Online-Service Microsoft Network koennten genauso gut auch Finanzdienstleistungen wie beispielsweise Anlageberatungen oder Vermoegensverwaltungen erledigt werden.

Microsoft wuerde so mit Windows 95 und den in das Betriebssystem integrierten Dienstleistungs-Applikationen gleich zweimal abkassieren: Zum einen beim Verkauf beziehungsweise der Lizenzierung der Systemsoftware selbst. Zum anderen aber koennte Bill Gates als Online-Dienstleister - neudeutsch Content Provider - die Hand fuer jede gebuehrenpflichtige Transaktion aufhalten.